Protokoll der Sitzung vom 17.06.2015

Jetzt komme ich zu der Frage: Warum ist es gescheitert, oder warum haben wir es jetzt nicht fertiggebracht? Nachdem ich gesagt hatte, dass ich gern in dieser Legislaturperiode damit fertig werden möchte, kamen die Widerstände, vor allem vom Verband Baden-Württembergischer Omnibusunternehmer, von einzelnen Unternehmen. Da unser Anspruch war, es möglichst im Konsens zu lösen, haben wir den Zeitdruck herausgenom men, haben nochmals eine Suchschleife, nochmals einen Dis kurs gemacht. Wir haben aber auch deutlich gemacht: Die Re form muss kommen. Wir brauchen eine europarechtskonfor me Reform. Wir wollen die Grundlagen für einen besseren ÖPNV auf der Straße schaffen. Ich glaube übrigens auch, dass wir dafür mehr Mittel brauchen. Jeder muss wissen: Wenn die Reform kommt, wird man nicht umhinkommen, etwas mehr Geld ins System zu geben. Denn nach 15 Jahren reicht das Geld nicht mehr aus.

An dieser Stelle haben wir uns jetzt verständigt. Wir halten fest, worauf wir uns bisher verständigt haben. Wir halten fest, wo es noch Dissens gibt. Es ist die Aufgabe des nächsten Landtags und der nächsten Regierung, das richtig umzuset zen. Ehrlich gesagt: Ich hätte es gern schon in dieser Legisla turperiode gemacht, habe mich aber sozusagen ein Stück weit dem massiven Widerstand des WBO gebeugt. Denn ich will nicht gegen diejenigen arbeiten, die dort organisiert sind, son dern mit ihnen, weil sie Träger des ÖPNV im ländlichen Raum sind. Ich will, dass sie da mitmachen. Ich bin mir relativ si cher, dass wir da im nächsten Jahr sehr viel weiter kommen, weil man auch dort weiß, dass man den rechtlich nicht halt

baren Zustand nicht mehr länger aufrechterhalten kann, son dern sich da einfinden muss.

In diesem Sinn bin ich zuversichtlich, dass wir eine gute Re form hinbekommen. Denn klar ist doch eines: Wir müssen an gesichts des demografischen Wandels auch die finanziellen Grundlagen für den ÖPNV im ländlichen Raum verbessern.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Das Wort für die CDUFraktion erteile ich Herrn Abg. Köberle.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Lieber Herr Minister, im Unterschied zu Herrn Schwarz ha ben Sie wenigstens etwas zum Thema gesagt. Dafür bin ich schon einmal dankbar. Darüber kann man sich vertieft unter halten. Man kann da ein Stück weit gleicher Meinung sein und in dem einen oder anderen Thema unterschiedlicher Meinung sein.

Aber eines, lieber Herr Minister, halte ich einfach für nicht angemessen. Sie sagen, wir hätten zehn Jahre Zeit gehabt, hier eine Reform vorzunehmen. Sie wissen ganz genau, dass für jede notwendige Reform ein bestimmter Zeitpunkt der richti ge ist. Manche Themen entwickeln sich im Laufe der Jahre, werden dann zum Problem und müssen dann einer Reform zugeführt werden.

Wir hatten 2007 – übrigens im Konsens mit den Betroffenen – die Pauschalierung eingeführt. Das war 2007 ein richtiger Schritt. Dass dann aber 2010, 2011, 2012, 2013 die Schiefla ge immer deutlicher wurde, hat Sie dann in Regierungsver antwortung vor eine neue Aufgabe gestellt. Das wäre uns ge nauso ergangen, wenn wir in Regierungsverantwortung ge blieben wären. Also: Alles zu seiner Zeit. Das betrifft natür lich auch Reformen.

Der Kollege Schwarz hat hier eine Jubelarie über das Busland Baden-Württemberg angestimmt. Das ging eigentlich kom plett am Thema vorbei. Ihre Ausführungen, Herr Schwarz, gingen an unserem Antrag völlig vorbei. Ich bin bloß dank bar, dass Sie nicht auch noch behauptet haben, dass nach 2011 der Omnibus erfunden worden wäre. Das ist eindeutig schon einige Jahre vorher passiert.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU)

Kernpunkt des Themas, lieber Kollege Schwarz und lieber Herr Minister, ist ja Ihr Anspruch, anders zu regieren, als wir es getan haben, in die Betroffenen hineinzuhören. Wenn Sie bei diesem Thema in die Betroffenen hineinhören, dann stel len Sie ganz deutlich einen sehr großen Frust darüber fest, wie mit diesem Thema umgegangen wurde. Das hat schon mit der Frage der zeitlichen Taktung zu tun. Sie haben massiv Druck gemacht. Ich verstehe das ein Stück weit. Sie wollten einen Schritt vorankommen. Da steckt auch etwas Ungeduld dahin ter. Aber in dieser Situation war dieses Vorgehen eigentlich ziemlich ungeeignet.

Wenn Sie jetzt sagen, wir hätten nun alle Zeit der Welt, dann sollten Sie uns vielleicht auch noch sagen, was momentan ge schieht. Wenn nämlich gar nichts geschieht, dann kommen wir auch nicht vorwärts. Ich habe den Eindruck, dass seit dem

Scheitern des runden Tisches in dieser Sache nichts mehr pas siert. Auch das macht die Betroffenen zunehmend unruhig, weil sie natürlich genauso Planungssicherheit und Zukunfts sicherheit haben wollen wie wir, die wir in der Politik Verant wortung tragen.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Meine Damen und Her ren, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wir kommen zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung des Antrags Drucksache 15/5077 (Geänderte Fassung).

Abschnitt I des Antrags ist ein Berichtsteil und kann für erle digt erklärt werden.

Abschnitt II des Antrags ist ein Beschlussteil, der ein Ersu chen an die Landesregierung enthält. Wird Abstimmung über Abschnitt II gewünscht? – Das ist der Fall. Wer Abschnitt II zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstim men? –

(Abg. Peter Hauk CDU: Warum?)

Enthaltungen? – Damit ist Abschnitt II mehrheitlich abge lehnt.

(Abg. Peter Hauk CDU: Warum? – Gegenruf des Abg. Claus Schmiedel SPD: Das ist immer so! – Ge genruf des Abg. Peter Hauk CDU: Was ist das für ei ne Antwort?)

Somit ist Punkt 8 der Tagesordnung erledigt.

Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf:

Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des In nenministeriums – Inklusion in der Polizei – Drucksache 15/5120

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat folgende Rede zeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.

Das Wort zur Begründung erteile ich für die SPD-Fraktion Herrn Abg. Hinderer.

Frau Präsidentin, werte Kolle ginnen und Kollegen! Für das Gelingen der Inklusion von Menschen mit einer Behinderung sehe ich drei wesentliche Handlungsfelder, die es in den Blickpunkt der Landespolitik zu nehmen gilt. Das ist zum Ersten die Inklusion in der Bil dung auf allen Ebenen, zum Zweiten die Inklusion im Bereich des Wohnens und zum Dritten die Inklusion in der Arbeits welt.

Bei der Entwicklung und Ausgestaltung einer inklusiven Ar beitswelt hat das Land als größter Arbeitgeber im Land sicher Vorbildcharakter. Dies gilt selbstverständlich auch für den Be reich der Innenverwaltung, für den Bereich der Polizei mit ih rem nach der Lehrerschaft und der Wissenschaft drittgrößten Personalkörper unter den Landesbediensteten.

Mehr als 1 400 Beschäftigte mit einer Schwerbehinderung oder gleichgestellte Personen leisten bei der Polizei ihren Dienst. Da gilt es zunächst festzuhalten: Sowohl im gesam ten Bereich der Innenverwaltung mit 6 % als auch im Bereich der Polizei im engeren Sinn mit über 5 % wurde in den Jah ren 2013 und 2014 die gesetzliche Schwerbehindertenquote erreicht. Das ist positiv.

Sicher ist eine behinderungsgerechte Ausgestaltung von Ar beitsplätzen im Polizeivollzugsdienst mit besonderen Anfor derungen verbunden. Im Einsatzbereich gibt es mitunter auch Grenzen, beispielsweise im Hinblick auf das Erfordernis größt möglicher körperlicher Leistungsfähigkeit. Aber auch hier gibt es immer wieder Ausnahmen, die zeigen, dass eine Behinde rung der uneingeschränkten Polizeidienstfähigkeit nicht im Weg steht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, vielleicht erinnern Sie sich an das Beispiel, das durch die Presse ging: Ein aufgrund ei ner Unterschenkelamputation behinderter Polizist bekam den noch eine uneingeschränkte Polizeidienstfähigkeit beschei nigt. Dies sind positive Beispiele, die es auch immer wieder zu würdigen und in der Öffentlichkeit vorzustellen gilt.

Zudem gibt es eine ganze Menge von polizeilichen Hand lungsfeldern, wo durch Kopfarbeit physische Einschränkun gen hervorragend kompensiert werden können. Ich denke z. B. an den gesamten Bereich der Bekämpfung der Cyberkrimina lität, die zunehmend an Bedeutung gewinnt. Hier können ei ne Vielzahl von Expertinnen und Experten beschäftigt wer den, die nicht dem Polizeivollzugsdienst angehören. Für die Einstellung in den Landesdienst ist daher in diesem Fall auch nicht den gesundheitlichen Anforderungen der Polizeidienst vorschrift 300 vollumfänglich Rechnung zu tragen.

Wir möchten die Stellungnahme der Landesregierung zum Anlass nehmen, alle Verantwortlichen in der Polizei zu ermun tern, mit gutem Willen, mit Kreativität und mit Verantwor tungsbewusstsein dafür Sorge zu tragen, dass auch weiterhin Menschen mit einer Behinderung im Polizeidienst eine geeig nete Verwendung finden und die Einsatzmöglichkeiten weiter ausgebaut werden.

Dazu gehört für uns auch die Bereitstellung einer geeigneten Infrastruktur. Das fängt bei den Hilfsmitteln an und geht bis hin zur Barrierefreiheit von Dienststellen und IT-Anwendun gen. Wir bitten darum, dass dort, wo saniert, umgebaut oder neu gebaut wird oder wo neue Software zum Einsatz kommt, immer auch dem Aspekt der Barrierefreiheit in hohem Maß Rechnung getragen wird.

Gerade im Kontext der erforderlichen Baumaßnahmen im Zu sammenhang mit der Polizeistrukturreform bieten sich gute Möglichkeiten, in Sachen Barrierefreiheit weitere Schritte vo ranzukommen.

Im Übrigen dürfen wir an dieser Stelle dankend feststellen, dass bei der Umsetzung der Polizeistrukturreform durch das vorbildliche Interessenbekundungsverfahren den Belangen von schwerbehinderten Bediensteten in hohem Umfang Rech nung getragen wurde. Uns sind mit Blick auf Polizistinnen und Polizisten sowie auf die weiteren Polizeibeschäftigten, die mit einem Handicap leben müssen, keine besonderen Här ten bekannt geworden. Auch vonseiten der Hauptschwerbe

hindertenvertretung, die eng in die Projektarbeit zur sozial verträglichen Umsetzung der Polizeireform eingebunden war, sind uns keinerlei Klagen bekannt.

Deshalb möchte ich für die SPD-Fraktion abschließend unse rem Innenminister und der Polizeiführung für die Berücksich tigung der besonderen Belange der schwerbehinderten Be schäftigten in der Polizei und ganz speziell der schwerbehin derten Polizistinnen und Polizisten danken.

Ganz herzlich danken wir auch allen Schwerbehindertenver treterinnen und -vertretern, die sich mit großem Engagement für die Interessen ihrer Kolleginnen und Kollegen einsetzen. Wir wünschen uns, dass diese mit ihrem professionellen Ein satz dazu beitragen werden, dass in den Dienststellen und Ein richtungen der Polizei die Beschäftigungsquote von Schwer behinderten auch in den kommenden Jahren erfüllt und viel leicht sogar noch etwas gesteigert werden kann.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Zuruf von der SPD: Bravo!)

Für die SPD-Fraktion – –

(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Oh, ein Wechsler! – Vereinzelt Heiterkeit)

Für die CDU-Fraktion

(Abg. Thomas Blenke CDU zur SPD: Ich habe schon schwer geschluckt! Aber ihr sicher auch! – Gegenruf des Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Ja!)

erteile ich das Wort Herrn Abg. Blenke.

Frau Präsidentin, werte Kolle ginnen und Kollegen! Seit dem Jahr 2008 berichtet die Lan desregierung bereits – seinerzeit auf Antrag der CDU-Frakti on – jährlich über die Beschäftigung schwerbehinderter Men schen in der Landesverwaltung. Der Hintergrund war für uns Antragsteller seinerzeit, dass wir hinsichtlich der Gestaltung einer inklusiven Arbeitswelt durchaus eine Vorbildfunktion der Landesverwaltung sehen. Insofern ist es durchaus anzu erkennen und positiv, dass die SPD-Fraktion hier einmal eine Abfrage speziell für die Polizei initiiert hat. Denn – Kollege Hinderer hat es eben schon ausgeführt – die Polizei ist mit an deren Verwaltungsbereichen bezüglich ihrer beruflichen An forderungen nicht vergleichbar.

Deshalb ist auch die Einstellung in den Polizeivollzugsdienst speziell geregelt, und zwar in einer Polizeidienstvorschrift. Die Polizei wäre nicht die Polizei, wenn sie hierfür nicht auch eine Abkürzung hätte: PDV 300 heißt diese Vorschrift. Darin ist geregelt, dass die Erfüllung besonderer Anforderungen an die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit sowie an die seelische Belastbarkeit Einstellungsvoraussetzung für die Be werber ist. Dies gilt damit für den größten Teil des Personal körpers der Polizei. Es sind Einstellungshürden, die Menschen mit Behinderung zumindest in sehr vielen Fällen nur schwer überwinden können.