Kollege Blenke, ich gehe da von aus, dass Ihre Frage nichts mit den konkreten Vorfällen vom Wochenende zu tun hat. Ich denke, das Thema Kenn zeichnungspflicht haben wir wiederholt diskutiert und behan delt. Sie kennen, glaube ich, auch meine persönliche Meinung zu diesem Thema.
Was Sie vermutlich aber wieder zu suggerieren versuchten, ist, dass es um eine individuelle Kennzeichnung gehen wür de. Es ist aber nicht im Traum daran gedacht, dass gerade in solchen Situationen die Polizeibeamten von ihrem Gegenüber zu identifizieren sind. Das ist überhaupt keine Frage. Deshalb haben wir immer zugesagt: Wenn denn eine Kennzeichnungs pflicht kommt, dann wird diese völlig anonymisiert und neu tral gestaltet sein, sodass nur wir selbst in der Lage sind und im Zweifel auch die Staatsanwaltschaft – wer auch immer –, Rückschlüsse auf Personen herzustellen, aber nicht diejeni gen, die einen Polizeibeamten als Kontrahenten sehen.
Ich will Ihnen, weil Sie das Thema Vermummung in diesem Zusammenhang angesprochen haben, aber ausdrücklich sa gen: Wir gehen schon davon aus, dass wir mithilfe anderer po lizeilicher Maßnahmen trotz einer Vermummung Täter iden tifizieren können. Deshalb haben wir uns auch vorgenommen – „wir“ heißt, dass wir dabei in einem bundesweiten Konzert unterwegs sind, und zwar, wie Sie bereits gesagt haben, wirk lich im Gleichschritt oder zumindest weitestgehend im Gleich schritt –, uns in der kommenden Saison insbesondere der Pro blematik der Intensivgewalttäter zu widmen mit dem Ziel, die jeweiligen Rädelsführer sauber identifizieren zu können, und zwar bundesweit. Wir wollen sie dabei auch dergestalt belan gen, dass wir die Ermittlungen gegen diese Rädelsführer bün deln. Es wird noch diskutiert, ob dies am Wohnort dieser Rä delsführer geschehen soll oder beispielsweise am Ort ihrer heimischen Mannschaften, damit diejenigen, die ermitteln und die über das Strafmaß zu urteilen haben, ein umfassendes Bild von diesen Menschen haben. Dies heißt, dass nicht nur bei spielsweise ein Verfahren in Hamburg läuft und eines in Mün chen oder in Stuttgart – was bedeutet, dass die Sache jeweils nur für sich betrachtet wird und nur Erkenntnisse aus der ein zelnen Straftat herangezogen werden –, sondern dass die – durchaus vorhandenen – Informationen zusammengeführt werden, sodass ein Gesamtbild entsteht.
Wenn es nach uns in Baden-Württemberg geht, dann werden wir dieses Konzept – ich hoffe es zumindest sehr – ab der kommenden Saison umsetzen können. Denn wir sind über zeugt: Wenn wir die Rädelsführer buchstäblich „aus dem Ver kehr“ ziehen können, dann wird sich die Situation auch ent spannen.
Damit geht aber ausdrücklich einher, dass alle, die dabei ge fordert sind, auch aktiv handeln müssen. Gerade Rädelsfüh rer, insgesamt aber Gewalttäter jeglicher Art dürfen keinen Schutz in Fanprojekten genießen, und sie dürfen keinen Schutz in Vereinen genießen. Da erwarte ich auch konsequentes Han deln seitens der Vereine, wenn es um das Thema Ausschluss geht, etwa indem man bei Heimspielen das Hausrecht wahr nimmt; es muss aber auch bis hin zu Stadionverboten von un terschiedlicher Dauer reichen. Dies bedarf der konsequenten Umsetzung.
Vor allem appelliere ich an die Verantwortlichen, dass die Fan projekte so angelegt werden, dass Gewalttäter, Straftäter kei
nen Schutz in diesen Projekten genießen. Denn ich erachte es wirklich als schwierig, dass es durchaus auch Fanprojekte gibt, die sich quasi als Anwalt solcher Fans verstehen. Das ist aber nicht Sinn und Zweck von Prävention. Deshalb werden wir Präventionsprojekte auch immer wieder neu auf den Prüf stand stellen und evaluieren, damit wir sehen, wo etwas wirkt und wo etwas weniger wirkt.
Ich würde mir wünschen, dass innerhalb eines möglichst kur zen Zeitraums wirklich alle Vereine in Baden-Württemberg solchen Projekten – – Nein, den Bezug zu den Vereinen muss ich jetzt zurücknehmen. Die Vereine sind aufgeschlossen. Es geht vielmehr um diejenigen, die an der Finanzierung betei ligt sind, und zwar nach den geltenden Regeln – Drittelfinan zierung, aufgeteilt auf die jeweilige Kommune, den Verein und die Deutsche Fußball Liga. Dies sollten wir flächende ckend in Baden-Württemberg hinbekommen.
(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Noch ein Jahr! So lange müssen Sie sich rüberretten! – Vereinzelt Hei terkeit)
Sehr geehrter Herr Mi nister, Sie haben die Zahlen bezüglich der Einsätze vom letz ten Wochenende dargelegt. Jetzt würde mich noch interessie ren, wie die Entwicklungen der letzten zwei, drei Jahre waren und ob die Zahl der Einsätze in diesem Zeitraum gestiegen ist oder stagnierte.
Ich frage dies auch vor folgendem Hintergrund: Wir haben vor einigen Monaten erlebt, dass in Bremen diskutiert wurde, ob es eine Beteiligung an den Einsatzkosten der Polizei durch den Ligaverband geben soll. Mich würde interessieren, wie Ihre Meinung dazu ist.
Eine zweite Frage in diesem Rahmen: Man weiß ja in Poli zeikreisen häufig, wer sich dort, unter den Problemfans, so tummelt. Dabei ist leider auch mein Verein in Karlsruhe nicht positiv in Erscheinung getreten;
dies gilt aber auch für andere Vereine, vor allem in Amateur ligen, die ebenfalls eine große Anzahl von Problemfans ha ben. Mich interessiert dabei, welche Erkenntnisse Ihnen über die Herkunft und über die Hintergründe dieser Fangruppen – ich meine diese Gruppen, die immer wieder stören und Ge walt anwenden; „Fangruppen“ ist hier vielleicht das falsche Wort – vorliegen.
Können Sie zudem – dies knüpft an meine erste Frage an – Einsatzzahlen im Bereich der Spiele in Amateurligen nennen, anhand derer man Entwicklungen sehen kann?
Herr Kollege, zur Zusammen setzung der problematischen Fangruppierungen, auch in Be zug auf Gewalttäter oder Intensivtäter, lässt sich sagen: Da gibt es unterschiedliche Ursachen, Hintergründe, Biografien. Einfache Strickmuster, mit deren Hilfe man bestimmte Din ge festmachen könnte, gibt es nicht; vielmehr kommt es im mer darauf an, dass wir uns dieses Themas einzelfallbezogen und auf die Vereinsstrukturen, auf die Vereine heruntergebro chen annehmen.
Da zeigen sich quer durch Baden-Württemberg und allemal quer durch Deutschland durchaus Unterschiede, was das Spektrum der Entwicklungen betrifft. Ich habe es anfangs schon deutlich zu machen versucht: Dass unsere Konzepte in Baden-Württemberg greifen, sieht man meines Erachtens schon daran, dass wir hier mit etwa der Hälfte der Einsatz stunden auskommen, die andere Bundesländer benötigen. Denn wir haben wirklich vernünftige Konzeptionen und sind dabei, wie gesagt, weitestgehend gemeinsam mit den Verant wortungsträgern unterwegs.
Sie haben nach der Anzahl der Einsätze gefragt. Dies kann ich jetzt nicht beantworten. Ich kann Ihnen aber Zahlen zu Ein satzstunden nennen; daran werden, meine ich, das Umfeld und die Qualität deutlich; die Qualität steht sowieso außer Frage. Wir haben pro Jahr eine Größenordnung von durchschnittlich 87 000 Einsatzstunden, und diese Zahl stagniert im Prinzip seit Jahren, obwohl – ich habe darauf hingewiesen – in Ba den-Württemberg mehr Spiele stattfinden als früher. Hier zeigt sich also durchaus keine negative Entwicklung, sondern wir beobachten eine stabile Tendenz.
Erfreulicherweise konnten wir in dieser Saison in der Hinrun de weniger Einsatzstunden verzeichnen als zuvor. Es waren rund 22 000; das ist, wie ich finde, ein guter Wert. Wie sich die Situation in der Rückrunde entwickelt, hängt ja auch im mer von der Dynamik ab, die sich erst noch entfaltet –
beim Aufstieg oder auch beim Abstieg. Leider ist es nun ein mal so, dass es diese Zusammenhänge gibt.
Deshalb kann ich bei meiner Aussage bleiben: Wir reagieren, wir agieren, wir sind auch im präventiven Bereich unterwegs, und wir werden uns natürlich bemühen, dass solche Vor kommnisse Einzelfälle bleiben und keineswegs zur Normali tät werden. Dies werden wir nicht akzeptieren, und deshalb arbeiten wir weiter an der Umsetzung der gemeinsamen Kon zeptionen, die wir ja vereinbart haben. Wir werden dabei wei ter über Themen diskutieren wie etwa „personifizierte Ti ckets“, insbesondere für Gewalttäter. Wir werden darüber dis kutieren, ob alle Fangruppierungen auf ihren Reisewegen wirklich den öffentlichen Personennahverkehr nutzen dürfen. Wir müssen weiterhin über das Thema Fantrennung und Si cherheit um das Stadion herum diskutieren und müssen dabei auch Fortschritte erzielen. Wir waren dabei in den zurücklie genden Jahren aktiv; die Vereine sind in der Zwischenzeit wirklich kooperativ geworden. Beim Neubau eines Stadions ist es überhaupt keine Frage mehr, dem Thema Sicherheit ei nen großen Stellenwert einzuräumen.
Ich glaube also, dass wir mit der Situation – die im Übrigen ja nicht neu ist; Gewalt im Fußball und im Umfeld des Fuß balls ist schon seit Ewigkeiten ein Thema – umgehen und dass wir die Probleme handeln können.
Was die Frage einer Beteiligung von Vereinen an den Polizei kosten betrifft, will ich einfach noch einmal darauf hinweisen, dass die Problematik der Gewalt auf dem Spielfeld und im Umfeld von Fußballspielen damit nicht zu erledigen ist. Denn Gewalttätern ist es doch schnurzegal, wer die Polizeieinsätze bezahlt. Logischerweise haben wir, die Landesregierung, und haben wir alle als Steuerzahler ein Interesse daran, dass die se Kosten möglichst gering sind. Aber ich weise immer wie der darauf hin, dass eine Regelung wie in Bremen ja nicht nur den Profifußball umfasst. Die gesetzlichen Änderungen, die in Bremen vorgenommen wurden, gelten ausdrücklich für al le Veranstaltungen, von denen eine Gefährdung ausgehen kann.
Ich möchte nur einmal auf das Beispiel verweisen, dass wir auf dem Cannstatter Wasen Jahr für Jahr wieder eine Polizei wache einrichten. Auch das kostet Geld. Ich glaube aber nicht, dass es in Baden-Württemberg mehrheitsfähig wäre, wenn wir auch bei anderen vergleichbaren Aktivitäten, die Polizeiein sätze erfordern, die Kosten jeweils dem Veranstalter in Rech nung stellen würden. Das sollten wir, meine ich, objektiv be trachten.
Wir haben es, wie gesagt, wirklich geschafft, dass in BadenWürttemberg Polizei im Stadion kein Thema mehr ist. Wir ha ben die Kosten spürbar minimiert, indem auch die Vereine dort in eine finanzielle Verantwortung gegangen sind. Ich wie derhole: Im Vergleich zu anderen Bundesländern ist das ein deutlicher Fortschritt. Sicherheit im öffentlichen Raum zu ge währleisten ist nun einmal Aufgabe des Staates.
Herr Minister, Sie haben dem Karlsruher Kollegen schon vieles von dem beantwortet, was ich wissen wollte. Aber ein Aspekt bei der In-die-PflichtNahme der Vereine selbst ist wohl auch die Idee der lebens langen Stadionverbote, die ich heute von Ihnen gelesen habe. Ich hätte von Ihnen gern gewusst, welche Möglichkeiten wir seitens der Landesebene haben, diese Idee dann auch zur Um setzung zu bringen. Denn nach meinem Verständnis kann das nur der Verein selbst machen.
Ja, so ist es. Ich sehe in die sem Bereich jetzt eindeutig mehr Bewegung als in den zu rückliegenden Jahren. Ich weiß schon, dass Ultras und ande re Gruppierungen – egal, welche – natürlich dazu beitragen, was das Thema „Eventcharakter und Stimmung im Stadion“ anbelangt. Ich finde, bis zu einem gewissen Grad ist dies auch akzeptabel. Völlig inakzeptabel ist es immer dort, wo die Grenze zu Gewalt überschritten wird und Gewalt unter riva lisierenden Fangruppierungen in den Mittelpunkt gestellt wird. Die Lage hat sich am vergangenen Wochenende auch deshalb zugespitzt, weil die Gastmannschaft Unterstützung von KSC-Fans erhalten hat, weil man die gemeinsame Feind schaft gegen den VfB – das ist nicht mein Begriff, sondern
deren Begriff – dort einfach pflegt. Schon gar nicht akzepta bel ist es, wenn Gewalt gegen Polizei ausgeübt wird. Das sa ge ich immer. Manchen mag es in dieser Härte nicht gefallen, aber wer Gewalt gegen Polizei ausübt, der legt Hand an den Staat an;
denn die Polizei repräsentiert den Staat, und das Gewaltmo nopol haben nun einmal wir. Das ist auch richtig so, ohne Zweifel.
Deshalb kommt es darauf an, dass in diesen Fällen auch kei ne Großzügigkeit mehr in Vereinen gewährt wird. Dann muss im Zweifel auch die Beendigung einer Vereinsmitgliedschaft, ein Ausschluss, konsequent erfolgen. Ich glaube, die Vereine tun sich damit wirklich etwas Gutes, denn die Mehrzahl ihrer Fans will mit diesen Entwicklungen auch null Komma null zu tun haben.
Sehr geehrter Herr Mi nister, vielen Dank für die Auskunft über die Einsatzstunden der Polizei. Sie hatten ausgeführt, dass sich die Einsatzstun den in der Hinrunde verringert hätten. Können Sie das noch einmal anhand der Zahl der Gewalttaten quantifizieren? Ist auch deren Zahl signifikant abgefallen, oder gab es keine merklichen Auswirkungen, hat sie sich vielleicht sogar er höht? Zumindest erweckt die mediale Wirkung den Eindruck, dass es immer mehr zunimmt. Deshalb wäre für mich eine An gabe von Ihnen, ob Sie dazu eine Aussage treffen könnten, ziemlich hilfreich.
Die kann ich treffen. Machen Sie mich aber nicht an der Zehnergrößenordnung fest. Was das Thema Straftaten anbelangt, haben wir eine Steigerung zu verzeichnen. Die Größenordnung lag in der vergangenen Sai son bei 280, jetzt bei 380 Straftaten. Auch bei diesem Thema lohnt jedoch immer auch ein zweiter Blick darauf. Ich sage das deshalb, weil wir es allein in 80 dieser 380 Fälle beim Spiel Wolfsburg gegen Freiburg mit dem Thema Vermum mung zu tun hatten. Das negiere ich jetzt nicht nach dem Mot to „Halb so wild“. Ich will nur deutlich machen: Wenn wir ge zielt unterwegs sind und dort dann gegen eine steigende Ten denz hinsichtlich der Vermummung vorgehen, dann fallen re lativ viele Straftaten auf einen Schlag an. Aber grob könnte man sagen: Was die Entwicklung der Zahl der Straftaten an belangt, hat sich keine Entspannung ergeben. Eher das Ge genteil ist der Fall.
Deshalb gehen wir dieses Konzept „Intensivgewalttäter“, das Herausziehen von Rädelsführern, ab der kommenden Saison noch zielgerichteter an als gegenwärtig.
prävention angesprochen. Wenn ich mich nicht täusche, gibt es in diesem Bereich auch eine Forschungsstelle.
Mich würde interessieren, welche Unterstützung die Landes regierung Fanprojekten gewährt und wie die Kommunikation und die Zusammenarbeit mit den Städten, bei denen die Ver eine ansässig sind, aussehen. Können Sie das noch weiter aus führen? Welche weiteren Maßnahmen werden unter Umstän den in der Innenministerkonferenz geplant – Sie hatten schon ein paar genannt –, und wann könnten wir mit einer Umset zung dieser Maßnahmen rechnen?