Protokoll der Sitzung vom 05.02.2015

Herr Ministerpräsident, ich möchte Ihnen anbieten und möch te unsere Bereitschaft dazu zu erkennen geben, dass wir ge meinsam Formen überlegen, wie wir dieses Fundament, die se Basis einer gelebten Integration auch befördern können.

Der frühere Ministerpräsident Günther Oettinger hat als Ers ter Christen, Juden und Muslime zum gemeinsamen Fasten brechen in das Staatsministerium, in die Villa Reitzenstein, eingeladen. Das war ein starkes Zeichen, ein stärkeres Zei chen als Debatten, wie wir sie heute hier im Landtag von Ba den-Württemberg führen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Bravo-Ru fe von der CDU – Zuruf des Abg. Alexander Salo mon GRÜNE)

Muslime gehören zu Baden-Württemberg. Religionsfreiheit gehört zu Baden-Württemberg. Gelungene Integration gehört zu Baden-Württemberg. Ich bin sehr dafür – da bin ich auch selbstkritisch; das muss in all dem, was wir sagen und tun, deutlicher zum Ausdruck gebracht werden –, zu betonen, dass Menschen muslimischen Hintergrunds, ausländische Mitbür gerinnen und Mitbürger in weiten Teilen unserer Gesellschaft, unseres Zusammenlebens, unserer Kultur, unseres Arbeits markts ein Gewinn, eine Bereicherung sind. Wir wollen zu sammenführen und nicht spalten. Auch das muss die Botschaft aus diesem Hohen Haus an diesem Tag sein.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Muhterem Aras GRÜNE: Sagen Sie ein mal etwas zum Weihnachtsmarkt!)

Wer aber zusammenführen will, wer nicht spalten möchte, der darf nicht überheblich über jene urteilen, die sich kritisch mit

diesen Fragen auseinandersetzen, wenn sie es verantwortungs bewusst tun.

(Abg. Manfred Kern GRÜNE: Dann muss man ein mal eine Frage zulassen!)

Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich ab schließend noch einmal zum Ausdruck bringen: Ich hoffe und wünsche und bin guten Mutes, dass es eine übereinstimmen de Auffassung im Landtag von Baden-Württemberg gibt, dass wir dem, der sich in diesem Land aufschwingt, um Fremden feindlichkeit, um Hass unter die Menschen zu bringen, über alle Parteigrenzen hinweg kompromisslos sagen müssen: Das hat auf unseren Straßen und Plätzen nichts verloren.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD)

In gleicher Weise ist es mir wichtig – auch das gehört zu ei ner gelungenen Form von Integration –, Menschen mit ihren Sorgen ernst zu nehmen.

(Abg. Muhterem Aras GRÜNE: Und Märchen zu er zählen!)

Nicht jeder, der sich mit Fragen der Zuwanderung, der sich mit Gewaltbereitschaft von Islamisten kritisch auseinander setzt, darf in die rechtsextreme Ecke gestellt werden. Auch diese Bereitschaft zur Diskussion und zum Gespräch muss es in unserem Land geben.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Lassen Sie uns die große Herausforderung angehen. Meine Fraktion ist dazu bereit.

(Abg. Muhterem Aras GRÜNE: Wie denn? Wo ist Ih re Klarstellung?)

Lassen Sie uns die große Herausforderung angehen, dass wir, der Landtag von Baden-Württemberg, uns als große Gemein schaft begreifen, wenn es darum geht, Baden-Württemberg als das Land einer gelungenen Zuwanderung zu positionieren. Wir, die CDU-Fraktion in diesem Hohen Haus, sind dazu be reit.

Herzlichen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Muhterem Aras GRÜNE: Sagen Sie doch et was zu Ihrem Weihnachtsmarkt!)

Für die Fraktion der FDP/DVP erteile ich dem Fraktionsvorsitzenden, Herrn Abg. Dr. Rülke, das Wort.

Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen! Herr Ministerpräsident, im Grunde kann ich alles, was Sie inhaltlich gesagt haben, teilen. Ich glaube, es ist auch deutlich geworden – ich hoffe zumin dest, dass es deutlich geworden ist –, dass Sie uns eine genaue Definition dessen, was Sie unter den von Ihnen angesproche nen Zwischentönen verstehen, die gefallen seien, schuldig ge blieben sind.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja!)

Ich denke aber, dass die Zielsetzung die gleiche ist. Die Ziel setzung ist ein weltoffenes, tolerantes Baden-Württemberg, in dem alle Menschen den gleichen Platz haben, ganz gleich, welcher religiösen Zugehörigkeit sie sind.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Die Frage ist nur, ob die Schlussfolgerung aus diesem Be kenntnis, aus dieser Zielsetzung dann sein muss, das Ganze auf einen bestimmten zugespitzten Satz zu fokussieren. Das gilt für alle Diskussionsteilnehmer. Sie sprachen den sächsi schen Ministerpräsidenten an. Ich fand den Satz, der Islam ge höre nicht zu Sachsen, alles andere als glücklich. Dies war ein Stück weit eine Verbeugung vor „Pegida“, weil man den Ein druck hatte, dass es einen gesellschaftlichen Resonanzboden gibt.

(Zuruf der Abg. Muhterem Aras GRÜNE)

Vor diesem Hintergrund ist dies mit Sicherheit nicht gut, schon gar nicht in Sachsen. Sie haben erwähnt, wie gering der mus limische Bevölkerungsanteil in Sachsen ist. Wenn eine Frau mit Kopftuch im Dresdner Straßenbild angetroffen wird, ist es wahrscheinlich eher die sorbische Großmutter als eine Mus lima. Vor diesem Hintergrund ist es besonders absonderlich, was von Dresden und zum Teil auch von Leipzig ausgegan gen ist.

Ich teile auch Ihren Satz – ich darf zitieren –:

Religionen... dürfen... vom Staat nicht bewertet werden.

Das ist richtig. Nur kann man bei diesem Satz nicht stehen bleiben – was Sie auch nicht gemacht haben. Anschließend haben Sie deutlich gemacht, wo dieser Satz seine Grenzen fin det, nämlich dort, wo die Bestimmungen unserer Verfassung nicht beachtet werden. Es ist schon wichtig, dass man deut lich macht: Religionsfreiheit ja, und zwar so weit wie mög lich, aber sie muss sich im Rahmen unserer Verfassungsord nung bewegen.

Das Beispiel mit den 1 000 Peitschenhieben, das Sie genannt haben, ist zwar nicht aus Deutschland, sondern aus Saudi-Ara bien. Es ist aber von dort aus weltweit prominent geworden und wird in der Bevölkerung wahrgenommen. Es werden auch andere Dinge wahrgenommen, die die Bevölkerung mit dem Islam in Verbindung bringt.

Vor diesem Hintergrund greift es eben zu kurz, zu sagen: Wir alle müssen uns darauf verständigen, dass der Islam zu Deutsch land gehört, und dann ist es gut. Denn das wird in der Bevöl kerung dann zum Teil anders verstanden. Man muss schon deutlich machen: Wenn damit unsere muslimischen Mitbür ger gemeint sind, wenn damit die Religionsausübung in den Grenzen unserer Verfassung gemeint ist, dann ist dieser Satz richtig, dann kann man ihn unterschreiben. Aber wenn man auch solche Dinge wie in Saudi-Arabien oder die anderen Din ge, die ich vorhin bei meiner ersten Wortmeldung aufgezählt habe, berücksichtigt, dann ist dieser Satz eben nicht richtig. Dann muss man Grenzen aufzeigen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Wenn wir das nicht tun, dann betreiben wir genau das Ge schäft von „Pegida“ und von bestimmten Parteien, die sich dann diese Ressentiments zu eigen machen und die dann sa gen: „Seht her, im Landtag von Baden-Württemberg haben sie beschlossen, der Islam gehört zu Deutschland, und das ver stehen wir halt so: Die 1 000 Peitschenhiebe sind dann auch in Ordnung.“ Genau das ist eben nicht der Fall, und das muss man auch in aller Deutlichkeit sagen, meine Damen und Her ren. Das geht nicht in einem Satz.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Ich bin auch dankbar, dass Sie angesprochen haben, dass alle Beteiligten in der Pflicht sind, beispielsweise auch die musli mischen Verbände. Ich erwarte auch von ihnen, dass sie sehr deutlich machen, was akzeptabel ist, was tolerabel ist und was nicht akzeptabel und nicht tolerabel ist. Denn auch das ist die Voraussetzung dafür, dass wir friedlich zusammenleben kön nen, wenn es einen Konsens gibt, der von allen Beteiligten ge funden wird und den auch alle Beteiligten am Ende vertreten.

Deshalb ist es richtig – wir haben das als Ergebnis unserer letzten Fraktionsklausur vorgeschlagen –, in Baden-Württem berg flächendeckend islamischen Religionsunterricht einzu führen und den Ethikunterricht so zu gestalten und anzubie ten, dass über Religionen gesprochen werden kann und für re ligiöse Toleranz geworben wird. Das ist ein richtiger Ansatz, und das bringt wesentlich mehr als der Versuch, sich auf ir gendwelche plakativen Sätze zu verständigen.

Das ist im Übrigen, Herr Ministerpräsident, auch nicht die Botschaft von Lessings Drama.

(Zuruf von der SPD: Oje!)

„Nathan der Weise“ ist ein Drama – Sie haben das zu Recht gesagt –, das aus der Auseinandersetzung mit einem wenig to leranten protestantischen Kirchenmann, dem hamburgischen Hauptpastor Goeze, entstanden ist. Die Gestalt findet sich dann auch in dem Drama in Gestalt dieses Patriarchen, der dann ein wenig toleranter orthodoxer Christ ist. Auch der Sul tan Saladin ist nicht von vornherein tolerant, sondern er wird erst von Nathan durch die Ringparabel überzeugt.

(Zuruf des Abg. Heribert Rech CDU)

Er hat zunächst einmal diesen Nathan zu sich bestellt, will ihm eine Falle stellen, weil er an das Vermögen des Juden heran kommen möchte, und erst, als Nathan ihn dann durch diese Ringparabel in Erklärungsnot bringt

(Abg. Georg Wacker CDU: Sehr gut!)

und ihn letztlich dann zu religiöser Toleranz zwingt, verstän digt der muslimische Sultan sich mit den Juden und mit den Christen darauf: Es kann niemand wissen, welches die beste Religion ist.

Aber dieses Drama macht schon deutlich, wo die Gefahren sind und wo die Intoleranten sitzen, und es macht deutlich: Intoleranz muss man bekämpfen.

Das, glaube ich, muss auch das Ergebnis dieser Debatte sein.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Bravo! Sehr gut!)

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich das Wort Herrn stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Sckerl.

(Zuruf von der CDU: Oje, oje, oje! – Gegenruf des Abg. Thomas Poreski GRÜNE: So viel zum Thema Toleranz!)

Sehr geehrter Herr Prä sident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte um Verständnis, dass ich für die erkrankte Fraktionsvorsitzende Edith Sitzmann das Wort ergreife.

Herr Kollege Wolf, auch wir haben sehr großes Interesse da ran, dass nicht nur bei dieser Debatte, sondern bei der Haltung des Landtags in dieser gesamten Frage „Islam, Muslime, fried liches Zusammenleben“ eine hohe Gemeinsamkeit besteht – und zwar nicht nur heute, sondern immer –, eine hohe Ge meinsamkeit, die sich nach draußen überträgt