(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD zur CDU: Ihr habt ja nur Modellversuche gemacht! – Weitere Zurufe – Unruhe – Glocke der Präsidentin)
Noch einmal zu den Fakten. Sie haben das Ende von vornhe rein auf 2013/2014 festgesetzt. Sie haben es nicht durchfinan ziert, und nur wenige Kinder profitieren davon. So viel zu den Fakten.
Dann haben Sie noch diese Studie, den Zwischenbericht zi tiert. Ich kann mich nur darüber wundern, wie Sie diesen in terpretieren. Ich lese gern aus ihm vor, damit das hier auch korrekt dargestellt wird. Die Studie belegt nämlich eindeutig, dass es ein Zwischenergebnis ist und dass der Evaluationsbe richt, der noch bis zum Sommer 2015 ausgearbeitet wird, ab gewartet werden muss. Es liegt also noch kein endgültiger Ab schlussbericht vor. Vor allem sagt die Studie aber, dass die Er gebnisse noch nicht so signifikant sind.
In der Studie geht es um Schulen und Kindergärten. Bei den Schulen gibt es wohl einige Ergebnisse; die Begründung da zu wird auf Seite 5 der Studie ausgeführt. Ich zitiere:
Da sich die Qualität 2009 bis 2011 an Modell- und Ver gleichsschulen parallel weiterentwickelt hat, kann derzeit nicht ausgesagt werden, dass die Teilnahme am Landes modell „Bildungshaus 3–10“ ursächlichen Anteil an dem Vorsprung der Modellstandorte hat.
Genauso verhält es sich bei den Kitas. Auch dazu steht auf Seite 5 ein langer Satz – ich zitiere nur den Halbsatz; Sie kön nen ihn gern nachlesen –:
Das ist die Studie der Wissenschaft, ein Zwischenbericht. Wenn die Wissenschaftler selbst sagen, sie seien noch nicht so weit, dann können Sie doch nicht im Parlament dafür plä dieren, Steuergelder einzusetzen und weiterhin auf ein Pro jekt zu setzen, das noch nicht gesichert ist. Das mag für Sie richtig sein. Wir, Grün-Rot, machen das nicht so. Wir warten die Studienergebnisse ab und werden schauen, welche quali tativen Übergänge nötig und wichtig sind, damit die Kinder tatsächlich etwas davon haben. Uns ist wichtig – egal, um wel che politische Bildungsmaßnahme es geht –, dass wir vom Kind her denken,
(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Das sieht man bei den fünften Klassen! – Abg. Tobias Wald CDU: Im mer!)
dass das Kind im Fokus steht und dass der Übergang von der Kita in die Grundschule erleichtert wird, damit die Startchan cen in der Grundschule für alle Kinder verbessert werden.
Natürlich sind wir für Bildungsgerechtigkeit, und wir möch ten, dass alle Kinder davon profitieren. Darum geht es. Wir wollen keine Modelle, sondern eine Verstetigung.
Zum Punkt Orientierungsplan: Einer der wesentlichen Punk te im Orientierungsplan ist die Sprachförderung. Sie wissen genauso gut wie ich, dass wir die Mittel für die Sprachförde rung deutlich erhöht haben. Sie hatten Sprachförderung da mals nur im letzten Kindergartenjahr vorgesehen.
Bei uns können die Kinder Sprachförderung ab dem ersten Kindergartentag erhalten. Wir haben sogar die Sprachförde rung für Kinder unter drei Jahren ermöglicht.
Sie wissen genau, dass Sprachförderung, wie bereits ange sprochen, ganz wichtig ist. Sie ist ein Schlüssel zur Teilhabe. Die Mittel für die Sprachförderung haben wir massiv erhöht. Darum geht es. Wenn Kinder von vornherein richtig und ih rem Alter entsprechend gefördert werden, dann werden sie auch die weiteren Voraussetzungen dafür erfüllen, dass sie in der Schule gut sind, dass sie mitkommen, dass sie teilhaben können und dass sie sich auch weiterentwickeln können. Ge nau darum geht es.
Bildungsgerechtigkeit heißt, Bildungschancen für alle Kinder zu eröffnen, unabhängig von der sozialen Herkunft und unab hängig vom Geldbeutel der Eltern. Dazu sollten wir gemein sam stehen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! In vielen Kin dergärten und Schulen in Baden-Württemberg werden große Plakate mit einem markanten Satz aufgehängt, der eigentlich alles umkrempeln müsste, ein fast 500 Jahre alter Spruch, ei ne Parole der Reformpädagogen. Der Satz heißt:
(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen sowie des Abg. Tobias Wald CDU – Abg. Claus Schmiedel SPD: Oh!)
Wir schreiben das Jahr 2009. Kultusminister Rau verlangt – zitiert nach der ZEIT vom 9. September 2009 –, nicht das Kind an die Institution anzupassen, sondern die Institution an die Kinder. Recht hat er gehabt, der damalige Kultusminister. Wir wären einer breiten, einer gemeinsamen, einer in der Ge sellschaft verankerten reformpädagogischen Übereinkunft we sentlich näher, wenn dieses Plakat auch in den Büros der ak tuellen Riege oppositioneller Bildungspolitiker hängen bzw. dort auch Wirkung entfalten würde.
(Beifall bei den Grünen – Abg. Claus Schmiedel SPD: Sehr richtig! – Abg. Tobias Wald CDU: Sie haben sie doch abgehängt! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Wir praktizieren es!)
Die damalige Einführung des Modellversuchs „Bildungshaus“ hat diese Thematik aufgegriffen, und sie leistet durchaus ei nen wertvollen Beitrag zur Verbesserung der Kooperation zwi schen Kita und Grundschule, damit diese oft sehr getrennten Welten näher zusammenfinden.
Wir wissen aus persönlicher Erfahrung und aus einschlägiger Forschung, dass ein erfolgreicher Übergang vom Kindergar ten in die Schule kein Selbstläufer ist. Er muss von den Be teiligten behutsam, vorsichtig und konsequent gestaltet wer den. Übergänge sind immer mit Spannungsverhältnissen be haftet, Vorfreude auf etwas Neues auf der einen Seite und Ab schiednehmen von etwas Bewährtem auf der anderen Seite. Gelingen solche Übergänge nicht, sind Stress und Unsicher heit die Folge. Genau das können wir am Beginn einer Schul karriere nicht gebrauchen.
Das Problem liegt nicht im Konzept, sondern in der Modell haftigkeit und vor allem in der vergessenen Durchfinanzie rung. 2 500 Grundschulen stehen 194 Bildungshäuser gegen über.
Ob eine landesweite Übertragung der Modellbedingungen von Ihrer Seite überhaupt jemals gewollt war, ist fraglich.
Zumindest finanztechnisch war sie nirgends erkennbar. Allein das Aufsetzen von immer neuen Modellen macht keine nach haltige Politik aus. Das ändern wir.
Was also ist zu tun? Die wichtige Vorreiterrolle der Bildungs häuser für eine intensive Kooperation ist zu nutzen, um die Er fahrungen aus dem Modellversuch schrittweise in die Fläche zu bringen. Deshalb haben wir bereits im Schuljahr 2012/2013 eine verlässliche Kooperationszeit für alle 2 500 Grundschu len eingeführt. Damit haben alle Grundschulen einen ressour cenunterlegten Organisationsrahmen, in dem sie sich mit dem Problem auseinandersetzen und die entsprechenden Koope rationen mit benachbarten Kindertageseinrichtungen verste tigen können. Eine Verewigung des Modellversuchs ist weder zielführend noch finanzierbar.
Bis zur abschließenden Auswertung der Ergebnisse der wis senschaftlichen Evaluation, die noch aussteht, erhalten die bis herigen Standorte der Bildungshäuser durch uns einen Be standsschutz. Der gilt auch für das Jahr 2015/2016. Das wer den wir im Nachtragshaushalt sicherstellen.
Auf der Basis der Evaluationsergebnisse dieses Modellver suchs – der wird dann fast acht Jahre gedauert haben – muss eine Weiterentwicklung der Kooperation an allen Standorten ermöglicht werden, z. B. durch die Verwendung der an den Modellstandorten erprobten Materialien und Instrumente, durch ein verlässliches Zeitkontingent – das müsste meines Erach
tens wachsen; das ist eine Aufgabe zukünftiger Regierungen – und durch die Ausrichtung an landesweit einheitlichen Qua litätsstandards.
Eine nachhaltige Bildungspolitik darf nicht bei noch so gut gemeinten Modellversuchen stehen bleiben.
Sie muss gerade unter dem Aspekt der Bildungsgerechtigkeit in der Fläche Strukturen bilden, damit wirklich alle Kinder und Jugendlichen davon profitieren. Das gilt für Ganztags schulen, die wir aus dem Versuchsstadium herausgeholt ha ben, und so machen wir das auch in aller Ruhe beim Über gang von der Kita zur Grundschule zum Wohl aller Kinder und Jugendlichen in Baden-Württemberg.