Protokoll der Sitzung vom 17.06.2015

Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Landesregierung erteile ich das Wort Herrn Innenminister Gall.

Herr Präsident, werte Kolle ginnen, werte Kollegen! Ich denke, uns allen ist bewusst, dass für viele Staaten Spionage eine wichtige Informationsquelle darstellt; da spreche ich ganz einfach von der Lebenswirklich keit und von den Erkenntnissen, die gegenwärtig immer wie der auch die Öffentlichkeit erreichen. Dies gilt schlicht und ergreifend deshalb, weil durch gezielte Spionage, gerade auch bei internationalen Konflikten, von denen wir in dieser Zeit ja nicht wenige haben, die jeweils eigene Position verbessert werden kann. Es ist Allgemeingut – dies gilt für andere Le bensbereiche ebenso –: Wer die Stärken und Schwächen sei ner Gegner oder vermeintlichen Gegner kennt, kann sich da rauf einstellen und kann diese Informationen auch entspre chend nutzen.

(Zuruf)

Jüngstes Beispiel hierfür ist die Ukrainekrise, die auf der welt politischen Bühne gerade sehr großen Raum einnimmt. Gera de auch in diesem Zusammenhang ist spürbar und erkennbar, dass umfangreiche russische Spionagetätigkeiten stattfinden. Als Land sind wir hierbei nicht unbedingt direkte Zielschei be; vielmehr geht es in der Regel um von der NATO geplan te Maßnahmen. Aber wir sind Teil der NATO; keine Frage.

Im Rahmen der nun verhängten Wirtschaftssanktionen gibt es aber durchaus auch Angriffspunkte bzw. Objekte von Ausspä hungen; dies gilt für die Europäische Union ebenso wie für die einzelnen europäischen Länder als Teil der westlichen Staatengemeinschaft.

Im Kern, Kollege Sakellariou, ging es bei Ihren Fragen tat sächlich wohl eher um Wirtschaftsspionage. Manchmal gibt es aber durchaus auch Zusammenhänge und Verbindungen, gerade für ein Land wie Baden-Württemberg, das, wenn die Zahlen noch aktuell sind, 402 Weltmarktführer aufweist und das mit seinen zahlreichen Zentren für Forschung und Ent wicklung sowie seinen Hochschul- und Forschungseinrich tungen über beträchtliches technisches Know-how verfügt. Deshalb ist Wirtschaftsspionage neben militärischer und po litischer Spionage ein zentraler Bereich. Dies stellt eine Vari ante von Ausspähung dar, der das Land insgesamt ausgesetzt ist.

In Bezug auf die wirtschaftlichen Aspekte, gerade auch im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit unseres Landes und der Leistungsfähigkeit der Unternehmen und Betriebe im Land, stellen wir fest – das lässt sich übri gens auch dem aktuellen Bericht des Landesamts für Verfas sungsschutz entnehmen –, dass es erhöhte Spionageaktivitä ten vonseiten der Volksrepublik China gibt. Der Spionage durch Einrichtungen der VR China kommt eine nicht unbe deutende, ja tatsächlich eine bedeutende Rolle zu. Spionage erfolgt dabei in unterschiedlichster Weise: Es gibt elektroni sche Spionageangriffe, aber in einem gar nicht zu unterschät zenden Umfang auch die klassische, personengebundene Spi onage. Das heißt, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden angezapft. Dies geschieht aufgrund der heute bestehenden technischen Möglichkeiten manchmal unwissentlich, es wird jedoch oft auch ganz gezielt vorgenommen. Dabei geht es al so nicht um elektronische Angriffe, sondern es werden Men schen eingesetzt, die dann Spionage, auch Wirtschaftsspiona ge, betreiben.

Ich habe es bereits gesagt: Nicht immer ist dies für den Ange griffenen in seinem EDV-System – ich verweise hier auf die jüngsten Vorfälle im Bundestag – bzw. für seine Mitarbeite rinnen und Mitarbeiter auf Anhieb erkennbar. Tatsache ist al lerdings auch: Selbst da, wo es erkennbar ist, sind die Täter häufig nicht zu identifizieren.

(Zuruf)

Deshalb kommt es wirklich darauf an, dass man die Betroffe nen – in diesem Fall sind es Unternehmen und Betriebe, ge rade auch kleine und mittlere Betriebe – immer wieder für die ses Thema sensibilisiert und ihnen deutlich macht, dass es Möglichkeiten gibt, sich zu schützen. Man sollte reagieren, bevor das Kind, wie es im Volksmund heißt, in den Brunnen gefallen ist.

Als ich eben von den Tätern bzw. den nicht identifizierten Tä tern sprach, wurde durch Zuruf das Stichwort „Freunde“ in den Raum geworfen. Es kommt tatsächlich darauf an, immer auch den sogenannten 360-Grad-Blick anzuwenden und auch einmal zu schauen, was denn eigentlich Verbündete so ma chen.

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: Genau!)

Dies gilt auch im Zusammenhang mit Wirtschaftsspionage; wir dürfen dies auf keinen Fall aus dem Blick verlieren.

Allerdings will ich auch sagen: Auch die Vorkommnisse um das Thema NSA haben bislang – dies gilt jedenfalls in einem Fall – nicht belegt, dass tatsächlich Nachrichtendienste sogar geholfen hätten, Wirtschaftsspionage zu betreiben. Ob ein ent sprechender Nachweis noch erbracht werden kann, wird das parlamentarische Kontrollgremium oder der Untersuchungs ausschuss eventuell noch zutage fördern.

Meine Damen und Herren, was war gefragt? Die zweite Fra ge lautete konkret: Was macht das Landesamt für Verfassungs schutz in Baden-Württemberg, um die Unternehmen entspre chend zu unterstützen?

(Glocke des Präsidenten)

Herr Minister, Entschuldigung. Ihre Redezeit ist zu Ende. Es waren fünf Minuten.

(Abg. Matthias Pröfrock CDU: Das sind wir gar nicht mehr gewohnt!)

Gibt es weitere Fragen? – Für die CDU-Fraktion Kollege Blenke.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Wenn er jetzt eine Fra ge stellt, gehen die nächsten fünf Minuten los!)

Danke, Herr Präsident. – Herr Minister, die Frage, die Sie jetzt nicht mehr beantworten konn ten, stelle ich Ihnen einfach noch einmal in etwas abgewan delter Form.

(Zuruf: Sehr gut!)

Es ging dabei um die Frage, was das Landesamt für Verfas sungsschutz auch im beratenden Bereich tut. Das war meines

Erachtens das, was der Kollege Sakellariou angesprochen hat te.

Ich möchte diese Frage noch einmal mit der Zielsetzung auf die mittelständische Wirtschaft hin formulieren: Geht das Lan desamt für Verfassungsschutz aktiv auf die mittelständische Wirtschaft zu, um Beratung anzubieten, und in welchem Um fang wird auf der anderen Seite an das Landesamt für Verfas sungsschutz vonseiten der Wirtschaft aktiv mit der Frage he rangetreten, welche Sicherheitsrisiken es gibt und wie man sich schützen kann?

Daraus leitet sich für mich allerdings noch eine weitere Fra ge ab: Wir registrieren einen deutlichen Aufgabenzuwachs im Bereich des Verfassungsschutzes. Sie sprechen Wirtschafts kriminalität und Wirtschaftsspionage an. Wenn wir auch an dere Felder wie etwa Linksextremismus und Rechtsextremis mus, Salafismus und dergleichen anschauen, sehen wir, dass das Landesamt für Verfassungsschutz eine Behörde ist, die zu nehmend Konjunktur hat.

Wie sehen Sie das Landesamt diesbezüglich auch mittelfris tig personell aufgestellt? Wir haben hier schon einige Male über die Frage des Stellenabbaus bzw. des Wiederaufbaus von Stellen debattiert. Unter dem Strich steht ein leichtes Minus. Wie sehen Sie den Verfassungsschutz diesbezüglich personell aufgestellt? Inwieweit müssen wir da durch eine nochmalige personelle Stärkung des Verfassungsschutzes reagieren?

Darf ich, Herr Präsident, eigentlich eine dritte Frage stellen?

Sie dürfen Fragen stellen, und drei Minuten haben Sie zur Verfügung. Sie haben noch an derthalb Minuten, um Ihre Frage zu begründen und die Frage zu stellen.

Wunderbar. Dann möchte ich die dritte Frage gleich noch nachschieben. Danke schön dem hochmütigen Präsidenten.

(Zurufe)

War das ein falsches Wort?

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Hochwohlgebo ren!)

Sie wissen jedenfalls, was ich gemeint habe.

(Heiterkeit)

Herr Minister, Sie waren ja gerade vor nicht allzu langer Zeit gemeinsam mit dem Innenausschuss des Landtags in der Uk raine. Dort sind wie ein roter Faden sich durchziehend die Pro blemfälle mit der Korruption auf die Tagesordnung gekom men. Da besteht die Frage: Wie sind wir – auch unsere Sicher heitsbehörden – gegenüber korruptionsbedingten Attacken oder Angriffen aufgestellt, die sich bei uns dann auf die Wirt schaft auswirken könnten?

War das verständlich? – Danke.

Herr Minister, bitte.

Ich hatte keine Probleme, Herr Kollege Blenke, die Fragen zu verstehen. Ich habe aber ein

Problem damit, diese komplexen Fragen in fünf Minuten zu beantworten. Ich will es jedenfalls einmal versuchen.

Ihre erste Frage war tatsächlich noch einmal: Wie beraten wir, der Verfassungsschutz, aber auch z. B. das Landeskriminal amt sowie in anderen Fällen die Behörden die Betriebe in un serem Land? Ich nenne Ihnen einfach ein paar wenige Zah len; dann wird es, glaube ich, schon deutlich. Der Verfassungs schutz hatte im zurückliegenden Jahr rund 600 Unternehmen in seinem Betreuungs- und Beratungsportfolio. Es gibt einen grundgesetzlichen Auftrag. Dort, wo dies tatsächlich stattfin den muss, gibt es einen Austausch, in dem es um sicherheits relevante und für die Infrastruktur relevante Unternehmen in unserem Land geht.

Wir haben Interesse daran, direkt mit den Unternehmen in Kontakt zu kommen; deshalb machen wir umfangreich Wer bung. Wir führen von uns aus auch sogenannte Sensibilisie rungsgespräche – ich hatte es angesprochen – mit dem Ziel, die Betriebe hierfür zu sensibilisieren und ihr Augenmerk da rauf zu richten, die Beratung und Unterstützung wahrzuneh men, die wir bieten.

Wir selbst sind in Gremien tätig, beispielsweise im Sicher heitsforum Baden-Württemberg, einer Vereinigung auch aus Unternehmen, wobei wir unseren Sachverstand und unser Know-how entsprechend anbieten und zur Verfügung stellen. Wir führen Sensibilisierungsprogramme durch, im Rahmen derer wir einen Sicherheitspreis ausgeschrieben haben. Ich ha be diesen kürzlich an zwei kleinere Betriebe verliehen, um deutlich zu machen, welche Möglichkeiten Mittelständler ha ben. Wir stellen fest, dass gerade auch die kleinen Unterneh men hier sensibel sind. Wenn wir gerade diese auszeichnen, wollen wir deutlich machen, dass man auch mit einem Mittel einsatz, der nicht ins Unendliche steigt, etwas tun kann und dass die Kosten für den Einsatz von Mitteln, auch technischer Art, die auch dazu dienen, die eigenen Mitarbeiter zu befähi gen, sich vor den Gefahren zu schützen, häufig geringer sind als die Kosten, die anfallen, wenn ein entsprechender Scha densfall eingetreten ist.

Nicht zuletzt richten wir hierzu am 21. Juli dieses Jahres im Neuen Schloss ein Symposium mit dem Bundesamt für Ver fassungsschutz aus. Adressaten sind gerade kleinere und mitt lere Unternehmen, die bei diesem Themenkomplex, der uns wirklich wichtig ist, einbezogen werden sollen.

Was das Thema „Aufgabenfeld des Verfassungsschutzes“ an langt, bin ich wirklich dankbar, dass immer wieder einmal da rauf hingewiesen wird, dass zum Aufgabenportfolio des Ver fassungsschutzes nicht nur das gehört, was man augenschein lich immer im Fokus hat, sondern dass die Aufgaben wesent lich umfangreicher sind – gerade heute diskutieren wir über eine dieser Aufgaben –: Es gibt, wie gesagt, den Verfassungs auftrag, der zu erledigen ist, die Extremismusbekämpfung, den Auftrag, Seismograf zu sein, wahrzunehmen, wo sich im Land etwas entwickelt. Ferner geht es um die Bekämpfung von Wirtschaftsspionage sowie um Sicherheitsüberprüfungen, für die wir wirklich Personal brauchen. Dort geht es um Fäl le, die abzuarbeiten sind.

Ich habe noch nie einen Hehl daraus gemacht, dass das Lan desamt für Verfassungsschutz so aufgestellt ist wie die ande ren Landesbehörden auch, dass es nämlich im Vergleich mit

entsprechenden Behörden in anderen Ländern schlank aufge stellt ist. Wohlgemerkt sind wir nicht nur im Verfassungs schutz, sondern auch in anderen Bereichen so aufgestellt. Wenn sich entsprechende Entwicklungen fortsetzen, muss man immer wieder auch über die Personalausstattung disku tieren. Das haben wir getan. Deshalb haben wir im Rahmen des Antiterrorpakets wieder entsprechende Stellen zuwachsen lassen.

Was das Thema Korruption anbelangt, Herr Kollege Blenke, versuchen wir, unsere Erfahrungen, die wir im Kampf gegen Korruption gemacht haben, beispielsweise auch in der Ukra ine – Sie haben die Ukraine angesprochen –, gegenüber den Polizeibehörden einmal darzustellen und diesen Unterstüt zungsleistungen anzubieten, damit dieses Land stabile staat liche Rahmenbedingungen schaffen kann. Dies soll vor allem im Bereich der inneren Verwaltung, der Sicherheitsarchitek tur – das Militär ist nicht unsere Aufgabe – erfolgen. Vor Ort konnten wir in Augenschein nehmen, dass dort gewaltige Um brüche in diesen Bereichen, was Verwaltungsstrukturen, Si cherheitsstrukturen und Korruptionsverhinderung anlangt, be vorstehen. Wir beraten deshalb und sind hierbei auch gefragt, weil wir im Hinblick auf die Sicherheitsorgane in unserem Land gut aufgestellt sind.

Vielen Dank. – Gibt es Fragen vonseiten der Fraktion GRÜNE? – Nein. FDP/DVP? – Nein. SPD? – Nein. – Dann kommen wir wieder zur CDU.

Herr Kollege Zimmermann, bitte.

Herr Minister, ich teile Ihre Sorgen und Ihre Ansichten dazu, woher die Gefahren kom men. Sie haben eben gesagt: Der Verfassungsauftrag ist viel fältig: Linksextremismus, Rechtsextremismus, Salafismus und jetzt auch Wirtschaftsspionage. Deshalb zwei Fragen.