An die Stelle der Macht und ihrer Manipulierung, an die Stelle des Gleichgewichts der Kräfte, des Hegemoniestre bens und des Spiels der Allianzen tritt zum ersten Mal die Herrschaft des Rechts.
Deshalb muss die Herrschaft des Rechts auch das oberste Ge bot sein. Deshalb dürfen Rechte nicht verletzt werden. Das gilt auch für Pakte und Vereinbarungen. Darin liegt die Prob lematik.
Insoweit teile ich auch einen weiteren Punkt nicht, der hier ausgeführt wurde. Hier wurde als Allheilmittel u. a. die Ein führung von Eurobonds dargelegt. Meine Damen und Herren, was haben wir auf diesem Weg im Grunde vor uns? Sind Eu robonds eine tragfähige und nachhaltige Lösung? Das ist doch die Frage.
Wir alle kennen die Diskussion. Kollege Kretschmann nahm damals an jeder Sitzung der Föderalismuskommission II teil; auch ich habe damals an jeder Sitzung teilgenommen. Wir ha ben heute zu Recht gehört, dass der Länderfinanzausgleich ein großes Problem ist. Wir wissen, dass der Länderfinanzaus gleich ungerecht ist.
Deshalb sind wir davon überzeugt: Es wäre der gleiche Feh ler wie beim Länderfinanzausgleich. Es wären falsche Anrei ze, wenn wir eine Cuvée aus Zinsen der 17 Länder der Euro
zone bildeten. Damit würden wir Fehlanreize setzen. Deshalb ist meine Fraktion – und die gesamte Union – gegen die Ein führung von Eurobonds.
Die Gefahr liegt darin, dass wir falsche Anreize setzen wür den. Wir würden das Schuldenmachen vereinfachen. Damit geht es um das Prinzip der Selbstverantwortung. Das muss im Vordergrund stehen. Deshalb dürfen keine dauerhaften Trans ferleistungen zulasten einiger weniger Leistungsträger einge führt werden.
Wir wollen eine Stabilitätsunion, aber keine reine Haftungs- und Transferunion. Zu Solidarität muss immer auch Solidität gehören. Das ist der entscheidende Punkt, um den es uns geht, wenn wir über öffentliche Haushalte auch der Länder in der Europäischen Union und der Eurozone sprechen.
Deshalb teile ich Ihre Meinung, dass verschärft beobachtet werden muss und dass überwacht werden muss. Wir brauchen dort ein Mehr an Europa, wo wir Aufsicht und Kontrolle ein führen. Denn nur mit Aufsicht und Kontrolle auch gegenüber denen, die Verstöße verüben, werden wir auf dem richtigen Weg sein.
Wir müssen auch immer eines vor Augen haben: Wenn wir jetzt beispielsweise Eurobonds einführen würden, müssten wir gegenwärtig bundesweit – da gibt es Hochrechnungen von namhaften Wissenschaftlern und von Banken – 30 Milliar den € mehr bezahlen. Damit kämen auf das Land Baden-Würt temberg jährlich 1 Milliarde € mehr an Zinsen zu. Das kann nicht unser Weg sein. Das wollen wir nicht.
Deshalb gilt es, den Geist des Stabilitäts- und Wachstumspakts auch mit Leben zu erfüllen. Deshalb brauchen wir jetzt rich tige Weichenstellungen und Korrekturen beim Stabilitäts- und Wachstumspakt.
Eine weitere Weichenstellung, um Vertrauen zu gewinnen – darum geht es –, ist die Einführung von Schuldenbremsen, so, wie wir das in Deutschland mit der Föderalismuskommissi on II gemacht haben. Diese Kommission stand damals in der letzten Sitzung knapp vor dem Scheitern. Unser damaliger Ministerpräsident Oettinger hatte den Vorsitz inne. Wir hatten nur noch eine Möglichkeit, überhaupt einen Kompromiss zu finden, um die Verfassungsänderung darzustellen, nämlich die, eine gespaltene Verschuldungsregel in die Verfassung aufzu nehmen, bis zum Jahr 2020 für die Länder und bis zum Jahr 2016 – mit einem Recht auf eine Verschuldung von jährlich 0,35 % – für den Bund.
Diese Schuldenbremse ist heute zum Vorbild in ganz Europa geworden. Wir unterstützen das, weil wir sie selbst initiiert haben. Die Schuldenbremse muss eingeführt werden, weil nur dadurch die Solidität, von der ich spreche, wieder erreicht werden kann. Das wichtigste Kapital, das man braucht, ist Ver trauen. Der Ausspruch von Robert Bosch „Vertrauen verlo ren, alles verloren“ gilt insbesondere in diesem Zusammen hang.
Meine Damen und Herren, die Entwicklungen werden nicht in wenigen Monaten zu korrigieren sein. Deshalb brauchen wir Konzeptionen, aber auch klare Haltungen für die Zukunft.
Ich habe vorhin bereits den Export angesprochen. Beispiels weise der Wert der Exporte nach Italien liegt noch immer über dem Wert der Exporte nach China. Deshalb muss auch bei der EFSF und beim ESM, der noch kommt – – Wir hatten übri gens im Mai 2010, als wir den ersten Rettungsschirm be schlossen hatten, weil die Krise keine andere Möglichkeit mehr zuließ, immer gesagt: Es ist einmalig, es ist befristet, und es ist bedingt.
Jetzt haben wir erneut über weitere Mechanismen zu sprechen. Wenn man darüber spricht, dann muss auch eines betont wer den: Das Messer muss in Zukunft bei Verstößen nicht nur ei nen Knauf, sondern auch eine Schneide haben. Anders ausge drückt: Der Stabilitätspakt braucht auch Zähne. Das heißt, es müssen Sanktionen möglich sein, wenn gegen die Vorgaben des Stabilitätspakts verstoßen wird.
Ansonsten muss gerade jetzt darauf geachtet werden, dass es keine Leistung ohne Gegenleistung gibt und dass ein Regel werk erlassen wird, das vor allem die Hilfe zur Selbsthilfe or ganisiert und das keine Fehlanreize, sondern Anreize schafft. Das halte ich in diesem Zusammenhang für einen ganz ent scheidenden Punkt. Dazu gehört auch, dass Griechenland sei ne 15 Milliarden € aus dem EU-Haushalt abrufen kann, was bisher bei den Strukturfonds nicht geschehen ist.
Meine Damen und Herren, Professor Franz, der Vorsitzende des Sachverständigenrats, hat heute öffentlich gesagt, dass auch der Sachverständigenrat weiterhin der Meinung ist, dass man Lösungen für Teilvergleiche braucht. Das halte auch ich für richtig; denn man muss der Realität ins Auge schauen. Er meinte, bei der Wahl zwischen Pest und Cholera sollte man sich lieber für die Cholera entscheiden. Damit sprach er sich für eine klare Formulierung von Regeln für Staatsinsolvenzen aus, die wir jetzt auch fordern müssen.
Meine Damen und Herren, ich möchte nochmals betonen, dass wir in diesem Parlament dafür gekämpft haben, dass die Par lamentarier über das Gesetz über die Beteiligung des Land tags in Angelegenheiten der Europäischen Union beteiligt, in formiert und unterrichtet werden. Deshalb begrüße ich heute zum einen die Unterrichtung. Zum anderen verbinde ich dies mit der Forderung, dass das vor der ESM-Verabschiedung im kommenden Jahr geschieht; denn damit sind noch wesentli chere Fragen verbunden als jetzt, da die erste Hilfe im Grun de genommen mit dem Schirm derzeit nur prolongiert und ausgeweitet wird, aber befristet bleibt.
Meine Damen und Herren, ich bin davon überzeugt, dass es darum gehen muss, unsere Bürger aufrichtig und transparent zu informieren. Deshalb möchte ich auch unsere Grundsätze zusammenfassen, die meines Erachtens im Moment wichtig sind – getreu dem Motto, dass man Risiken nicht ausblendet, sondern ehrlich beim Namen nennt –:
Die Lösung der Schuldenkrise kann nicht in einer permanen ten Ausweitung von Hilfspaketen zu suchen sein. Die Schul denkrise kann nur nachhaltig und ohne Schaden für Europa
überwunden werden, wenn jeder Mitgliedsstaat zunächst ein mal selbst für seine Schulden haftet. Das heißt, auch für Hilfs maßnahmen muss gelten: Hilfskredite gibt es nur, wenn es im Gegenzug zu verlässlichen Konsolidierungsmaßnahmen der Empfängerländer kommt. Dabei ist die Schuldentragfähigkeit des betreffenden Landes ganz entscheidend. Eine geordnete Umschuldung muss ebenfalls in Betracht gezogen werden können.
Alle Schritte in Richtung einer Haftungs- und Transferunion, wie die erwähnte Einführung von Eurobonds, halten wir für nicht sinnvoll und für nicht tragfähig. Wir begrüßen, dass das Bundesverfassungsgericht in diesem Zusammenhang Gren zen gesetzt hat; denn gemeinsame Anleihen untergraben die Haushaltsdisziplin in Europa. Sie belohnen Länder mit unso lider Finanzpolitik und bestrafen Länder mit solider Haus haltspolitik. Gemeinsame europäische Anleihen setzen zudem die disziplinierende Wirkung der Zinsspreads auf den Finanz märkten außer Kraft. Eurobonds sind deshalb ungerecht, weil sie Lasten aus Fehlern anderer Eurostaaten vor allem Deutsch land aufbürden und unser Land über jedes vertretbare Maß hi naus belasten würden.
Deshalb will ich auch sagen: Wir wollen die Bürger mitneh men; das müssen wir beim Thema Haftung auch. Andernfalls hätte ich die Sorge, dass wir die Euroskepsis eher noch beflü geln. Wir wollen keine Euroskepsis. Gerade deshalb müssen wir sehr sorgfältig und sehr verantwortungsvoll mit diesem Thema umgehen.
Es geht auch darum, alles daranzusetzen, die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank sicherzustellen. Deshalb teile ich nicht die hier geäußerte Auffassung: Weil die EZB bereits für 153 Milliarden € haftet, haben wir ohnehin schon eine Transfer- und Haftungsunion, und daher können wir nun ufer los weiterhaften. Diesen Folgeschluss dürfen wir so nicht zie hen. Wir müssen uns vielmehr eher damit befassen, ob das rechtmäßig war und ob das so weitergehen darf. Was ist die Aufgabe der Europäischen Zentralbank? Ihre Aufgabe ist vor rangig, Stabilität zu gewährleisten. Daran müssen wir stets er innern, meine Damen und Herren.
Deshalb müssen wir mit dem „Europäischen Semester“ auch Entscheidungen wie dem „Sixpack“, der erwähnt wurde, vor beugen.
Diese Diskussion betrifft im Moment ganz besonders die 17 Länder der Eurozone. Es kann nicht sein, dass wir auch sei tens Europa diejenigen, die leistungsfähig sind, einschränken wollen. Denn sie sind im Grunde genommen die Zugpferde, die Motoren und diejenigen, die Europa tragen und nach vorn bringen. Deshalb lautet unsere Auffassung: Wir brauchen ei nen Schuldenabbau. Wir brauchen auch den „Euro-Plus-Pakt“,
und wir brauchen Schuldenbremsen und Solidität. Vor allem geht es darum: Es kommt nicht zu Schuldenkrisen, wenn es Regelungen gibt, die auch eingehalten werden. Deshalb brau chen wir vor allem die Einhaltung der Regelungen, die seit dem Stabilitätspakt existieren.
Regelungen zu einem europäischen Bundesstaat können üb rigens in Deutschland nur getroffen werden, wenn das Volk darüber abstimmt. Etwas anderes gibt die Verfassung nicht her.
Deshalb sind wir alle gut beraten, meine Damen und Herren, in diesen Tagen zu differenzieren, aber auch zu betonen: Wir stehen zu Europa, und wir stehen zum Euro. Wir wollen die ses Europa, wir wollen Solidarität, aber wir fordern auch So lidität, und wir fordern vor allem, dass wir die große Idee, die ses große Geschenk Europa, dass wir in der längsten Friedens zeit der modernen Geschichte leben können und dürfen, nicht aufs Spiel setzen, indem wir jetzt so großzügig und leichtfer tig mit der Bewältigung dieser Eurokrise umgehen. Vielmehr dürfen wir gerade im Sinne der Akzeptanz Europas – auch im Hinblick auf künftige Generationen – auch Deutschland nicht überfordern.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst möchte ich Herrn Minister Friedrich ausdrücklich für die vor wärtsgerichtete, klare Perspektive danken, die er Europa in seiner Rede gegeben hat und die ich mir auf anderen politi schen Ebenen ebenso wünschen würde.
Die Mitgliedsstaaten der EU müssen gerade in einer Zeit der globalen Verschuldungs-, Wirtschafts-, Finanz- und Vertrau enskrise entschlossen handeln, mit einer Stimme sprechen und solidarisch zueinander stehen. Das war in dieser Rede deut lich zu spüren. Es gab auch eine klare Definition, was Solida rität ist.
Meine Damen und Herren, zu Anfang möchte ich Ihnen ein Zitat aus einer Broschüre der grünen Europafraktion aus dem Jahr 1998 vorstellen:
Mit dem Maastricht-Vertrag hat sich die Europäische Union zum Aufbau einer europäischen Wirtschafts- und Währungsunion verpflichtet. Auf eine verbindliche euro päische Wirtschaftspolitik verzichtet der Vertrag jedoch weitgehend. Doch nur, wenn mit gemeinsamer Wirt schaftspolitik annähernd ähnliche Arbeits-, Lebens- und Umweltbedingungen für die Menschen in Europa geschaf fen werden, kann eine europäische Währung auch zu ge meinsamem Wohlstand führen. Es fehlt eine Institution, die als demokratisches Gegengewicht zur Europäischen Zentralbank eine koordinierende europäische Wirtschafts politik für Umwelt, Arbeit und sozialen Zusammenhalt ge stalten kann. Die Währungsunion und der Stabilitäts- und Wachstumspakt von Dublin stehen für ein Politikverständ nis, in dem nur die Geldwertstabilität zählt.
Was wir vor 13 Jahren als Rahmenbedingungen für die Wäh rungsunion gefordert haben, steht heute in Europa parteiüber greifend auf der Agenda. Denn die Praxis hat gezeigt: Eine Währungsunion ohne gemeinsame Wirtschafts- und Finanz politik kann nicht dauerhaft funktionieren.
Was wir angesichts der aktuellen Krise brauchen, ist ein kla res Bekenntnis zu mehr europäischer Integration, dem Taten folgen müssen. Wir müssen zum einen dafür sorgen, dass die bestehenden Verträge und Pakte eingehalten werden und dass bei Verstoß natürlich Sanktionen greifen. Dafür brauchen wir keine Messer und keine Pest- und Choleradrohungen.
Zum anderen werden weitere Anpassungen der europäischen Verträge notwendig sein. Wir Grünen setzen uns für eine stär kere verbindliche Koordinierung der nationalen Haushalts-, Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitiken auf europäischer Ebene ein. Wichtige Bausteine einer europäischen Wirtschafts regierung sind die Harmonisierung von Steuersätzen sowie soziale Mindeststandards in allen EU-Staaten. Wenn Unter nehmen und Kapital über Grenzen hinweg agieren, dürfen Steuerpolitik und soziale Absicherung nicht an nationalen Grenzen haltmachen.
Die Europäische Union muss ihre Wettbewerbsfähigkeit als Ganzes stärken. Hierfür sind gemeinsame Investitionen in die Transformation der Wirtschaft hin zu einem nachhaltigen und sozialen Europa besonders wichtig.
Kurz- und mittelfristig müssen wir jedoch Instrumente entwi ckeln und umsetzen, mit denen wir hoch verschuldeten Euro staaten helfen und Finanzmärkte dauerhaft beruhigen, und wir alle müssen aus der Staatsverschuldung aussteigen. Die bis herigen Maßnahmen zur Rettung des Euro und auch die zö gerliche Haltung der Bundesregierung haben bekannterma ßen zu keiner Beruhigung der Finanzmärkte geführt, Herr Reinhart.