Wir schaffen aber in Baden-Württemberg ein Bildungszeitge setz für das 21. Jahrhundert. Das bedeutet im Unterschied zu anderen Bundesländern, dass es einen Vorrang der beruflichen Weiterbildung gibt, das heißt der Angebote für berufliche Wei terbildung, die Betriebe schon vorhalten.
Insofern ist es offen, gibt es keine empirische Evidenz aus an deren Bundesländern, inwieweit dieses Gesetz im Einzelfall tatsächlich zu Freistellungsansprüchen führt. Das werden wir auswerten müssen.
Das gilt selbstverständlich auch für den öffentlichen Dienst. Auch für den öffentlichen Dienst, also unsere eigene Landes verwaltung, gilt der Vorrang der betrieblichen Weiterbildungs maßnahmen, die auf den Freistellungsanspruch nach diesem Gesetz angerechnet werden.
Wir werden dies aber sicher in den ersten Jahren der Geltung dieses Gesetzes bilanzieren und dem Parlament dann auch gern darüber Auskunft geben, wie sich die Inanspruchnahme quote und sich daraus ergebende Kostenbelastungen entwi ckelt haben. Das gehört zur Transparenz dazu.
Aber Sie sehen an diesem Beispiel, dass wir dem Punkt „Vor rang der betrieblichen Weiterbildung“ einen hohen Stellen wert eingeräumt haben. Denn diese beruflichen Weiterbil dungsmaßnahmen werden auf den Freistellungsanspruch nach dem Bildungszeitgesetz angerechnet. Das heißt, Betriebe, die bereits berufliche Weiterbildung im Sinne dieses Gesetzes an bieten, werden nicht zusätzlich belastet. Ich finde – das kann ich noch einmal unterstreichen –, dass es somit ein Gesetzent wurf geworden ist, der eine faire und gute Balance zwischen dem Weiterbildungsinteresse der Mitarbeiterinnen und Mitar beiter auf der einen Seite und dem Interesse der Arbeitgeber an einem reibungslosen Arbeitsablauf auf der anderen Seite erreicht.
Auch im Hinblick auf die konkrete Umsetzung des Bildungs zeitgesetzes haben wir darauf geachtet, den Aufwand mög lichst gering zu halten. Deswegen regelt der Gesetzentwurf die sogenannte Trägeranerkennung, die auch in NordrheinWestfalen angewendet wird und seit vielen Jahren problem los funktioniert. Übrigens: Als in Nordrhein-Westfalen die CDU mit der FDP regiert hat, hat sie dieses Gesetz auch nicht abgeschafft.
Im Gegensatz zur Maßnahmenanerkennung wird nämlich bei der Trägeranerkennung nicht jede einzelne Bildungsmaßnah me überprüft und gegebenenfalls anerkannt, sondern es wird der jeweilige Bildungsträger anerkannt. Dieser übernimmt dann die Verantwortung dafür, dass die Maßnahme den An forderungen des Bildungszeitgesetzes entspricht.
Bildungsträger, die Maßnahmen nach dem Bildungszeitgesetz anbieten wollen, werden geprüft und bei Vorliegen der gesetz lichen Voraussetzungen anerkannt. Zu den Voraussetzungen zählt insbesondere das Vorliegen eines entsprechenden Güte siegels, das die Qualität des jeweiligen Bildungsträgers ge währleistet.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein starker Stand ort ist auf gut ausgebildete und leistungsfähige Fachkräfte an gewiesen. Mit dem Bildungszeitgesetz stärken wir lebenslan ges Lernen, fördern gesellschaftlichen Zusammenhalt, stei gern Baden-Württembergs Attraktivität für Fachkräfte und leisten einen Beitrag zur langfristigen Leistungsfähigkeit der Menschen in unserem Land. Deswegen ist es Zeit für das Bil dungszeitgesetz.
Meine Damen und Herren, für die Aussprache hat das Präsidium eine Redezeit von fünf Mi nuten je Fraktion festgelegt, wobei gestaffelte Redezeiten gel ten.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich sage es immer wieder gern – auch wenn es sich wiederholt –, weil es auch stimmt: Baden-Württemberg ist ein schönes und erfolgreiches Land. Es macht Freude, zu sehen, was hier täglich an Neuem, an Innovativem entsteht. Es ist gut, wie hier im Land Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemein sam am Erfolg ihrer Betriebe arbeiten und dass sie übrigens – entgegen dem, wie es neulich in einer Pressemitteilung der Gewerkschaft hieß – nicht darben müssen. Ich fand diese For mulierung sehr unglücklich.
Dazu haben wir funktionierende Sozialpartnerschaften – nicht immer unstrittig, aber letztlich immer zum Wohle aller. Un sere soziale Marktwirtschaft sorgt dafür, dass Unternehmen, die dafür sorgen, dass ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter motiviert, gut bezahlt und auch gut geschult sind, erfolgrei cher sind als andere.
Unternehmen und Unternehmer in Baden-Württemberg enga gieren sich kontinuierlich und freiwillig für das Gemeinwe sen in allen Bereichen unserer Gesellschaft. All dies funktio niert bei uns hervorragend.
Was machen Sie von Grün-Rot? Was tut diese Landesregie rung? Sie bringen ein Bildungszeitgesetz ein, auch bekannt unter dem Namen Bildungsurlaubsgesetz. Herr Minister, Sie ergänzen eben nicht Bestehendes, sondern Sie bringen ein be stehendes Gefüge durcheinander und gefährden es. Sie mi schen sich als Gesetzgeber unnötigerweise ein, Sie ersetzen Freiwilligkeit und soziale Markwirtschaft, Engagement und Motivation durch Gesetze und staatlichen Dirigismus.
(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Zuruf von der CDU: Bürokratie! – Zuruf von der SPD: Um Gottes willen!)
Sie greifen in eine gewachsene Kultur des Miteinanders in den Betrieben in unserem Land ein. Da hilft auch kein Schönre den. Das ist so.
Herr Wirtschaftsminister, welch ein Vorhaben, welch eine fa tale Veränderung, die Sie der Wirtschaft dieses Landes zumu ten, die Sie der Tarifpartnerschaft dieses Landes zumuten! Gestern noch rühmten Sie sich hier Ihrer scheinbar herausra genden Wirtschaftspolitik mit den Forschungsinstituten, die übrigens CDU und FDP/DVP zusammen gegründet haben – das ist jetzt auf einmal keine Erblast, sondern ein Erbe –, und heute kommen Sie mit einem – ich sage es – wirtschaftsfeind lichen Gesetz. Welch eine Scheinheiligkeit!
Auch ordnungspolitisch ist es der völlig falsche Weg. Sie re geln etwas, was die Tarifpartner regeln können und auch ge meinsam regeln. Ich nenne nur TV Quali, Agentur Q. Da gibt es genügend Beispiele.
Dabei ist das Gesetz noch nicht einmal Ihre eigene Idee. Kol leginnen und Kollegen, dieses Land hatte einmal und hat – ich hoffe, da sind wir uns einig – den Anspruch, Vorbild zu sein. Wir wollen die besseren Ideen haben – vor den anderen Län dern. Was machen Sie? Sie schreiben ein Gesetz von Ländern ab, die alle – ohne Ausnahme – schlechtere Quoten, schlech tere Zahlen beim Thema Weiterbildung haben als BadenWürttemberg. Seit wann schreibt denn der Klassenbeste von seinem Nebensitzer ab? Welche Methoden sind das? Die müs sen uns ja ins Mittelmaß führen.
In der Begründung des Gesetzentwurfs – das war gerade schon Thema der Frage des Kollegen Löffler – beziehen Sie sich auf das Abkommen Nummer 140 der IAO, das Deutschland im Jahr 1976 ratifiziert hat – ein Vorhaben der Siebzigerjahre; das ist ja topmodern.
Wie falsch Ihre Begründung ist, sehen Sie an der Antwort der Bundesregierung aus dem Jahr 2011 auf eine Anfrage der Bun destagsfraktion der Grünen – zuhören: der Grünen –, Druck sache 17/4786, die sich auf genau dieses Abkommen bezieht. Die Bundesregierung hat damals geantwortet – ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten –:
Nach Auffassung der Bundesregierung sind die Verpflich tungen der Bundesrepublik Deutschland aus dem ILOÜbereinkommen 140 erfüllt.
Die Wirtschaft in Baden-Württemberg – ich nenne einmal Zahlen, Fakten – hat mit 61 % die beste Weiterbildungsquo te in Deutschland. In 86 % der Betriebe der Metall- und Elek troindustrie werden Weiterbildungsmaßnahmen angeboten – bei Betrieben mit mehr als 500 Mitarbeitern sogar in 100 % der Unternehmen. Wir sind führend in Deutschland. Warum haben Sie hier einen gesetzlichen Handlungsbedarf erkannt? Was wollen Sie denn wirklich verbessern?
Sollen wir Sachsen-Anhalt folgen, das mit einem Bildungs zeitgesetz eine Weiterbildungsquote von 29 % hat? Die beruf liche Weiterbildung ist dort sogar rückläufig. Sind das jetzt unsere Vorbilder?
Baden-Württemberg hat übrigens auch bei der nicht berufs bezogenen Weiterbildung eine Spitzenstellung in Deutsch land. Wir sind um fünf Prozentpunkte besser als der Durch schnitt. Aber auch das interessiert Sie nicht.
Den Betriebsräten geben Sie im Übrigen ein weiteres Druck mittel in die Hand. Sie schaffen damit Unfrieden und Diskus sionen in den Betrieben. Wer das Gesetz liest, erkennt auch sofort die Grauzonen, die Sie schaffen. Ich sage Ihnen, Herr Minister: Der Tauchurlaub auf Mallorca, den Sie nicht woll ten, wird doch möglich sein. Sie finden ihn bereits heute im Internet.
Sie gefährden freiwillige Leistungen und freiwilliges Enga gement der Unternehmen. Ein Argument der Befürworter des Gesetzes lautet übrigens: „Es wird schon nicht so schlimm werden und nur wenig angewendet werden.“ Ja, das sehe ich ein. Das wird so kommen, ohne Frage. Aber genau das ist doch ein Argument gegen dieses Gesetz und ein Argument da für, dass wir es nicht brauchen.
Noch etwas: Es werden nur zertifizierte externe Dienstleister zugelassen. Eine wirklich tolle Leistung! Interne Weiterbil dung ist dann abgeschafft. Welch eine Regelung! Der ganze Bereich mit internen Weiterbildungen ist sehr unklar formu liert. Ich frage Sie: Was passiert mit der Sekretärin, die in ih rer Freizeit oder auch während der Arbeitszeit freiwillig Eng lischkurse für die Mitarbeiter gibt? So war es in meinem Be trieb früher.
Noch ein Wort zum Ehrenamt: Die CDU als Volkspartei ver steht Personen und Gruppierungen des Ehrenamts, die dem Gesetz offen gegenüberstehen. Sie profitieren davon, keine Frage. Nur sagen wir ihnen: Mit diesem Gesetz wird genau das Gegenteil dessen erreicht, was beabsichtigt ist. Diese Re gierung gibt Geld aus, das ihr nicht gehört. Sie schwächt Un ternehmen. Das kann dem Ehrenamt auch nicht recht sein. Ge samtgesellschaftliche Aufgaben können nicht von Unterneh men getragen werden.
Mehr staatlicher Dirigismus verhindert Flexibilität, individu elle Lösungen und freiwilliges Engagement der Unternehmen. Das wird auch das Ehrenamt spüren.
Meine Damen und Herren, Herr Wirtschaftsminister, Sie be lasten die privaten und öffentlichen Arbeitgeber mit Kosten und Kostenrisiken enormen Ausmaßes. Besonders schlimm dabei ist – das haben Sie gerade selbst zugegeben –: Sie wis sen überhaupt nicht, wie groß diese Kostenrisiken sind. Wie
kann man solche Entscheidungen treffen? Ein Unternehmer könnte so etwas nicht sagen und nicht entscheiden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, den Titel „Wirtschaftsver steher“, den sich der Wirtschaftsminister und der Ministerprä sident selbst verliehen haben, sind Sie mit diesem Gesetz auf alle Fälle los. Sie handeln – ich sage es noch einmal – wirt schaftsfeindlich und vor allem gegen die kleinen und mittle ren Unternehmen in diesem Land. Ohne jede Frage benötigen wir in diesem Land gute Arbeitsplätze, aber – das muss man auch wieder einmal sagen – wir benötigen auch motivierte Unternehmer, Gründer, Schaffer, Innovatoren, Menschen, die etwas riskieren und dafür auch haften. Hier sind Sie ein To talausfall.