Protokoll der Sitzung vom 12.12.2014

Lassen Sie mich nur eine einzige andere Zahl für das Prob lem, das in 18 Jahren entstanden ist, nennen. Schauen wir uns die Zahl der Personen an, die im nicht wissenschaftlichen Be reich tätig sind. Im Jahr 1997 waren das 11 784 Personen. 18 Jahre später, bei 70 % mehr Studierenden, liegt die Zahl der Personen, die im nicht wissenschaftlichen Bereich tätig sind, bei 11 772. Das heißt, der Personalbestand im nicht wissen schaftlichen Bereich ist in diesen 18 Jahren um null Prozent gewachsen, und dies bei 70 % mehr Studierenden, die an den Hochschulen sind. Das ist die Problematik, über die wir heu te reden und der wir mit unserem Hochschulfinanzierungsver trag korrigierend begegnen wollen. Das ist eine Herausforde

rung von enormer Größe, weil Sie 18 Jahre lang die Zeichen der Zeit im Hochschulbereich verschlafen haben.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Sie haben 18 Jahre lang mit Provisorien, mit Übergangslösun gen, mit befristeten Maßnahmen gearbeitet, und Sie haben die Illusion genährt, dass es bei den Veränderungen im Hoch schulbereich um temporäre Erscheinungen gehe, die man in irgendeiner Weise überbrücken könne – so wie Kohl in den Achtzigerjahren, als ich studiert habe und die Studierenden zahlen zum ersten Mal enorm in die Höhe gingen. Kohl hat damals das Problem ausgesessen und hat den Studentenberg „untertunnelt“. Bei uns wurde er in den letzten 18 Jahren durch Provisorien und kurzfristige Maßnahmen „überbrückt“. Dies werden wir mit dem Hochschulfinanzierungsvertrag kor rigieren.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Mit dieser Herangehensweise stärken wir die Hochschulauto nomie weiterhin, wie wir es bereits mit dem neuen Lan deshochschulgesetz getan haben. Wir geben mit dem neuen Vertrag Verantwortung für die sinnvolle Verwendung von Gel dern zurück in die Hochschule und in ihre eigene Gestaltungs hoheit. Ich bin überzeugt davon, dass dieser Hochschulfinan zierungsvertrag unsere Hochschullandschaft im Wettbewerb um die besten Nachwuchskräfte national wie international enorm stärken wird.

Deswegen lassen Sie mich noch Folgendes sagen: Wir haben auch aus diesem Grund die Begrifflichkeit geändert, denn die Solidarpakte waren Konstrukte, die das Wort Solidarität doch enorm strapaziert haben. Wir erkennen mit dem neuen Hoch schulfinanzierungsvertrag die großen Leistungen unserer Hochschulen an, die sie in den letzten Jahren erbracht haben, mit Programm- und Zweitmitteln jeglicher Art die Herausfor derung der wachsenden Studierendenzahlen gut zu schultern.

Schwarz-Gelb hat sich – das muss man noch einmal sagen – geweigert zu erkennen, dass es hierbei um langfristige Trends geht. Schwarz-Gelb hat die Illusion genährt, es ginge um ein paar Jahrgänge, die man irgendwie überbrücken und aushal ten müsse. Wir werden mit der langfristigen und der grund sätzlichen Korrektur dieser Konstrukte den Hochschulen nun endlich die nötigen Freiräume zurückgeben.

Lassen Sie mich die Gelegenheit nutzen, auf ein paar Einwän de der Abg. Kurtz und des Abg. Bullinger einzugehen.

Frau Kurtz kritisiert, dass der Hochschulfinanzierungsvertrag immer noch nicht unterschrieben sei, und fragt, was denn mit dem Fahrplan passiert sei. Ich meine, dass ich nie etwas an deres gesagt habe, als dass wir den Vertrag in zeitlicher Nähe nach Verabschiedung des Doppelhaushalts unterzeichnen wer den. Wir können auch gar nichts anderes tun, weil wir dem Haushaltssouverän, der über einen Haushalt beschließt, das erste Wort geben müssen. Nur auf der Grundlage des Haus haltsbeschlusses, der nächste Woche erfolgt, können wir die Details festlegen, die über einen Zeitraum von sechs Jahren reichen. Wir hätten keinen Vertrag mit den Hochschulen un terzeichnen können, ohne vorher im Parlament die Ermächti gung für die Unterzeichnung eines solchen Vertrags zu erhal ten.

Was hätten Sie denn gesagt, wenn wir den Vertrag letzte Wo che schon unterschrieben hätten, Sie aber erst nächste Woche über den Haushaltsplan entscheiden dürfen? Deswegen war unsere Ansage nie anders. Zuerst wird über den Haushalt ent schieden. In dem Haushalt steht die Ermächtigung mit den entsprechenden Eckpunkten. In großer zeitlicher Nähe wird dann der Vertrag unterzeichnet. Verlassen Sie sich darauf, dass wir diesen Zeitplan einhalten werden. Die Hochschulen im Land werden zu Beginn des neuen Jahres wissen, woran sie sind. Sie werden nicht in eine Lücke fallen.

Frau Abg. Kurtz hat weiter kritisiert, ich würde dem Parla ment nicht Rede und Antwort stehen, ich würde nichts sagen und immer nur nach außen reden. Darüber habe ich mich ge wundert, Frau Abgeordnete.

(Zuruf der Abg. Edith Sitzmann GRÜNE)

Wir hatten vorletzte Woche im Zusammenhang mit den Be ratungen über den Einzelplan 14 im Finanzausschuss extra die Gelegenheit geschaffen, das Thema Hochschulfinanzierungs vertrag zu besprechen, der rein technisch im Staatshaushalts gesetz angesiedelt ist. Wir haben uns also die Mühe gemacht, diesen Punkt extra zu den Beratungen des Einzelplans 14 zu legen. Frau Abgeordnete, ich kann mich noch gut erinnern, dass es, als dieser Punkt aufgerufen wurde, zu diesem Thema keine einzige Nachfrage gab – nicht von Ihnen, nicht von Herrn Abg. Bullinger und auch von sonst niemandem.

(Abg. Alexander Salomon GRÜNE: Unglaublich! – Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)

Da hätte die Möglichkeit bestanden. Ich hätte zu jeder Frage zu diesem Thema Rede und Antwort gestanden. Wir haben die Möglichkeit dazu eröffnet. Es gab jedoch zu diesem Thema keine Fragen. Daher wundere ich mich ein wenig darüber, von Ihnen heute diese Rückmeldung zu erhalten.

(Glocke der Präsidentin)

Frau Ministerin, es liegt eine Zwischenfrage der Abg. Kurtz vor.

Gut. Besser spät als nie.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Frau Ministerin, erinnern Sie sich daran, dass ich Sie bei der letzten Regierungsbefragung am 12. November 2014 danach gefragt habe, wie der Reformpro zess hinsichtlich der Musikhochschulen aussieht? Sie haben damals geantwortet, wir würden doch wohl nicht annehmen, Sie würden hier im Haus Ihre Rede vorwegnehmen, die Sie am „Montag kommender Woche“ – das war der 17. Novem ber – bei der letzten Veranstaltung der Zukunftskonferenz Mu sikhochschulen halten würden. Wir könnten gern zu dieser Veranstaltung kommen. Sie erinnern sich vielleicht daran, dass Sie noch mit dem Einladungsflyer gewedelt haben. Sie wür den dann alles bei der Abschlussveranstaltung sagen.

Erinnern Sie sich außerdem daran, dass der Finanzausschuss vorsitzende nicht wusste, dass Sie zum Staatshaushaltsgesetz sprechen wollten, dass man den betreffenden Punkt von einer späteren Sitzung im Rahmen der Haushaltsberatungen in die

jenige Sitzung vorgezogen hatte, in der der Etat des Wissen schaftsministeriums beraten wurde, und der Punkt in dieser Form gar nicht auf der Tagesordnung stand? Ich habe dies nur einem Interview der „Stuttgarter Zeitung“ entnommen. Dort haben Sie angekündigt, Sie wollten uns informieren. Ich muss deshalb nachfragen, weil mir dies über die Zeitung kommu niziert wurde. Diese Vorgehensweise war mir noch nicht be kannt. Erinnern Sie sich an diese Zusammenhänge, Frau Mi nisterin?

(Zuruf des Abg. Alexander Salomon GRÜNE)

Frau Abg. Kurtz, die Zusammenhänge waren anders. Im Finanzausschuss wurde der Punkt aufgerufen. Es ist darauf hingewiesen worden, dass der Punkt Hochschulfi nanzierungsvertrag am Anfang der Beratungen des Einzel plans 14 behandelt wird. Der Punkt ist mit aufgerufen wor den. Es ist gefragt worden, ob dazu Gesprächsbedarf bestehe. Es kam keine Reaktion. Dann ist man in die normalen Bera tungen eingestiegen.

Sie waren im Raum anwesend. Ich habe mich sehr darüber gewundert,

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Dass sie an wesend war?)

dass zu diesem Vertrag keine Fragen kamen. Ich kann nur fest stellen, dass das Thema aufgerufen wurde, dass es keine Re aktion gegeben hat und man daraufhin in die weiteren Bera tungen eingestiegen ist.

Auch über das Thema Musikhochschulen, liebe Frau Abg. Kurtz, haben wir hier häufig geredet. Ich glaube, es gibt nur einzelne andere Hochschularten, über die im Parlament so oft gesprochen wurde. Auch im Vorfeld zu dem Abschlusssym posium habe ich Ihnen die Grundlinien erläutert, soweit sie zu diesem Zeitpunkt kommunizierbar waren. In der Tat wer de ich nicht Dinge vorher im Parlament bereden, die ich in Kürze mit den Hochschulen zu besprechen und auszuver handeln habe. Alles jenseits davon ist in den Grundzügen und -linien hier mehrfach berichtet worden. Ich glaube wirklich, es gibt wenige andere Punkte, die wir hier mit einer solchen Häufigkeit und Intensität besprochen haben. Dabei sind die ganzen Anhörungen, die die Fraktionen dazu veranstaltet ha ben, gar nicht mitgezählt.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Da war ja Frau Kurtz gar nicht! – Zuruf der Abg. Edith Sitzmann GRÜNE)

Lassen Sie mich noch einmal auf die Grundlinien dessen zu rückkommen, was wir im Haushalt selbst jenseits des Hoch schulfinanzierungsvertrags vorlegen. Mir ist besonders wich tig, noch einmal herauszuarbeiten, dass es uns um Verlässlich keit für die Hochschulen insgesamt und auch um mehr Ver lässlichkeit für die einzelnen Wissenschaftlerinnen und Wis senschaftler geht.

Mit dem Vertrag erhalten die Hochschulen die Möglichkeit, künftig aus der Grundfinanzierung mehr Stellen zu schaffen, diese langfristig zu sichern und sie eben nicht nur von Jahr zu Jahr zu besetzen. Dieses Ziel erreichen wir wesentlich durch den Hochschulfinanzierungsvertrag, aber nicht nur durch die ses Instrument.

Wir schaffen z. B. im Zusammenhang mit dem Staatshaus haltsgesetz die Möglichkeit eines echten Tenure-Tracks ohne Stellenvorbehalt. Wir schaffen also für die jungen Wissen schaftler eine Möglichkeit, falls sie sich qualitativ bewähren, ohne weiteren Hochschulwechsel im Hochschulsystem zu ver bleiben und auf eine Lebenszeitprofessur zu wechseln. Das ist ein enormer Fortschritt, der insbesondere für die Gewin nung der jungen Talente von großer Wichtigkeit ist.

Nicht zuletzt verbessern wir auch mit der neuen W-Besoldung – Sie erinnern sich an unsere Entscheidung von gestern – die Karriereperspektiven in Deutschland. Wir geben mit der Re form der W-Besoldung etwa 10 Millionen € jährlich zusätz lich in die Besoldung der Professorinnen und Professoren. Rechtzeitig mit der Weihnachtspost werden sie die gute Bot schaft zu dem Thema erhalten. Sie werden die Gewissheit ha ben, dass sie diese Zahlung rückwirkend zum 1. Januar 2013 erhalten.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Wir bringen den Professorinnen und Professoren unsere Wert schätzung entgegen. Unsere Hochschulen bleiben attraktiv für die Besten, sodass wir zuversichtlich sind, dass wir auch in Zukunft in unserem Land Nobelpreisträger wie in diesem Jahr Professor Hell hervorbringen. Dieser hat an der Universität Heidelberg studiert und leitet derzeit eine Abteilung am DKFZ. Er bleibt uns hoffentlich im Land noch lange erhalten.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Lassen Sie mich unter dem Stichwort Verlässlichkeit auch auf das Thema Konsolidierung eingehen. Verlässlichkeit gegen über unseren Wissenschafts- und Kultureinrichtungen können wir nur dann herstellen, wenn wir verantwortlich mit unseren Ressourcen umgehen und verantwortlich haushalten.

Wir wissen alle: Die Schuldenbremse ist der Rahmen, an den wir uns halten. Deswegen hat das Wissenschaftsministerium zugesichert, seinen Anteil zur Einhaltung der Schuldenbrem se in vollem Umfang zu leisten und die Orientierungspläne, die die Landesregierung verabredet hat, in vollem Umfang zu erfüllen. So werden wir im Jahr 2015 mit 22,3 Millionen € und im Jahr 2016 mit 35,8 Millionen € zur Konsolidierung beitragen. Ein großer Anteil dieser Beiträge ist heute schon konkretisiert.

Weitere Konkretisierungen von Einsparauflagen hat die grünrote Landesregierung im Bereich des Wissenschaftsressorts seit 2012 gemacht. Bis einschließlich zum Jahr 2016 haben wir konkrete Ansatzkürzungen im Umfang von 84 Millionen € vorgenommen. Das ist ein wichtiger Beitrag zu Haushaltsklar heit und -wahrheit, was Sie hier in der Debatte eben auch kri tisiert haben.

Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass ich als Opposi tionsabgeordnete meinem Vorgänger im Amt, Herrn Profes sor Frankenberg, vorgeworfen habe, dass es früher allgemei ne Einsparauflagen und globale Minderausgaben im Umfang von 100 Millionen € gab. Ich sage Ihnen: Bis heute haben wir 84 Millionen € davon konkretisiert und ausgewiesen. Jetzt können Sie sagen, man müsse immer noch mehr konkretisie ren. Das mag sein. Ich möchte einfach darauf verweisen, dass wir einen enormen Schritt nach vorn gegangen sind, um uns festzulegen und mehr Ehrlichkeit und Klarheit in die real vor

handenen Spielräume für unsere Einrichtungen und Hoch schulen zu bringen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Neben dem Konsolidieren geht es uns aber immer auch um das Investieren. Wir dürfen die wesentlichen Zukunftsfelder nicht aus den Augen verlieren. Wir müssen mehr in die The men und die Bereiche, in denen unsere Zukunft entsteht, in vestieren. Allen voran geht es um die ökologische Moderni sierung, bei der es gilt, Ressourcen zu schonen, erneuerbare Energien und nachwachsende Rohstoffe besser zu nutzen.

Wir investieren 50 Millionen € in die Elektromobilität. In ein Forschungsprogramm Bioökonomie werden wir 9 Millionen € fließen lassen. Entscheidend ist dabei, dass Wissenschaft nicht im luftleeren Raum stattfindet, sondern in die Gesellschaft ge bracht wird – in Kooperation mit der Wirtschaft, mit den Kommunen, mit der Bürgergesellschaft. Deswegen fördern wir auch ein neues Format, das wir Reallabore nennen, die im Schwerpunkt „Wissenschaft für Nachhaltigkeit“ auf die Ko operation zwischen Wissenschaft und Kommunen sowie Re gionen und der Zivilgesellschaft setzen. Dafür werden wir aus unseren Mitteln in den nächsten Jahren 8 Millionen € zur Ver fügung stellen.

Ebenso sind unsere Wissenschafts- und Kultureinrichtungen zentrale Akteure im Bereich der Digitalisierung. Digitalisie rung, die unsere Gesellschaft in allen Lebensbereichen um wälzt und verändert, stellt auch unsere Wissenschafts- und Kultureinrichtungen vor enorme Herausforderungen, führt zu neuen Möglichkeiten der Wissensvermittlung, verbessert den Zugang zu Informationen, verändert Forschungsmethoden und benötigt neue und mehr Forschungsinfrastruktur.

Seit 2010 haben wir insgesamt 70 Millionen € für die HighPerformance-Computing-Strategie des Landes veranschlagt. Für 2015 und 2016 sind weitere knapp 10 Millionen € vorge sehen. Der Bund beteiligt sich darüber hinaus in gleicher Hö he. Stuttgart ist im Übrigen einer von bundesweit drei Stand orten für Höchstleistungsrechnen.

(Vereinzelt Beifall)

Für das weitere Feld von E-Science gibt es in den kommen den Jahren zusätzlich 3 Millionen €.

Besonders spannend wird es dann, wenn die Themen „Ökolo gische Modernisierung“ und Digitalisierung zusammengebracht werden. Lassen Sie mich ein paar Beispiele aufführen: Wir ha ben den Forschungscampus ARENA 2036 an der Universität Stuttgart. Wir haben damit ein Beispiel, bei dem das Thema Ressourcenschonung durch Leichtbau digital erforscht wird. Universität und Land nehmen hierfür gemeinsam 30 Millio nen € in die Hand.

Ein zweites Flaggschiff in diesem Bereich ist das erst kürz lich gestartete Energy Lab am Karlsruher Institut für Techno logie. Hier werden ebenfalls digitale Speichertechnologien, Vernetzung von Erzeugern und Verbrauchern, Energieinfor mations- und Steuerungsnetze erforscht. Das Land finanziert dieses Projekt als Vorreiterprojekt über die institutionelle För derung des KIT hinaus mit zusätzlich 3 Millionen €. Zusätz liche Mittel stellt der Bund zur Verfügung.