Protokoll der Sitzung vom 07.05.2015

Sie verkraften es nicht; das ist mir vollkommen klar. Aber hören Sie doch einfach zu! Ich muss Ihre Reden ertragen, dann ertragen Sie auch meine.

Mit einer Rhythmisierung, die Unterricht und Übungszeiten, Aktivpausen und Kreativpausen zu einer pädagogischen Ein heit verbindet, muss sich die Schule natürlich ebenfalls – das ist unsere Grunderkenntnis – für ihr Umfeld und damit auch für außerschulische Partner öffnen. Wir betrachten das als ei ne Bereicherung der Schule. Da bin ich auch der Frau Kolle gin Schmid von der CDU sehr dankbar, dass sie diesen Ak zent, nämlich die Öffnung der Schule für die Mitarbeit außer

schulischer Partner, als ein Qualitätsinstrument betrachtet. Da sind wir, denke ich, alle einer Meinung.

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, mit der Mög lichkeit der Einbindung außerschulischer Partner ist natürlich noch nicht alles getan. Wir müssen jetzt die Rahmenbedin gungen so ausgestalten, dass diese beiden Seiten tatsächlich zueinander finden.

Da müssen sich Dinge verändern aufseiten der außerschuli schen Partner, und genauso müssen sich Traditionen verän dern, die bisher für die Schule charakterisierend waren. Die Schule bestand, wenn wir es einmal verkürzt betrachten, im Wesentlichen aus einem Bereich, in dem die Lehrkräfte den Unterricht gestaltet haben und die Schulleitungen mit den Lehrern diesen Unterricht organisiert hatten. In dem Moment, in dem außerschulische Partner in diesen Kontext einbezogen werden, stellt dies natürlich eine Veränderung zur bisherigen Praxis dar, und deswegen halte ich es und halten wir es auch für sehr wichtig und zielführend, in ständigem Kontakt mit den außerschulischen Partnern die entsprechend richtigen Rahmenvoraussetzungen zu schaffen.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abg. Gurr-Hirsch?

Gern; ich möchte aber zunächst weiter ausführen. Ich komme später auf Frau Gurr-Hirsch zu.

Ich halte es für wichtig – das sehen Sie auch an den Rahmen vereinbarungen, die wir abgeschlossen haben –, dass wir nicht nur sagen: „Ihr könnt ja“, sondern dass wir auch definieren, wie der Weg dorthin aussehen könnte, und zwar auch in Be zug auf die Qualität. Es geht um die Frage: Welche Erwartun gen haben wir seitens der Schulen? Denn wir vertreten hier insbesondere die Interessen der Schülerinnen und Schüler so wie vor allem auch der Eltern. Welche Qualitätserwartungen haben wir? Wir müssen definieren, welche Verlässlichkeit ge währleistet sein muss, damit es als Teil einer schulischen Or ganisation auch möglich ist, außerschulische Partner einzu binden. Gleichzeitig wollen wir auch hören, in welchen Be reichen die außerschulischen Partner Kooperationsmöglich keiten sehen.

Ich kann dazu sagen: Für mich ist es durchaus ermutigend, wie weit wir jetzt im ersten Schritt schon sind. Die Vorredner haben es bereits angedeutet: Wir haben bereits heute, nach we nigen Monaten, in denen diese Möglichkeit im Schulgesetz besteht, 376 Kooperationen mit Verbänden bei den neuen Ganztagsschulen. Allein 140 von diesen 376 Kooperationen bezogen auf die 172 Schulen sind mit Sportvereinen geschlos sen worden. Das liegt mit auch daran, dass die Sportvereine bereits vor mehr als zwei Jahren diesen Prozess der Kommu nikation aufgenommen haben. Bis dahin – das werden Sie al le auch in den Diskussionen vor Ort mitbekommen haben – lief die Diskussion um den Ganztag relativ stark in einer Ab grenzung: Ganztagsschule als Konkurrenz zum Vereinsange bot und zum Verbandsangebot. Dieses Konkurrenzverhältnis aufzubrechen war, glaube ich, eine der wichtigsten Botschaf ten aus den Rahmenvereinbarungen mit mittlerweile über 52 Verbänden, die sich dieser Ganztagsschule anschließen wol len.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dass wir alle da noch Entwicklungsbedarf haben, ist völlig klar. Die Vereinsstruk tur gerade im Sport ist ganz wesentlich ehrenamtlich geprägt. Wenn Sie über Ehrenamt sprechen, dann sprechen Sie oft über Menschen, die nicht am Vormittag, sondern teilweise erst am späten Nachmittag oder Abend verfügbar sind. Aber da bietet gerade das Instrument der Monetarisierung eine riesengroße Chance. Denn im Unterschied z. B. zum Jugendbegleiterpro gramm, bei dem die finanziellen Möglichkeiten geringer wa ren, haben wir jetzt bei der Monetarisierung von Lehrerwo chenstunden auch die Möglichkeit, seitens der Schule ein or dentliches Entgelt, eine ordentliche Vergütung zu zahlen.

Ich bin mit vielen Sportkreisen in Verbindung, die sich über legen: An welcher Stelle können wir auch unsere Strukturen professionalisieren? Denn die Vereine selbst merken ja ganz stark, dass sie immer weniger ehrenamtlich Tätige finden, die bereit sind, ihre Freizeit für Übungsstunden, Trainingsstun den mit Jugendlichen oder mit Erwachsenen herzugeben.

Gerade an dieser Stelle sehe ich eine riesengroße Chance. Denn jetzt haben die Vereine die Möglichkeit, auch mit einer verlässlichen Finanzierung – zumindest einer teilweisen Fi nanzierung – über die Ganztagsschule professionelle Struktu ren mit halbtags oder ganztags tätigen Übungsleiterinnen und Übungsleitern zu gewährleisten.

Dort, wo wir das haben – wir haben ja bereits Vereine, die ei ne hohe Professionalisierung erreicht haben –, läuft es hervor ragend.

Ein weiteres Modell, das in diesem Bereich sehr erfolgreich läuft – gerade mit jungen Leuten –, ist das Modell „Freiwilli ges soziales Jahr Sport und Schule“, eine hervorragende Brü cke vom Vereinssport in die Schule und umgekehrt. Denn vie le Kinder, die in diesen Modellfällen die Schule besuchen, ha ben inzwischen auch den Weg in den Verein gefunden.

Deswegen, meine sehr geehrten Damen und Herren: Für mich heißt das: Ganztagsschule in Baden-Württemberg muss dem Anspruch eines ganzheitlichen Bildungsangebots genügen, und da ist mir das Thema „Sport und Bewegung“ ein zentra les Anliegen für die Kinder in unserem Land.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Frau Abg. Gurr-Hirsch.

Sehr geehrter Herr Mi nister, herzlichen Dank, dass ich die Fragen stellen darf.

Ich bin sehr glücklich über diese Debatte. Bei dem Beitrag über die Musik hat sich abgezeichnet, dass wir als Vertreter von Vereinen dies als richtigen Weg ansehen.

Erste Frage: Kann man konzedieren, dass das Jugendbeglei terprogramm der erste Schritt in diese Richtung war, dass wir mit dem Jugendbegleiterprogramm gewissermaßen den Weg gebahnt haben? Das war die erste Frage.

Die zweite Frage, die ich habe: Ich verfolge mit großem Inte resse das freiwillige soziale Jahr im Sport und finde auch, dass das ein Erfolgsprogramm ist und sich noch weiterentwickeln wird. Ich habe es das letzte Mal bereits gesagt: Die Musik ist nicht ganz so breit aufgestellt wie der Sport. Ist es seitens des

Kultusministeriums möglich, das FSJ auch auf die Musik aus zuweiten?

Das waren die beiden Fragen.

Herzlichen Dank, Frau Kollegin Gurr-Hirsch.

Zu Ihrer ersten Frage: Natürlich ist ein Element wie das Ju gendbegleiterprogramm, in dem auch außerschulische Part ner an die Schule geholt werden, die in das schulische Kon zept eingebaut werden, von der Herangehensweise her ver gleichbar. Wie gesagt: Wir haben jetzt die Möglichkeit, mit an deren Geldbeträgen zu arbeiten. Aber letztendlich können Sie, wenn Sie so wollen, sagen: Das Jugendbegleiterprogramm ist in dieser Weise auch weitergeführt worden und hat jetzt in die ser Monetarisierungsmöglichkeit die Fortsetzung gefunden.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Sie gestatten, dass wir eine späte Genugtuung haben?)

Frau Kollegin Gurr-Hirsch, ich glaube, Sie kennen mich jetzt so weit, dass ich hier stehe und das sage, was ich auch ehrlich meine.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Wir hatten da wirklich viel aufgewandt!)

Ich kenne die Debatten der Vergangenheit. Die Debatten wur den immer auch unter Qualitätsaspekten geführt – das wissen Sie –, weil immer auch der Vorwurf im Raum stand, dass hier quasi günstiger als durch Lehrerwochenstunden Betreuungs zeit oder pädagogische Zeit generiert werden sollte.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Aber es war ei ne harte Sache!)

Ich bin aber der Meinung, dass wir hier auch den besonderen Blick auf die Qualität richten sollten. Aber das tun wir mit al len Verbänden, die dabei sind.

Zur Frage der Musik: Wir haben natürlich im Verein durch dieses Modell FSJ auch eine Verknüpfung institutioneller Art zwischen den Vereinen und dem Einsatzort an der Schule, auch was die Anstellungsfunktion im Vereinsbereich angeht. Ich weiß jetzt nicht – darüber habe ich mir noch keine Gedan ken gemacht –, ob und bei wem im Musikbereich etwas Ver gleichbares denkbar wäre, aber ich nehme die Frage einfach mit. Wir können da in Kontakt bleiben, und ich werde Ihnen mitteilen, was meine Prüfungen zu diesem Punkt ergeben ha ben.

Mir ist ganz wichtig, dass wir in diesem Bereich Ganztags schule, wie gesagt, für eine hohe gesellschaftliche Akzeptanz sorgen, dass wir gemeinsam dafür sorgen, dass die Ganztags schule in unserer schulischen Wirklichkeit auch aus Sicht der Eltern eine Möglichkeit für die Schülerinnen und Schüler ist, vielleicht Angebote vorzufinden, die Jugendlichen ansonsten nicht – nehmen Sie das Beispiel Musikschulen, nehmen Sie aber auch das Beispiel Sportvereine – angeboten würden. Ich glaube, dass wir als Gesellschaft insgesamt davon profitieren, wenn sich die Schule hier öffnet und sich gemeinsam mit dem Sozialraum und allen Beteiligten im gesellschaftlichen Um feld um gute Bildung für die Schülerinnen und Schüler be müht.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Sandra Boser GRÜNE)

Für die CDU-Fraktion erteile ich das Wort Frau Abg. Schmid.

Ich würde gern noch ganz kurz auf zwei, drei Punkte eingehen. Sie haben die Frage nach den Koordinierungsstellen nicht beantwortet. Sie haben nicht mit geteilt, ob das aus Sicht der Landesregierung eine Möglich keit ist, den Schulleitern weitere Unterstützungen zuteilwer den zu lassen.

In diesem Zusammenhang stellt sich vor allem noch folgen de Frage: Ich glaube, es ist im Moment für die Schulleiter noch relativ kompliziert, externe Angebote einzuholen. Wel che Erleichterungsmöglichkeiten geben Sie den Schulleitern an die Hand, damit sie es in dieser Hinsicht etwas leichter ha ben werden?

Ein Punkt, der mir noch am Herzen liegt, sind die kleinen Ver eine. Frau Wölfle hat mich vielleicht falsch verstanden. Ich habe dieses Programm nicht kritisiert und auch nicht ver säumt, es zu loben. Ich habe schon gesagt, dass es – so, wie es der Sport selbst auch sieht – eine große Chance für den Sport sein kann. Ich möchte jedoch auf einen Punkt hinwei sen, nämlich auf die kleinen Vereine, die eben keine haupt amtlichen Strukturen haben. Es geht hier um Jugendliche und um Kinder, gerade auch um kleine Kinder. Gerade kleine Kin der, Kinder im Grundschulbereich, sind sehr personenabhän gig. Ich weiß nicht, ob Sie meine Sorge teilen, dass Kinder, wenn sie Sportangebote im Grundschulbereich bekommen, an den Personen hängen, die diesen Sportunterricht vermit teln. Das heißt, dass diese Vereine es leichter haben, die Kin der an sich zu binden, während der kleine Verein, der keine Chance hat, in den Schulbereich einzusteigen, es etwas schwe rer haben wird, an diese Kinder und Jugendlichen heranzu kommen.

Das soll keine Negativmalerei sein, sondern das ist einfach ei ne Sorge, die von den kleinen Vereinen an mich herangetra gen wird und die ich hier gern weitergeben möchte.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Stoch das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich will keine Frage unbeantwortet lassen.

Was das Thema „Koordinierungsstellen des Sports“ angeht: Sie wissen, dass in der Diskussion im Vorfeld um die Ganz tagsschule auch aus anderen Organisationsbereichen die Fra ge nach der Finanzierung von Koordinierungsstellen gestellt wurde. Das sind Fragen, die die Organisation dieser Vereine und Verbände betreffen.

Wir haben das bisher nicht gemacht, weil wir eine eigene Be ratungsstruktur haben, nämlich aufseiten der Staatlichen Schul ämter die Regionalteams, die die Schulen bei der Frage bera ten, wie sie an das Thema herangehen.

Das verknüpft sich mit der Frage nach den Schulleitungen, was das Thema der Umsetzbarkeit angeht. Wir wollen, auch durch ein aktives Bewerben sowie durch die Vorstellung von Best-Practice-Beispielen, quasi sagen, wie dies sehr einfach gestaltet werden kann.

Die Frage nach der Finanzierung der aufseiten des Sports ge schaffenen Koordinierungsstellen wird sicherlich mit ein fließen, wenn es um so etwas wie den Solidarpakt geht; denn dort sind ja auch Geldtransfers des Landes an die Sportver bände in verschiedenen Bereichen, u. a. auch, was den Orga nisationsaufwand der Sportverbände angeht, beinhaltet. Da kann das durchaus Verhandlungsgegenstand sein. Dem möch te ich aber jetzt nicht vorgreifen.

Was die kleinen Vereine angeht: Ich bin mit vielen Vereinen und Verbänden im Gespräch. Ich habe das Gefühl, die kleinen Vereine sind teilweise noch ein bisschen – wie soll ich es sa gen? – in einer Depression. Die war aber schon vorher da, weil sie gesehen haben, die Kinder und Jugendlichen werden bei ihnen als Mitglieder zahlenmäßig weniger. Das ist bei der de mografischen Entwicklung auch nicht verwunderlich.

Je weniger die Schulen in ländlichen Räumen noch Bestand haben können, weil nicht mehr genügend Schüler da sind, des to schwieriger ist es, Jugendliche an die örtlichen Vereine zu binden. Deswegen ist da die Grundschule für mich ein guter Ort, um so eine Brücke herzustellen.