Wir wissen natürlich auch – das ist eine alte Weisheit –: Wer Inklusion nicht will, der findet Gründe,
Für diese Wege braucht es Weichenstellungen, damit sie er möglicht werden. Die eine Weichenstellung ist die gesetzli che Weichenstellung; da sind wir, meine ich, auf einem sehr guten Weg. Die Anhörung ist ja dokumentiert.
Die zweite Weichenstellung ist natürlich die entscheidende: Dies ist die Weichenstellung in den Köpfen. Nachdem wir heute Vormittag über die Ergebnisse des Jugendlandtags de battiert haben, kann man an dieser Stelle vielleicht von jun gen Menschen lernen. Ich nenne zwei Beispiele aus meinem Umfeld:
Das erste Beispiel ist meine Tochter, die im Alter von 14 Jah ren erstmals in einem inklusiven Setting ein Praktikum ge macht hat. Ich habe sie am Ende der Woche dann gefragt: „Was war denn für dich das Entscheidende?“ Da hat sie ge sagt: „Weißt du was? Das Recht auf Inklusion haben nicht bloß die Behinderten, das habe auch ich.“ Das war das erste Beispiel.
Das zweite Beispiel: Ein Vater, dessen Tochter vor Kurzem in eine inklusive Kita aufgenommen wurde, hat seine Tochter nach den ersten Tagen dort gefragt: „Wie ist es denn? Wie ge fällt es dir?“ Die Tochter antwortete: „Mir gefällt es gut.“ Der Vater sagte dann: „Ja, aber ihr habt da ja auch ganz viele Kin der, die behindert sind. Wie ist denn das mit diesen Kindern? Sitzen manche von ihnen im Rollstuhl? Die sind dann ja ein geschränkt.“ Darauf sagte die Tochter nur: „Ha, Kinder halt.“ Der Vater sagte zu mir: „An dieser Stelle habe ich etwas ka piert.“
Ich hoffe, heute kapieren alle etwas, und ich hoffe, wir alle nehmen die richtige Weichenstellung vor.
Meine Damen und Herren von der Opposition, die SPD-Fraktion wird heute sämtliche Ihrer 25 Anträge ablehnen.
Denn wir empfinden diese als ein nicht ernst gemeintes An gebot. Wer am Vorabend der Plenarsitzung 25 Anträge ein reicht, die fundamentale Änderungen begehren und deren An nahme finanzielle Auswirkungen auf den Landeshaushalt hät te, aber keinen einzigen Deckungsvorschlag beifügt
sowie keine fundierte rechtliche Bewertung zulässt, dem ist Effekthascherei wichtiger als seriöse Politik.
Das heutige Thema hätte das Gegenteil verdient. Wir halten die schiere Masse von 25 Anträgen – die sich inhaltlich in Tei len doppeln und manchmal sogar auch widersprechen – für reinen Aktionismus
Es ist der klägliche Versuch, sich mit populistischen und wohl feilen Forderungen zu schmücken, um von der eigenen Kon zeptionslosigkeit abzulenken.
Aber so einfach werde ich es Ihnen nicht machen. Vielmehr möchte ich in der zweiten Runde die Gelegenheit nutzen, den einen oder anderen Antrag im Lichte der Vergangenheit zu be leuchten. So möchte ich beispielsweise das heutige Oppositi onsgehabe mit der Zeit Ihrer eigenen Regierungsverantwor tung vergleichen. Grundlage meiner Vergleiche bilden jeweils die aktuellen Anträge und die Schulversuchsverordnung aus dem Jahr 2010, die der damalige Ministerrat als Basis einer inklusiven Schulgesetzgebung vorgegeben hatte.
kann im besonders begründeten Ausnahmefall... im Rah men der insgesamt zur Verfügung stehenden Lehrerwo chenstunden die Bildung einer zusätzlichen Klasse geneh migt werden.
2010 war von „gleichwertigen Rahmenbedingungen“ keine Rede; nicht einmal der Klassenteiler wurde automatisch aus gelöst.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen – Abg. Wolfgang Drexler SPD: So ist es! – Abg. Claus Schmiedel SPD: So sieht es aus!)
Zweites Beispiel: Heute fordern CDU und FDP/DVP „gleich berechtigte Teilhabe der Privatschulen und eine angemessene finanzielle Ausstattung“. 2010 hieß dies recht unverbindlich:
Zum Thema Finanzierung hieß es seinerzeit auf Seite 11 der Verordnung wörtlich – bitte genau zuhören, Herr Wolf –: Es
muss sichergestellt sein, dass die private allgemeine Schule keinen Zuschuss erhält. Der Träger der privaten allgemeinen Schule hat eine entsprechende Verzichtser klärung gegenüber dem Staatlichen Schulamt abzugeben.
Kein Zuschuss, Verzichtserklärung – das bedeutete bei Ihnen vor fünf Jahren „auskömmliche Ausstattung der Privatschu len“.
(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sie wollen doch gar keine Privatschulen! – Gegenruf des Abg. Dr. Ste fan Fulst-Blei SPD: Das tut weh, oder?)
Heute fordert die CDU das Tandemprinzip an der allgemei nen Schule und eine stabile Unterrichtsversorgung an sonder pädagogischen Bildungs- und Beratungszentren. Im Schul versuch – das betraf immerhin den Bereich von fünf Staatli chen Schulämtern – haben Sie Sonderpädagogen aus den SBBZ abgezogen, und Sie haben keine zusätzlichen Lehrer eingestellt, auch nicht bei Ihrer berühmten Bildungsoffensi ve.
Diese wenigen Beispiele veranschaulichen die Art der Oppo sition, Stimmung gegen ein Gesetz zu machen, das schulrecht liche und finanzielle Zugeständnisse weit über die bisherigen Schulversuchsbestimmungen hinaus macht und die Kommu nen eng einbindet. Immer dann, wenn es um ernsthafte poli tische Verantwortung geht, ducken Sie sich weg.
Das war damals bei der Ausgestaltung der Schulversuchsbe dingungen so, und es zeigt sich heute mit der Flut von Anträ gen, die beliebig noch mehr fordern. So fordern Sie einen Om budsmann, Elternlotsen in Stadt- und Landkreisen, eine wis senschaftliche Evaluation. Das hätten Sie selbst machen kön nen! Warum haben Sie es denn nicht gemacht?
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Bei Ihnen gäbe es gar keine Sonderpädagogen mehr!)
Ich möchte Sie daher abschließend noch einmal zur Vernunft aufrufen und möchte Ihnen anbieten, diesen historischen Mo ment mit uns zu teilen und die Abschaffung der Sonderschul pflicht als breiten gesellschaftlichen Konsens in die Schulge schichte Baden-Württembergs einfließen zu lassen.