Protokoll der Sitzung vom 04.03.2015

Viertens: Der Lieferant muss sodann jederzeit nachweisen, dass alle Verpflichtungen eingehalten werden.

Fünftens: Dem öffentlichen Auftraggeber muss der Lieferant Einblick in seine Entgeltabrechnungen und in die seiner Nach unternehmen sowie in die geschlossenen Verträge gewähren. Das, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, hat schon et was von der Qualität der neuesten Idee von Frau Schwesig, alle Gehälter offenzulegen. Was für ein Quatsch!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Sechstens: Es müssen vollständige, prüffähige Unterlagen beim Lieferanten und bei seinen Unterlieferanten bereitgehal ten werden.

All dies soll ein schlankes Gesetz mit ganz wenig Bürokratie sein? Meine Damen und Herren, man kann relativ einfach be weisen, das dem nicht so ist. Das hier

(Der Redner hält ein Formular hoch.)

ist das Formular, und das hier

(Der Redner hält eine Unterlage hoch.)

ist der spätere Aufwand. Also: halbe Wahrheit und völliger Irrtum. Anspruch und Wirklichkeit liegen weit auseinander.

„Grün-Rot ist Meister aller Klassen“. Vor allem im Bürokra tieaufbau sind Sie unangefochtener Tabellenführer, allerdings im Wettbewerb stehend mit Frau Nahles.

Was sind denn die Gründe dafür, dass das Tariftreue- und Min destlohngesetz abgeschafft werden muss? Es gibt sehr viele Gründe. Wir, die CDU-Fraktion und auch die FDP/DVP-Frak tion, haben sie in der ersten Lesung angesprochen. Drei Punk te möchte ich nochmals hervorheben.

Erstens: Mit den ganzen Vorschriften, den Dokumentations- und Kontrollpflichten vertreiben Sie Anbieter für öffentliche Aufträge. Wenn Minister Schmid, wie er sagt, keine Beschwer

den über den hohen bürokratischen Aufwand im Zusammen hang mit dem Gesetz bekannt sind, frage ich: Glaubt er denn wirklich, dass sich jemand, der nicht anbietet, bei ihm meldet und ihm das mitteilt? Reden Sie denn noch mit innovativen Unternehmen, die es schlicht nicht mehr einsehen oder es sich auch nicht mehr leisten können, dem Land als Lieferant zur Verfügung zu stehen? Ich höre sehr oft von Unternehmern, dass sie kein Interesse mehr haben, diesen bürokratischen Wahnsinn mitzumachen, und daher nicht mehr anbieten. Da mit gehen dem Land interessante Lieferanten verloren, und es ist nur noch ein eingeschränkter Wettbewerb möglich.

Zweitens: Andere Bundesländer haben ein solches Gesetz nach einer Evaluation längst wieder abgeschafft. Erfolgreiche Länder wie Bayern und Sachsen haben es gar nicht erst ein geführt. Wo orientieren Sie von Grün-Rot sich denn hin? Ori entieren Sie sich ähnlich wie beim Bildungszeitgesetz Rich tung Mittelmaß? Wollen wir nicht Trendsetter sein wie frü her? Ich finde es äußerst fragwürdig, ob es sinnvoll ist, in je dem Bundesland solche Vorschriften einzuführen. Wie soll denn ein Lieferant bei den unterschiedlichsten Vorschriften in ganz Deutschland überhaupt noch durchblicken?

Drittens: Das Gesetz ist mittlerweile überflüssig. Die SPD hat im Bund unbedingt das Mindestlohngesetz durchsetzen müs sen. Deshalb brauchen wir kein Tariftreue- und Mindestlohn gesetz auf Landesebene. Es schafft bürokratische Belastun gen, es baut eine Doppelbürokratie auf.

Ich darf mit Genehmigung der Präsidentin noch einen Satz aus Ihrem Koalitionsvertrag zu dem Thema „Mittelstand stär ken“ zitieren:

Damit der Bürokratieabbau im Land vorankommt, wer den wir einen Normenkontrollrat nach dem StandardKosten-Modell einführen und im Dialog mit den Wirt schaftsverbänden und Kammern Möglichkeiten zum Bü rokratieabbau erörtern.

Es ist aber zu hören, dass der Innenminister im Innenaus schuss gesagt hat, es werde kein Normenkontrollrat installiert, weil die Kosten in Relation zum Nutzen zu hoch seien. GrünRot hat damit den Bürokratieabbau für erledigt erklärt.

Ich komme zum Schluss. Sie, die grün-rote Landesregierung, haben in den letzten vier Jahren einige wirtschaftspolitische Fehler gemacht. Sie haben Bürokratie aufgebaut, Sie haben Verbote geschaffen, Sie haben Vorschriften geschaffen. Heu te haben Sie die Chance, zumindest einen Ihrer Fehler rück gängig zu machen. Nutzen Sie diese Chance!

Die CDU-Landtagsfraktion wird dem Gesetzentwurf der FDP/ DVP zustimmen.

Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Ni ko Reith FDP/DVP)

Das Wort für die Fraktion GRÜNE erteile ich Frau Abg. Lindlohr.

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Das Tariftreue- und Mindestlohnge setz für öffentliche Aufträge in Baden-Württemberg gilt. Es sichert fairen Wettbewerb um öffentliche Aufträge bei uns im

Land, und das ist gut so. Es sichert auch faire Arbeitsbedin gungen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Unternehmen, die sich um öffentliche Aufträge bemühen. Wir stehen weiter zu dem Prinzip, dass eine Lohnspirale nach un ten kein gutes Mittel ist, um fairen Wettbewerb um öffentli che Aufträge und auch gute Qualität öffentlicher Aufträge in Baden-Württemberg zu sichern. Deswegen stehen wir zum Tariftreue- und Mindestlohngesetz des Landes.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Seit der letzten Beratung zu dem Gesetzentwurf gibt es etwas Neues. Der Kollege Paal hat die Situation in anderen Bundes ländern angesprochen. Es gibt mittlerweile in weiteren Nach barländern entsprechende Gesetze. Ich habe nicht gehört, dass dies zu Abwanderungen von Unternehmen führen würde. Seit dem 1. März gilt das Hessische Vergabe- und Tariftreuege setz, das von der dortigen schwarz-grünen Koalition erarbei tet wurde. Das ist eine gute Maßnahme, um etwas für die Ta riftreue in Hessen zu erreichen. Herzlichen Glückwunsch an die Kollegen von Schwarz-Grün in Hessen!

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Aus inhaltlichen Gründen kann da auch die SPD klatschen, da sie auch zum Gesetzesinhalt steht. Vielen Dank dafür.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Es sei noch einmal sortiert, wofür unser Gesetz gilt. Ich habe es in der ersten Lesung schon gesagt: Es gibt drei Regelungs bereiche. Zum einen geht es um die Aufträge in Branchen, die vom Entsendegesetz erfasst sind. Hier gilt bereits ein bran chenspezifischer Mindestlohn. Diesen verstärken wir landes rechtlich mit unserem Tariftreue- und Mindestlohngesetz.

Der zweite Bereich sind die Branchen, die vom vergabespe zifischen Mindestlohn erfasst sind. Natürlich ist es richtig, dass unser Gesetz verabschiedet wurde, bevor der allgemeine gesetzliche Mindestlohn auf Bundesebene eingeführt wurde. Das ist aber nicht schlimm. Ich sagte bereits in der ersten Le sung, dass wir eine EU-rechtliche Prüfung dazu abwarten, wie sich der vergabespezifische Mindestlohn zum allgemeinen ge setzlichen Mindestlohn verhält. Dann können wir schauen, dass wir die Regelungen dazu harmonisieren. Da werden wir auch eine Regelung finden; da bin ich mir sehr sicher.

Der dritte Bereich ist der Verkehrsbereich. Dieser Bereich ist letztlich in der größtmöglichen Regelungstiefe und mit der höchsten Wirkung durch unser Landesgesetz erfasst. Die Om nibusverkehre, die Linienverkehre werden aus EU-rechtlichen Gründen einer viel stärkeren Ausschreibungspflicht unterwor fen. Das wirft die Frage auf, wie sich die Löhne bei europa weiten Ausschreibungen entwickeln können, da dieser Be reich aus seinem bisherigen Schutzraum herausgenommen wird und voll der Ausschreibung unterliegt.

An dieser Stelle kann ich auf die zweite Neuerung verweisen, die sich seit der ersten Lesung ergeben hat. Der Tarifvertrag des WBO, des Verbands Baden-Württembergischer Omnibus unternehmer, beinhaltet zum 1. April neue Mindeststunden löhne. Ab 1. April 2015 wird der Stundenlohn für einen Om nibusfahrer in Baden-Württemberg mindestens 15,06 € betra gen. Diesen Mindestlohn von 15,06 € halten wir für angemes sen, da die Tarifpartner ihn für angemessen erachtet haben. Es ist richtig, dass wir mit dem Tariftreue- und Mindestlohnge

setz die Möglichkeit haben, diesen Tarifvertrag des WBO zur allgemeinen Anwendung zu bringen und zur Grundlage für einen fairen Wettbewerb bei den Ausschreibungen im Ver kehrsbereich in Baden-Württemberg zu machen. Sie wollen das nicht. Wenn Sie das Gesetz aufheben, sorgen Sie dafür, dass die Omnibusfahrer in unserem Land in Druck kommen, dass ihr Lohn bis zum gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 € abrutschen kann. Wir hingegen stärken die Tarifparteien ge rade im Verkehrsbereich.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Gern verweise ich noch einmal auf das neue Hessische Ver gabe- und Tariftreuegesetz, das seit dem 1. März gilt. Es ist ganz ähnlich wie unseres, außer dass es beim Mindestlohn schon auf das neue Bundesrecht eingeht. Aber die Punkte, die Sie kritisieren, sind dort ganz gleich geregelt. Es ist genauso wie bei uns, dass eine einfache Tariftreueerklärung ausreicht, um an den Vergaben teilnehmen zu können, und dass für Ein zelstichproben auf Verlangen die Unterlagen vorgehalten wer den müssen, so wie das bisher beispielsweise im Bauhaupt- und im Baunebengewerbe auch schon der Fall ist, um nach weisen zu können, dass man tatsächlich kein Lohndumping unternommen hat, sondern sich an die Regelung und an den Tarifvertrag gehalten hat.

Auch das hessische Gesetz gilt für Nachunternehmen und Ver leihunternehmen. Auch unsere Nachbarn in Hessen haben al so erkannt, dass es für einen fairen Wettbewerb um öffentli che Aufträge notwendig ist, auch auf die Subunternehmen ein zugehen. Wenn Sie einmal im Baugewerbe unterwegs waren, wissen Sie, wie wichtig es ist, hier die ganze Kette zu erfas sen.

Daher stehen wir dazu. Wir bleiben bei unseren Zielen für fai ren Wettbewerb um öffentliche Aufträge in Baden-Württem berg und für gute Arbeit. Leider teilen Sie diese Ziele nicht. Deswegen möchten Sie das Gesetz aufheben. Wir stehen da zu und verfolgen diese Ziele weiter.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Für die SPD-Fraktion er teile ich das Wort Herrn Abg. Storz.

Frau Präsidentin, liebe Kolle ginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Her ren! Wir schließen heute die Beratungen über den Gesetzent wurf der FDP/DVP zur Aufhebung des Landestariftreue- und Mindestlohngesetzes ab, und das ist gut so. Weder in der ers ten Lesung noch in der Auseinandersetzung im Ausschuss ha ben die FDP/DVP oder die CDU neue Aspekte in die Diskus sion gebracht.

Die Kollegen von der FDP/DVP haben den Gesetzentwurf eingebracht, weil sie – so muss man sagen – den Mindestlohn bekämpfen. Herr Rülke, Sie haben das in der ersten Lesung deutlich gemacht. Ich darf Sie aus dem Plenarprotokoll zitie ren:

Wir waren schon immer gegen einen allgemeinen flächen deckenden Mindestlohn.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: So ist es!)

Dafür erhalten Sie die Zustimmung der Union, und das war auch zu erwarten.

In der Diskussion bemühen Sie immer das Argument der Bü rokratie beim Mindestlohn. Doch Ihr Ziel ist: Sie wollen ei nen Arbeitsmarkt, in dem keine Regulierung vonseiten des Gesetzgebers stattfindet, damit die Löhne beliebig auch nach unten sinken können. So sieht es aus. Daher lehnen Sie einen flächendeckenden Mindestlohn ab. Das ist nichts Neues. In teressant ist allenfalls, dass die CDU in Baden-Württemberg nicht mitbekommen hat, wie ihre Bundestagsabgeordneten abgestimmt haben, als der Mindestlohn in Berlin beschlossen wurde.

Interessanter jedoch ist die Frage: Warum diskutieren Sie fast ausschließlich über den Aspekt des Mindestlohns? Warum sa gen Sie fast nichts zum Kern des Gesetzes, nämlich zur Ver pflichtung zur Tariftreue? Tarifverträge sind ein Instrument, mit dem Arbeitnehmer und Gewerkschaften bessere Arbeits bedingungen aushandeln und gute Bezahlung erkämpfen kön nen. Funktionierende Tarifverträge sind eine Versicherung ge gen Lohndrückerei. Aber nach Ihrem ökonomischen Verständ nis schaden kollektive Verhandlungen dem Arbeitsmarkt und damit der Wirtschaft.

Die Wahrheit ist: Sie bekämpfen nicht den Mindestlohn al lein, Sie bekämpfen alles, was die Verhandlungsposition von Arbeitnehmern in der Wirtschaft stärken könnte. Sie verges sen dabei: Die Wirtschaft Baden-Württembergs ist nicht etwa erfolgreich, weil die Unternehmen die niedrigsten Löhne in Deutschland zahlen, sondern im Gegenteil: Wirtschaftlicher Erfolg ergibt sich dann, wenn Unternehmen und Arbeitneh mer gemeinsam dafür arbeiten und wenn die Mitarbeiter ei nen fairen Anteil an den Ergebnissen ihrer Arbeit erhalten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)