Protokoll der Sitzung vom 17.06.2015

Nun kommen wir zu den Entscheidungen, die jetzt im Pro jektbeirat anstehen.

Erstens die autobahnparallele Trasse, also heraus mit dem drit ten und vierten Gleis aus den Orten, die heute durch den wirk lich immensen Schienenlärm schwer belastet sind. Wer auch immer vor Ort war, der kann das kaum glauben. Man kann nicht miteinander reden, alle zwei Minuten ist Schweigen an gesagt, weil man sich nicht mehr versteht. Deshalb ist klar: Wir brauchen die autobahnparallele Trasse. Das war aber nicht immer so, sondern die Bahn wollte es nicht, der Bund wollte es nicht, und übrigens hat es dafür auch keine politischen Mehrheiten gegeben.

Dies hat sich jetzt geändert. Inzwischen planen wir mit der Bahn und dem Bund zusammen die autobahnparallele Tras se, weil man erkannt hat, dass die andere Trasse politisch nicht durchsetzbar ist und unglaublich hohe Lärmschutzwände er fordern würde. Das kann man nicht wollen.

Zweitens – das ist der schwierigere Punkt – der Abschnitt Müllheim/Auggen, eigentlich eine Altforderung, die schon lange erledigt war; das will ich einmal sagen. Lange bevor ich die Verantwortung übernommen habe, hat der Beirat damals gesagt: Müllheim/Auggen ist erledigt, da machen wir nichts mehr, das bleibt so wie geplant. Nach dieser Beschlusslage wäre einfach so wie geplant gebaut worden. Jetzt, da alle an deren Korrekturen fordern, sind genau jene gekommen und haben gesagt: Wir wollen aber auch noch dabei sein. Deshalb beschäftigen wir uns noch einmal damit. Claus Schmiedel hat sehr deutlich gesagt: Die beste Lösung hat auch uns zunächst überzeugt, weil gesagt wurde: Sie ist sehr viel besser, sie bie tet sehr viel mehr Lärmschutz und kostet nicht mehr.

Nun haben wir es ein halbes Jahr lang auf Herz und Nieren geprüft und genau nachgerechnet. Es kommen am Ende 300 Millionen € Mehrkosten im Vergleich zur bisherigen Planung heraus. Die bisherige Planung ist planfeststellungsreif. Eine komplette Neuplanung würde vermutlich dazu führen, dass das Projekt um fünf Jahre verzögert wird, da es eine komplet te Neuplanung darstellt.

Deshalb haben wir die Bahn aufgefordert, die alte Planung zu verbessern und zu zeigen, was möglich ist. Nun liegen zwei Alternativen auf dem Tisch: eine optimierte Antragstrassen planung, bei der mit mehr als 30 Millionen € mehr Lärmschutz für die Anwohner entlang dieser Trasse betrieben wird, und eben die beste Lösung für 300 Millionen €. Nun müssen sich alle überlegen, welchen Schutz man sich leisten will: entwe der die verbesserte Antragstrasse – plus 30 Millionen € – oder die andere Planung mit Tieferlegung, aber mit weitgehend gleichen Effekten, was Mehrkosten in Höhe von 300 Millio nen € auslösen würde. Denn man muss wissen: Wenn man sich diesen Aufwand da leistet, muss man ihn sich auch wo anders leisten. Außerdem gibt es eine Reihe anderer Forde rungen, die man ebenfalls einlösen muss. Ich kann nur davor warnen, an nur einer Stelle wohlfeil das Geld auszugeben. Man muss vielmehr überall sauber abwägen, und es ist parla mentarische Verantwortung, dies zu tun. Das entscheidet nicht die Regierung, sondern Sie im Parlament entscheiden, wofür Sie Geld ausgeben.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Genau!)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abg. Razavi?

Bitte.

Herr Minister, Sie haben gerade die Unterschiede zwischen „bester Lösung“ und verbesserter Antragsplanung in Sachen Lärmschutz dargestellt. Aber es geht dabei nicht nur um den Lärmschutz, sondern ich glaube, es geht auch um weitere Fragen, die die Menschen vor Ort noch haben. Wenn Sie aus Kostengründen nun von der besse ren Lösung Abstand nehmen, was wird dann mit dem Regio nalverkehr? Denn dieser hätte durch die „beste Lösung“ durch aus deutliche Vorteile gehabt, und außerdem gäbe es auch beim Güterverkehr sowie in puncto Sicherheit deutliche Vor teile, weil mehr Güterzüge durch den Katzenbergtunnel fah ren würden, was mit einer verbesserten Antragstrasse nicht möglich ist. Ich denke, diese Fragen müssen Sie den Men

schen beantworten; denn das ist es, was die Menschen vor Ort kümmert und beschäftigt.

Vielen Dank. – Zunächst möchte ich deutlich machen: Es ist noch nicht entschieden, sondern wir haben die beiden Varianten abzuwägen. Nach den Plänen der Bahn, die ihre ei genen Antragstrassen erheblich verändert und verbessert hat, sind der Lärmschutz sowie die verkehrliche Leistungsfähig keit beider Varianten in etwa gleich, und im Übrigen sind auch die anfangs zu Recht beklagten möglichen Störungen auf grund von Gleisengpässen verringert, weil die Bahn im Zuge der neuen Planung auch die Kapazitäten erhöht. Das heißt, verkehrlich sind die beiden Alternativen gut vergleichbar, üb rigens auch, was die Beförderung des Güterverkehrs im Kat zenbergtunnel auf der neuen Trasse betrifft. Dies wollen wir aber ebenfalls noch einmal im Beirat besprechen, nur sehe ich im Moment noch keine klaren Vorteile für die eine Seite. Ich sehe nur, dass die eine Variante sehr viel teurer ist, und das muss man hier ansprechen.

Auch bei der autobahnparallelen Trasse ist es nicht so, dass dort alles schon in Butter wäre. Es gibt Forderungen, die zwi schen 400 und 800 Millionen € Mehrkosten bedeuten würden. Wenn wir 800 Millionen € Mehrkosten zugestehen, dann heißt das, wir zahlen 400 Millionen €. Man muss sich überlegen, ob man in jedem Bereich sagt: „Das machen wir, wir über nehmen das, weil wir es richtig und gut finden“, oder ob man sagt: „Es gibt da eine gemeinsame Verantwortung.“ Ich sage dies, weil es angesprochen worden ist. Die Kommunen haben wirklich gut mitgearbeitet, auch die Regionen und die Krei se. Die Landrätinnen und Landräte haben die Cluster-Sitzung vorbereitet und koordiniert. Die Beiratssitzung wird in einem langen Prozess vorbereitet, und ich sage an dieser Stelle aus drücklich: Allen möchte ich danken, die sich da so konstruk tiv einbringen – allen, auch den Bürgerinitiativen.

(Beifall bei der SPD)

Aber eines ist all diesen Forderungen ebenfalls gemein: Jene, die die Forderungen aufstellen, sagen nie, dass sie es zahlen, sondern sie sagen immer: Das muss der Bund zahlen, das muss das Land zahlen, aber nicht die Region. Ich möchte dies an einer Stelle verdeutlichen, wo ich finde, dass das zu weit geht: Wir haben im Markgräflerland eine teure andere Varian te – Teiltieferlegung – verwirklicht. Dort geht es jetzt um den Hochwasserschutz. Das Land hat gesagt: Okay, wir sind be reit, zusätzlich noch einmal 10 Millionen € für den Hochwas serschutz für Gewässer erster Ordnung auszugeben. Dann muss, finde ich, die Region auch bereit sein, die anderen 10 Millionen € für die Gewässer zweiter und dritter Ordnung mitzutragen. Denn es wäre etwas wohlfeil, immer Forderun gen zu stellen, aber selbst keinen Beitrag zu leisten.

(Zuruf von der CDU: Kommunen!)

Das anzusprechen finde ich auch legitim. Wir überfordern da niemanden. Aber es gehört auch zur Wahrheit: Man kann nicht nur fordern, sondern man muss auch abwägen und muss auch die eigene Verantwortung wahrnehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Meine Damen und Herren, reden wir einmal über die Kosten. Im Minimalfall kostet es insgesamt 1,7 Milliarden € mehr.

Wenn alle Forderungen aufgegriffen werden, sind es 2,7 Mil liarden € mehr. Wir müssen schauen, was wir da übernehmen, verantworten und tragen können.

Meine Verhandlungslinie war eindeutig die, die im Antrag von Ihnen allen formuliert worden ist, nämlich dass wir nur über das gesetzlich vorgeschriebene Maß hinausgehende, dem Lärm- und Menschenschutz dienende Maßnahmen mit unterstützen und genau schauen, was wir dort hineinrechnen können und was nicht. Da muss man aufpassen, dass einem vom Bund so zusagen nicht zu viel auf die Schippe geschoben wird. Sie können sicher sein, dass ich da aufpasse.

Auf der anderen Seite muss man auch sagen: Wir, das Land, waren ja mit der Auslöser dafür, dass alles geändert werden muss und teurer wird, weil es eben besser wird. Daher wird man am Ende nicht sagen können: Das ist aber alles Sache des Bundes. Das wird auch nicht gehen.

(Abg. Nicole Razavi CDU: Das widerspricht doch Ihrem Eingangsstatement!)

Vielmehr müssen wir einen bestimmten Anteil übernehmen, wobei wir darauf achten müssen, ihn möglichst gering zu hal ten, um möglichst viel herauszuholen.

(Zuruf der Abg. Nicole Razavi CDU)

Das ist mein Ziel. Mir wäre es am liebsten, wenn wir eine Ver einbarung treffen würden, die einen klaren Kostendeckel vor sieht, sodass man am Ende nicht immer noch mehr zahlt, son dern das Land sagt: „Dazu sind wir bereit. Das werden wir machen.“

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Ich komme zum Schluss. Mir liegt sehr viel daran, dass wir hier wirklich einen überparteilichen Konsens hinbekommen, auch weil wir dadurch gegenüber dem Bund besser dastehen, und dass wir auch deutlich machen, was wir zu leisten bereit sind und was nicht. Dann können wir dazu beitragen, dass die ses Projekt auch wirklich vorangeht. Denn wir sind in erheb lichem zeitlichen Verzug. Eigentlich müsste das Projekt 2018 fertig sein. Das sah einmal der Vertrag vor, den der Bund mit der Schweiz, mit Frankreich und Italien abgeschlossen hat.

Wenn wir heute Korrekturen vornehmen, müssen wir immer auch bedenken: Tragen die Korrekturen dazu bei, dass das Lärmelend von heute möglichst schnell beseitigt wird, oder kommen wir mit immer neuen Zahlen und Forderungen da zu, dass alles noch viel länger dauert und man am Ende über haupt nicht fertig wird und keine Lösung hat? Das kann auch nicht das Ziel sein. Wir brauchen eine gute, konstruktive Lö sung für das Land, für die Anwohner und natürlich auch für den Güterverkehr.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Her ren, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wir kommen zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung des Antrags Drucksache 15/6723 (Berichtigte Fassung), der in sie

ben Ziffern verschiedene Ersuchen an die Landesregierung enthält. Sind Sie damit einverstanden, über den Antrag insge samt abzustimmen? – Das ist der Fall.

Wer dem interfraktionellen Antrag Drucksache 15/6723 (Be richtigte Fassung) zustimmt, den bitte ich um das Handzei chen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Dem Antrag ist einstimmig zugestimmt.

(Vereinzelt Beifall)

Damit ist Punkt 5 der Tagesordnung erledigt.

Wir treten in die Mittagspause ein. Ich unterbreche die Sit zung bis 15:00 Uhr.

(Unterbrechung der Sitzung: 13:43 Uhr)

(Wiederaufnahme der Sitzung: 15:00 Uhr)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir setzen die Plenarsitzung fort.

Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:

Regierungsbefragung

Nach der Reihung kommt nun zuerst der SPD-Fraktion das Rederecht zu. – Bitte, Herr Abg. Sakellariou, zum Thema

W i r t s c h a f t s s c h u t z

Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen! Baden-Württemberg ist ein Land von großer Wirtschaftskraft und hoher Innovationsfähigkeit. Das belegen die zahlreichen Weltmarktführer im Land, zu denen sowohl Global Players als auch kleine und mittlere Unterneh men gehören. Zu dieser Erfolgsbilanz leisten auch die heraus ragenden Forschungseinrichtungen und Hochschulen einen maßgeblichen Beitrag.

Das Know-how der Firmen und die Exzellenz der Bildungs institutionen wecken allerdings auch Begehrlichkeiten aufsei ten Dritter. Konkurrierende Unternehmen aus aller Welt, aber auch fremde Staaten möchten hiervon sehr gern und möglichst kostengünstig profitieren. In Baden-Württemberg hat der Wirt schaftsschutz deshalb traditionell einen besonders hohen Stel lenwert.

Deshalb frage ich jetzt die Landesregierung: Wie beurteilt die Landesregierung die Gefahr durch Wirtschaftsspionage für baden-württembergische Unternehmen?

Meine zweite Frage: Wie und in welchem Umfang hat das Landesamt für Verfassungsschutz im Bereich Wirtschafts schutz baden-württembergische Unternehmen unterstützt?

Drittens: Wie versucht die Landesregierung, Unternehmen für die Gefahr von Wirtschaftsspionage weiter zu sensibilisieren?

Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Landesregierung erteile ich das Wort Herrn Innenminister Gall.