Herr Kollege Klein, können Sie mir vielleicht sagen, wie jetzt nach den Oberbür germeisterwahlen vom vergangenen Sonntag die Lage in der Bundesrepublik Deutschland ist? Wie viele Oberbürgermeis ter stellt die CDU in Deutschland in Städten mit über 500 000 Einwohnern und wie viele die FDP?
(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Das stimmt nicht! Haben Sie schon einmal etwas von Dresden gehört?)
Bei den Grünen, meine sehr geehrten Damen und Herren, lie be Kolleginnen und Kollegen, kann ich eine solche Initiative nur schwer nachvollziehen. Da durchstreift, möchte ich sa gen, Herr Ministerpräsident Kretschmann die Weite der USA und vor allem Kanadas und kehrt dann natürlich mit dem Frei heitsgedanken zurück, die Altersgrenzen für Bürgermeister abzuschaffen und den Bürgern mehr Freiheitsrechte zuzuge stehen.
Das ist schon erstaunlich; denn seine grüne Partei in BadenWürttemberg und vor allem in Deutschland ist es, die den Bür gern am liebsten alles, angefangen beim überdachten Fahr radabstellplatz bis zum Veggie Day, vorschreiben will.
Will da jemand Wiederwahlen von bestimmten Oberbürger meistern – Herr Dr. Rülke hat es angesprochen – im Land er möglichen, die ansonsten über der Altersgrenze liegen wür den?
Nichts anderes ist Ziel des Vorschlags der Regierungsfraktio nen, die Wiederwahlgrenze nun auf 67 Jahre anzuheben, aber dann spätestens mit 73 Jahren das Ausscheiden aus dem Amt festzulegen. Was macht das für einen Sinn, mit 67 anfangen zu können und mit 73 zwangsweise aus dem Amt wieder aus zuscheiden?
Das ist ein durchsichtiger und zugleich parteiideologisch be setzter Kompromiss, der wenig mit fachlicher Logik und vor allem auch wenig mit Realitätssinn zu tun hat.
Ich war selbst über 20 Jahre lang Bürgermeister und spreche deshalb aus eigener Erfahrung. Schon damals bei meinem Amtsantritt habe ich mir gesagt: Hoffentlich findest du ein mal in fortgeschrittenem Alter auch die Kraft, zu bestimmen, wann du dieses schöne Amt beendest, bevor es dir die Wäh ler nicht mehr zutrauen bzw. durch eine Wahl entziehen. Das tut dir persönlich, aber das tut auch einer Gemeinde nach meh reren Wahlperioden gut.
Die bisherige Regelung in Baden-Württemberg hat sich be währt und wirkt gerade auch im Hinblick auf den natürlichen
Alterungsprozess von uns Menschen wie eine Schutzvor schrift. Es gab und gibt keinen Aufschrei hier im Land – we der von den Bürgerinnen und Bürgern noch vom Landkreis tag noch vom Städtetag noch vom Gemeindetag – und auch keine Forderung, die Altersgrenze für Bürgermeister abzu schaffen – höchstens von einigen wenigen, die sich für uner setzlich und unverzichtbar in unserem Land halten.
Irgendwann ist es einmal genug. Die Schutzvorschrift, die es ermöglicht, anerkannt von der Gesellschaft in den Ruhestand gehen zu können und dem unaufhaltsamen biologischen Al terungsprozess Rechnung zu tragen, sollte greifen.
Deshalb kommt derzeit auch niemand auf die Idee, eine ge setzliche Altersgrenze nicht nur für Bürgermeister wieder auf zuheben. Mit einer gesetzlichen Altersgrenze gibt niemand ei ne Freiheit auf, sondern man gewinnt eine persönliche Frei heit hinzu.
Allerdings braucht es für Bürgermeister auch keine zwei Al tersgrenzen, eine für die Wiederwahl und eine für die Been digung der Amtszeit. Das bringt eine achtjährige Amtszeit au tomatisch mit sich. Deshalb sollte ein Bürgermeister, wenn er von den Bürgerinnen und Bürgern wie bisher vor dem 65. Le bensjahr gewählt worden ist, frei bestimmen können, wann er seine Amtszeit beendet.
Er soll auch bestimmen können, dass er seine Amtszeit zu En de führen kann. Dann würde ein Bürgermeister spätestens mit 73 Jahren aus dem Amt scheiden.
Eine entsprechende Gesetzesinitiative dazu werden wir bei den weiteren Beratungen einbringen. Diese wird außerdem ei ner steigenden Lebensarbeitszeit gerecht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Schluss möchte ich zu bedenken geben, dass manche Demokratien bestimmte poli tische Ämter bewusst nur auf Zeit und bewusst auch nur mit der Vorgabe bestimmter Altersgrenzen vergeben. Manche Ver bände wären froh, wenn Amtszeiten begrenzt wären und Al tersgrenzen bestehen würden. Die FIFA lässt als treffliches Beispiel grüßen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, deshalb sollte Be währtes nicht ohne schlüssige Gründe einfach aufgegeben werden.
Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen! Die Fraktion GRÜNE steht einer Lo ckerung der Altersgrenze für Bürgermeisterinnen und Bürger meister sehr aufgeschlossen gegenüber.
Das bringt mehr Freiheit für die Wählerinnen und Wähler in den Kommunen. Das fügt sich ein in die kommunalfreundli che Politik, die wir in der Koalition praktizieren. Ich kann an das anknüpfen, was Kollege Klein gesagt hat: Ausbau der frühkindlichen Bildung, mehr Zuwendungen für die kommu nalen Krankenhäuser, mehr Mittel für den Unterhalt von Stra ßen.
Wir haben die Mittel für die Kommunen deutlich erhöht. Die Änderung des Landeskommunalbesoldungsgesetzes geht auf eine Gesetzesinitiative der Fraktion der SPD und der Frakti on GRÜNE zurück, sodass die Bürgermeisterbesoldung in den größeren Kommunen angehoben und ein Zuschlag ab der drit ten Amtsperiode eingeführt worden ist. Insofern ist es konse quent, dass wir uns heute über die Lockerung der Altersgren ze für Bürgermeisterinnen und Bürgermeister unterhalten.
Wir meinen, die Bürgerinnen und Bürger brauchen ein größe res Maß an Freiheit. Sie sollen selbst entscheiden können, ob sie einer älteren Kandidatin bzw. einem älteren Kandidaten ihr Vertrauen aussprechen oder einer jüngeren Person den Vor zug geben. Wir wollen die Mitwirkungsrechte der Bürgerin nen und Bürger bei der Besetzung von Leitungspositionen in den Kommunen stärken.
Herr Rülke, nun haben Sie einen Gesetzentwurf vorgelegt. Ich dachte, Sie freuen sich, wenn ich Sie gegenüber der Presse lo be
und sage: „Das war ein richtiger Rülke. Rülke versucht ein mal wieder, den wahren Oppositionsführer im Landtag zu spielen.“ Sie greifen ein Thema auf und bringen einen unfer tigen, einen nicht zu Ende gedachten Gesetzentwurf in den Landtag ein.
Herr Rülke, das haben Sie schon öfter probiert, insbesondere bei innenpolitischen Themen. Das hatten wir schon einmal bei den Themen Jugendgemeinderat und „Spekulationsverbot in den Kommunen“.