Ganz bewusst riskieren wir damit erhebliche Schadensersatz ansprüche aller Vertragspartner, die schnell die vertraglichen Kostenbeteiligungen des Landes von 823 Millionen bzw. 931 Millionen € deutlich übersteigen können.
Nach Aussage von Ministerpräsident Winfried Kretschmann in der „Ludwigsburger Kreiszeitung“ vom 3. September 2011 sind Sie bereit, zwischen 500 Millionen und 2 Milliarden € für die Aufgabe des Projekts in Kauf zu nehmen – und das Ganze für nichts plus jahrelangen Stillstand. Das ist eine fas zinierende Rendite, die man erst einmal herleiten muss. Gern hätten wir dazu die Stellungnahme des Bundes der Steuerzah ler gehört. Er wurde aber leider nicht befragt.
(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Der meldet sich doch sonst auch, ohne dass man ihn befragt! – Abg. Reinhold Pix GRÜNE: Der Bundesrechnungshof aber! – Abg. Muhterem Aras GRÜNE: Bundesrech nungshof!)
Die Stellungnahmen der meisten angehörten Stellen sind al lerdings deutlich genug und hängen wie ein Damoklesschwert über diesem Kündigungsgesetz.
Es entbrennt nun ein unnötiger Volksabstimmungswahlkampf, bei dem schon zu Beginn die Nerven von Grün-Rot blank lie gen.
Aufgrund der bisherigen Erfahrungen ist zu befürchten, dass die sachliche Auseinandersetzung um das für Stuttgart und Baden-Württemberg zukunftweisende Projekt verloren geht. Am Ende wird es nur Verlierer geben und immenser Schaden für den Investitionsstandort Baden-Württemberg entstehen, auch für die künftige Zusammenarbeit bei weiteren Bahnpro jekten.
Die FDP/DVP-Landtagsfraktion hat sich dennoch dafür aus gesprochen, die Entscheidung nicht auf juristischem Weg aus zufechten, weil wir nicht den Eindruck erwecken wollen, die Bürgerinnen und Bürger sollten daran gehindert werden, selbst zu entscheiden.
Wir fordern aber nachdrücklich, dass auch die Projektbefür worter im Landtag, die Befürworter von der Regierungsseite und vor allem auch die von der CDU und der FDP/DVP an der Gestaltung der Informationsbroschüre aktiv beteiligt wer den. Die Broschüre muss fair und transparent gestaltet wer den.
Die Landesregierung ist es den Wählerinnen und Wählern in Baden-Württemberg schuldig, objektiv und verantwortungs voll zu handeln.
Wir wünschen uns, dass wir nach einer hoffentlich positiven Entscheidung zugunsten dieses landesweit wichtigen Infra strukturprojekts, also einem klaren Nein zum Gesetzentwurf, wieder zu den sachlichen Themenbereichen im Rahmen un serer Projektförderungspflicht zurückfinden. Denn es ist nicht so, dass es nicht noch Verbesserungspotenziale gäbe. Manfred Rommel hat einmal gesagt:
Wo Verwirrung herrscht und gestritten wird, gibt meis tens der Klügere nach. Wo aber immer der Klügere nach gibt, kann nichts Gescheites herauskommen, sodass man sich nicht wundern darf, wenn der Zuwachs der Verwir rung von einer Abnahme der Vernunft begleitet wird.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Her ren! Ich habe mir fest vorgenommen, der Versuchung zu wi derstehen, mit derselben Polemik zu antworten, wie ich sie heute gehört habe.
Wenn ich mir vorstelle, was die Menschen wahrnehmen, wenn sie von außen auf den Landtag und auf diese Debatte blicken, denke ich, sie müssen eigentlich den Eindruck haben, das hier sei eine ziemlich lustige Nummer.
Dabei geht es um richtig viel Geld und ein hoch riskantes, schwieriges Projekt. Daran kann man, glaube ich, überhaupt nicht zweifeln. Es ist hoch riskant und schwierig.
Als der hier in Baden-Württemberg seit wenigen Wochen für den Verkehr zuständige Minister und als langjähriger Ver kehrspolitiker kann ich Ihnen sagen: Ein Grundproblem der Verkehrspolitik ist, dass bei Infrastrukturprojekten – in allen Bereichen, auf allen politischen Ebenen – die Kosten am An fang grundsätzlich ignoriert werden,
dass sie klein- und schöngerechnet werden, unabhängig da von, um welche Projekte es sich handelt. Deswegen stehe ich heute im Ministerium vor einer extrem schwierigen Situati on, nämlich der, dass Sie alle etwas von mir fordern. Sie alle haben mir geschrieben, Kleine Anfragen gestellt. Dabei geht es immer wieder darum, welche Infrastrukturmaßnahme un bedingt gleich kommen muss, sei es eine Straße, sei es eine Schiene, sei es irgendein ÖPNV-Projekt.
Alles versprochen, jetzt soll der Hermann es richten. Kaum ist er im Amt, soll er alles machen. Warum geht das nicht? Weil Sie grundsätzlich am Beginn von Infrastrukturprojekten keine Kostenwahrheit auf den Tisch legen und deswegen völ lig falsche Gesamtbilanzen erhalten.
Sie kommen zu falschen Vorstellungen darüber, was das alles kostet und was man sich leisten kann. Das ist die entscheiden de Überlegung, die man in der Politik anstellen muss.
Jetzt komme ich zu Stuttgart 21. Einer der Hauptdiskussions punkte der heutigen Redner und auch in den Ausschüssen war, wie es mit den Kosten aussieht. Eines unserer Hauptargumen te ist, dass wir sagen: Der Kostendeckel ist schon heute ent weder angegriffen oder schon durchschlagen. Wir können das belegen.
(Beifall bei den Grünen – Abg. Peter Hauk CDU: Die Zahlen des Kollegen Schmiedel waren eindeutig! – Abg. Volker Schebesta CDU: Herr Schmiedel, holen Sie einmal den Taschenrechner hervor! – Zuruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD)
Nun habe ich gesehen, wie fasziniert Sie alle Herrn Kollegen Schmiedel mit seinem netten Taschenrechner zugeschaut ha ben.
Zahlen lügen nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen. Man kann den schönsten Taschenrechner haben, wenn man aber die falschen Zahlen eingibt, kommt nichts Richtiges heraus.
Wir halten fest: Herr Kollege Schmiedel hat die Zahlen ge nommen, hat gerechnet und hat dabei eines gemacht: Er ist zum Teil der Bahn auf den Leim gegangen.
Die Bahn hat aber auch selbst eine neue Rechnung aufge macht. Seit der Finanzierungsvereinbarung hat sie ganz klar die Rechnung aufgemacht, dass man bei diesem Projekt Kos ten in Höhe von ca. 4,1 Milliarden € anzusetzen hat. Das hat sie gesagt. Sie hat bei diesem Projekt auch immer die soge nannten Nominalisierungskosten eingerechnet. Das sind un gefähr 323 Millionen €.
Nun weiß der gemeine Abgeordnete nicht und wissen auch sonst die Menschen nicht, was Nominalisierungskosten sind. Da musste auch ich mich kundig machen. Das gebe ich gern zu. Das ist sozusagen die Inflationsrate, der Inflationsaus gleich, der in Projekte eingerechnet wird – das ist übrigens neu bei diesem Projekt; das ist eigentlich ein Fortschritt –, weil man sagt: Egal, welche Kostenrisiken durch andere Tei le des Projekts eine Rolle spielen, man weiß aber auf jeden Fall, dass es über die Jahre hinweg inflationsbedingt eine Preissteigerung gibt, und das wollen wir berücksichtigen.
Das war aber immer in den 4,1 Milliarden € enthalten. In der vergangenen Woche musste die Bahn im Lenkungskreis – da war Herr Schmiedel nicht dabei – deutlich machen,
wie sich die Kosten entwickelt haben. Ich kann Ihnen gern sa gen: Chart Nummer 6 und Chart Nummer 8 der DB AG wei sen klipp und klar aus, dass die Bahn inzwischen von 370 Mil lionen € an Mehrkosten ausgeht.
Das konnten Sie übrigens in verschiedenen seriösen Zeitun gen nachlesen. Das hätten auch Sie von der Opposition nach lesen können.
Außerdem hat die Bahn angekündigt, dass bereits 120 Milli onen € anstehen, die wahrscheinlich auch noch kommen – ein weiteres Kostenrisiko; das hat sie auch gesagt.