Wir haben alle noch die berauschende Rede unseres Verkehrs ministers bei der Haushaltsberatung in der letzten Woche in Erinnerung.
Da spielte dieses zentrale Thema Regionalisierungsmittel kaum eine Rolle. Aber wie mit einem Maschinengewehr wur den da Spatenstiche und Verkehrsfreigaben aufgelistet.
(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja! Zelebriert! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Das werden Sie doch nicht kritisieren wollen! Das ist doch gut!)
Schauen Sie einmal in Ihren Koalitionsvertrag für BadenWürttemberg hinein. Da steht sinngemäß, Sie wollten „gegen über dem Bund einfordern,“ dass er keine neue Bundesmaß nahme beginnt, bevor nicht alle laufenden Maßnahmen abge arbeitet sind.
Also geht auf das Verdienstkonto des jetzigen Verkehrsminis ters weder ein Spatenstich noch eine Verkehrsfreigabe, wenn Sie Ihren eigenen Koalitionsvertrag ernst nehmen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, immer mehr erkennen Be troffene, erkennen Interessierte und erkennen die Experten Ihr Dilemma bei der Ausschreibung und bei der Vergabe. Reden Sie doch einmal mit den Verkehrsunternehmen, reden Sie ein mal mit den Fahrzeugherstellern und fragen Sie sie, was sie von Ihrer Verkehrspolitik halten.
Seit dem 20. November gibt es nun einen neuen Vergabeka lender – der siebte, wenn man richtig zählt, der x-te vielleicht, und man weiß nicht, wie viele noch kommen werden. Jede Neuauflage hat eines gemeinsam mit der vorhergehenden: Die Termine werden immer weiter nach hinten geschoben. Einzig die Filetstücke, die Stuttgarter Netze, sind inzwischen im Ver fahren, aber auch die viel zu spät. Sieben weitere Verfahren sollen im Jahr 2014 folgen. Zählen Sie einmal die Kalender tage, die Ihnen in diesem Jahr noch verbleiben.
Zwei weitere Verfahren sind für 2015 angekündigt. Es sind also mindestens zehn Verfahren, die jetzt auf den Markt kom men. Wer Wettbewerb will, müsste entzerren und sollte nicht straffen und konzentrieren. Nur dann ist wirklich Wettbewerb möglich, doch den brauchen wir dringend, damit wir aus dem System heraus wieder finanzielle Spielräume erarbeiten kön nen.
Sie lassen sich beraten ohne Ende und geben dafür außeror dentlich viel Geld aus. Das zeugt von viel Misstrauen gegen über Ihrem eigenen Haus. Aber dadurch kommen Sie nicht schneller zum Erfolg. Ihr Problem – vor allem Ihr zeitliches Problem – wird vielmehr immer größer.
Sie wollten bessere Verträge, bessere Fahrzeuge, bessere Fahr pläne. Das ist ja gut so; darüber sind wir uns einig. Auch wir wollten das. Aber was wurde daraus? Ihr Zielkonzept 2025 werden Sie nicht erreichen, und Sie werden es vor allem nicht finanzieren können. Sie werden – das steht als Fußnote im neuen Vergabekalender drin – Übergangsverträge schließen müssen, die im besten Fall Stillstand, mit größter Wahrschein lichkeit jedoch Rückschritt bedeuten. Deshalb müssen Sie vor beugen, deshalb müssen Sie ablenken, weil Sie mit Ihren Plä
nen und Höhenflügen auf dem Bauch landen werden. Wir ha ben inzwischen fast vier wertvolle Jahre verloren. Welch ein Glück, dass man dann mit dem Finger auf Berlin zeigen kann!
Lieber Verkehrsminister, ich habe zwei Ratschläge. Das mei ne ich nicht ironisch, sondern wirklich im Ernst. Denn das Thema ist für uns alle ernst genug.
Erster Ratschlag: Arbeiten Sie bitte auch weiterhin in einer großen Gemeinsamkeit mit allen Fraktionen des Landtags an einer Sicherung und einer Verbesserung der Regionalisie rungsmittel, und formulieren Sie entsprechende Forderungen. Da haben Sie unsere uneingeschränkte Unterstützung. Denn spätestens nach 2016 müssen wir mit diesen Mitteln umge hen.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU – Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Späßle g’macht! – Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Späßle!)
Zweiter Ratschlag: Kommen Sie endlich einmal bei Aus schreibung und Vergabe selbst in die Gänge. Legen Sie ein mal eine zeitliche Gesamtkonzeption vor, die auch der Lage auf dem Markt entspricht, die ja nicht einfach ist.
Die größte Gefahr, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, für die Fortschreibung der SPNV-Erfolgsgeschichte in BadenWürttemberg heißt nicht Wolfgang Schäuble, sondern heißt Winfried Hermann.
(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Thomas Blenke CDU: Sehr gut! – Abg. Hans-Martin Haller SPD stellt sich neben das Red nerpult. – Anhaltender Beifall bei der CDU und Ab geordneten der FDP/DVP)
(Abg. Klaus Herrmann CDU: Wenn Sie gut sprechen, klatschen wir auch! – Abg. Thomas Blenke CDU: Da sind wir jetzt mal gespannt!)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich fange einfach einmal mit Begriffen an: „Schwarze Null“, „Totengräber“, „Schwarzmalen“, „Herr Schwarz war am Telefon“.
Der Sachverhalt ist unstrittig so: Der Bund ist mit der Dyna misierung der Regionalisierungsmittel in Verzug. Deswegen haben wir vor einer Woche hier einmal mehr gemeinsam – ge meinsam! – den Beschluss gefasst, den Bund aufzufordern, sich zu bewegen. Auf jeden Fall ist, was vor ein paar Wochen noch unklar war, nun definitiv, dass das Bundeskabinett am 17. Dezember eine Dynamisierung der Regionalisierungsmit tel um 1,5 % beschließen wird. Ich sage: Allein deshalb, weil die SPD an der Regierung auf Bundesebene beteiligt ist, weil
so schwach sind die inzwischen? oh! –, muss man die Sa che ernsthaft verfolgen, jedoch nicht in totale Schwarzmale rei verfallen. Klar ist: Der Bund ist in Verzug, aber in Verzug zu sein ist ja kein ausschließliches Merkmal des Bundes. Das kommt – Frau Razavi hat es erwähnt – sogar bei Ausschrei bungen im Land vor. Das ist zwar etwas, was in der Politik nicht erfreulich ist, das ist aber auch kein Grund für ein Welt untergangsszenario. So viel als kurze Vorbemerkung.
Wir stehen wie alle Fraktionen hinter der Forderung der Ver kehrsminister der Länder auf der Kieler Konferenz, die Re gionalisierungsmittel auf 8,5 Milliarden € zu erhöhen und sie danach jährlich zu dynamisieren. Es ist klar: Die Bundeslän der sind sich, wenn es um eine Forderung an den Bund geht, relativ schnell einig. Das ist keine höhere Politikkunst. Das muss man sehen. Dahinter stehen wir. Wir hoffen aber, dass als Ergebnis der Verhandlungen ein gutes Plus für uns heraus kommt.
Überaus positiv schätze ich an diesen Vereinbarungen, Herr Verkehrsminister, dass der Anteil Baden-Württembergs – egal, wie es denn konkret kommt – prozentual kräftig erhöht wer den soll. Das ist für uns die eigentliche Kernausbeute, die ei gentliche Leistung, die dahintersteckt. Denn Baden-Württem berg ist ein Land mit hoher Wirtschaftsdynamik, mit einem hohen Wirtschaftswachstum; es ist ein Land mit einer Bevöl kerungsdynamik, während sich andere Länder in einer ganz anderen Situation befinden und mit Bevölkerungsverlusten und anderem umgehen müssen. Dieser Kern wird uns, wenn es – vielleicht abgespeckt, wie es bei Verhandlungen oft üb lich ist – kommen wird, einen Vorteil bescheren,
einen Vorteil, den wir ganz, ganz dringend brauchen, weil der SPNV in Baden-Württemberg von den Bürgerinnen und Bür gern in hohem Maß angenommen wird.
Wir haben bei uns die Situation, dass wahrscheinlich die Hälf te der arbeitenden Bevölkerung täglich über größere Distan zen durch das Land pendelt. Die Menschen müssen zum Ar beitsplatz kommen; es ist nicht mehr so, dass der Arbeitsplatz zu den Menschen kommt. Dieser Situation müssen wir Rech nung tragen. Daraus ergeben sich Anforderungen an das Stra ßennetz. Aber in Ballungsräumen bleibt im Grunde als aus schließliche Lösung die Verbesserung des SPNV und die Stei gerung seiner Leistungsfähigkeit. Dazu brauchen wir Inves titionen in die Netze, aber natürlich auch Mittel für den Be trieb, sprich erhöhte Regionalisierungsmittel.
Wir sind derzeit nun einmal in der Situation, dass wir jährlich ca. 80 Millionen € Landesgeld aufwenden, damit der Verkehr im seitherigen Umfang aufrechterhalten bleibt. Das ist eine enorme Leistung. In einem Zeitraum von vier oder fünf Jah ren summiert sich das auf ca. 400 Millionen € Landesgeld. Wir sind stolz, dass wir das leisten – unerwarteterweise leis ten; denn das war ursprünglich ja gar nicht vorgesehen. Ur sprünglich dachten wir, mit den vorhandenen Mitteln auskom
ist und bleibt, den gesamten SPNV ab 2017 wieder allei ne aus Regionalisierungsmitteln finanzieren zu können.
Das ist unser Ziel. Das wollen wir mit erhöhten Zuschüssen erreichen. Das wollen wir durch Ausschreibungen erreichen, von denen wir uns Vorteile, günstigere Preise erwarten.
Ich habe aber immer gesagt: Wir von der SPD hegen da einen gewissen Skeptizismus jenseits der Stuttgarter Netze. Die wer den bestimmt gut ausfallen.
Aber dass wir die von Ihnen im Fahrplan 2020 avisierten Stei gerungen von 20 % hinbekommen, meine Damen und Herren von der CDU, glauben auch Sie nicht mehr. Nach Ansicht der SPD müssen wir froh sein, wenn das Geld reicht, um den ak tuellen Stand ab 2017/2018 mit erhöhten Regionalisierungs mitteln und mit Ausschreibungsgewinnen aufzufangen, so dass wir hierfür kein Landesgeld mehr brauchen. Natürlich freuen wir uns, wenn noch Geld übrig bleibt, um mehr Ver kehre zu generieren; aber da tragen wir einen gewissen Skep tizismus in uns.
Wir sind auch der Meinung, dass es in der Vergangenheit falsch war, Regionalisierungsmittel mit etwas sachfremden Ausgaben – Verkehrslastenausgleich, Verbundförderung und anderes mehr – zu belasten. Wir sind deswegen weiter der Meinung: Wenn jetzt im Land diskutiert wird, welche mögli chen Förderungen des SPNV, die an sich wünschenswert sind – vom Studiticket bis zum Landestarif und anderes mehr –, ebenfalls aus Regionalisierungsmitteln finanziert werden könn ten, sehen wir dazu keine Optionen, weil wir erwarten, dass diese Mittel auch in Zukunft knapp sind.
Deswegen freuen wir uns, wenn alle Fraktionen das Land – diese Regierung und diesen Verkehrsminister – hierin unter stützen, dass beim Bund endlich die Revision der Regionali sierungsmittel in Gang kommt. Das ist unsere große Hoffnung für das Jahr 2015. Das muss kommen. Ein erster Hoffnungs schimmer, wenn auch nicht ganz befriedigend, ist immerhin die jetzt zugesagte Dynamisierung um 1,5 %.