Protokoll der Sitzung vom 30.09.2015

Ich will noch einmal darauf hinweisen: Alle diese Änderun gen zur Bürgerbeteiligung haben wir interfraktionell verein bart. Es war schon immer klar, dass die Koalition über das hi naus, was die Bürgerbeteiligung angeht, Weiteres vorantrei ben wird. Das war Geschäftsgrundlage unserer interfraktio nellen Arbeitsgruppe. Gleichwohl, denke ich, ist es schon ein Novum, dass die Regierungsfraktionen sagen: Bei einfachge setzlichen Regelungen bieten wir der Opposition den Schul terschluss an. Denn wir hätten in der Gemeindeordnung alles auch allein regeln können. Herr Hollenbach, da müssen wir künftig fair miteinander umgehen. Ich bin sehr gespannt, ob die CDU vertragstreu ist – das wird sich bei der zweiten Le

sung zeigen – oder ob die CDU-Fraktion Wortbruch begeht, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den Grünen – Widerspruch bei der CDU)

Wir haben Respekt vor den 20 000 in den Gemeinderäten eh renamtlich Tätigen sowie den 2 300 ehrenamtlichen Mitglie dern in den Kreistagen. Da gibt es ein beachtliches Engage ment. Wir stärken die Mitwirkungsrechte der Gemeinderäte und Kreistagsmitglieder, indem sie einfacher Themen auf die Tagesordnung setzen können, indem sie sich zu Fraktionen zusammenschließen können, indem sie sich im Amtsblatt äu ßern können, auch indem – der Innenminister hat es angespro chen – niemand, der Kinder hat, die eine Beaufsichtigung brauchen, oder der Angehörige hat, die er zu pflegen hat, dort von einem Engagement ausgeschlossen sein soll, sondern dass in der Kommunalpolitik alle mitmachen dürfen. Bürgerbetei ligung auf breite Schultern zu stellen, das ist Ziel dieses Ge setzentwurfs, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Wir sind behutsam vorgegangen. Wir sagen: Das Land bildet den Rahmen – die Erstattung der Aufwendungen für die Kin derbetreuung, das ist unser Ziel –, und darüber, wie das statt findet, wie das nachher gemacht wird, entscheidet jede Kom mune selbst. Da haben die Gemeinderäte vor Ort einen gro ßen Spielraum.

Dieses Gesetz stärkt die repräsentative Demokratie, die Ge meinderäte, die Kreistagsmitglieder, und es baut unsere direk te Demokratie und Bürgerbeteiligung aus – eine runde Sache.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Heiler das Wort.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Jetzt sind wir mal ge spannt!)

Herr Präsident, meine sehr verehr ten Damen und Herren! Herr Kollege Hollenbach, ich weiß, Sie waren 40 Jahre lang Bürgermeister im schönen Murr.

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: Erfolgreicher!)

Sie waren erfolgreicher Bürgermeister. – Aber als ich hör te, was Sie heute gesagt haben, hatte ich manchmal den Ein druck, die CDU hat Angst vor den Bürgern.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Widerspruch bei der CDU – Abg. Claus Schmiedel SPD: Ja!)

Wir schaffen mehr Rechte für die Bürgerinnen und Bürger, wir ermöglichen mehr Bürgerbeteiligung.

Eines darf ich Ihnen noch vorweg sagen: Die Gemeindeord nung von Baden-Württemberg – so, wie sie jetzt ist – stellt in der Tat ein gutes Instrumentarium für alle Beteiligten dar: für die Verwaltung, für die Bürgermeister, für die Gemeinderäte. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, nichts ist so gut, als dass es nicht noch besser gehen würde.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Deshalb haben wir uns in sehr vielen Diskussionen auf Fol gendes geeinigt – ich brauche das jetzt nicht alles zu wieder holen –: Wir wollen mit diesem Gesetz die direkte Demokra tie fördern. Wir stärken die Fraktionen, wir stärken ihre Rech te in den kommunalen Gremien, und damit stärken wir auch den Gemeinderat insgesamt. Wir bieten einen besseren Schutz von Minderheitenrechten, wir leisten einen Beitrag zur Ver einbarung von Familie und Beruf, wir würdigen und unter stützen die Arbeit der ehrenamtlich Tätigen, und wir verbes sern die Transparenz der Arbeit in kommunalen Gremien, die zu mehr Bürgerfreundlichkeit führt; wir stärken ferner die Rechte der Kinder und Jugendlichen.

Ich will darauf hinweisen – Herr Hollenbach, Sie haben dazu keinen Satz gesagt –, dass es dazu einen gemeinsamen An trag, einen interfraktionellen Antrag, aus dem Jahr 2013 gibt, nämlich den Antrag Drucksache 15/3332. Für mich ist es ein wesentlicher Punkt, dass wir die Rechte von Jugendlichen stärken, und das ist ziemlich genau das, was damals zu dieser interfraktionell getragenen Entschließung führte. Gerade in Richtung Kinder und Jugendliche will ich sagen – dazu darf ich aus der Antragsbegründung zitieren –:

Demokratie kann am besten gelernt werden, indem sie nicht nur gelehrt, sondern auch praktisch erlebbar wird.

Wir leisten also auch hier einen enorm wichtigen Beitrag, lie be Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Zur Bürgerbeteiligung will ich nicht mehr viel sagen. Das wurde hier alles dargelegt. Interfraktionell hat man sich geei nigt.

Nur, Herr Kollege Hollenbach, eines sei hier zu sagen gestat tet: Sie haben nur die Bürgerversammlung bzw. die Einwoh nerversammlung genannt. Wir gehen da einen Schritt weiter: Es gibt künftig auch einen Einwohnerantrag. Das ist ein rie sengroßer Unterschied zum Bürgerantrag. Das heißt, wir stär ken hier auch die Rechte der Bürgerinnen und Bürger, die nicht die Staatsangehörigkeit eines EU-Mitgliedsstaats haben.

Die Bildung von Fraktionen wird erstmals in der Gemeinde ordnung erwähnt. Da gilt für uns natürlich, dass die kommu nale Selbstverwaltung ein sehr hohes Gut ist. Denn wir über lassen es den Gemeinderäten, zu entschieden, wie dies nach her im Einzelnen durchgesetzt wird.

Wir wollen die Minderheitenrechte in kommunalen Gremien stärken. Künftig kann eine Fraktion oder ein Sechstel der Ge meinderäte bzw. Kreisräte die Aufnahme eines Verhandlungs gegenstands auf die Tagesordnung beantragen.

Wir stärken ferner die Rechte der Mitglieder von Gemeinde- und Kreisräten hinsichtlich der Erstattung von Aufwendun gen für Kinderbetreuung. Herr Kollege Hollenbach, an die sem Thema will ich Ihnen einmal zeigen: Wir wollen durch unser Gesetz künftig gewährleisten, dass das in den Gemein den geregelt wird. Sie haben zu Recht gesagt: Das kann man; wir haben es z. B. bei uns in Waghäusel getan. Aber ich be haupte, dass der ganz überwiegende Teil der Kommunen in Baden-Württemberg das gerade noch nicht gemacht hat. Des halb ist dieses Gesetz, wie ich denke, auch notwendig.

Gleiches gilt für die Frist von sieben Tagen für die Zusendung der Sitzungsunterlagen. Es heißt übrigens: „in der Regel min destens sieben Tage vor dem Sitzungstag“. Damit werden die Rechte des Gemeinderats gestärkt. Wir haben im gemeinsa men Gespräch mit dem Städtetag erfahren: Es gibt Kommu nen, in denen es zwei, drei Tage sind. Das ist unseres Erach tens zu wenig; deshalb: „in der Regel... sieben Tage“. Wir be lassen es dabei: Die Gemeinden können – das schreiben wir im Gesetz auch fest – festlegen, ob in den Ausschüssen in öf fentlicher oder nicht öffentlicher Sitzung vorberaten wird.

Jetzt will ich noch ganz kurz drei Punkte benennen. Wir wer den gemeinsam mit den Grünen auch noch drei Änderungs anträge einbringen. Wir wollen die bestehenden antiquierten Hinderungsgründe abschaffen; denn es versteht kein Mensch, dass in Gemeinden bis 10 000 Einwohner nicht zwei Brüder, zwei Schwestern – was weiß ich – im Gemeinderat sein kön nen. Wir überlassen es den Wählerinnen und Wählern, künf tig zu sagen, wen sie im Gemeinderat haben wollen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Das Gleiche gilt auch, wenn man mit dem Bürgermeister oder Oberbürgermeister verwandt ist. Auch da soll es keine Hin derungsgründe mehr geben.

Weiter wollen wir den Kommunen ermöglichen, ihre öffent lichen Bekanntmachungen auch über das Internet vorzuneh men, damit sie dann verbindlich werden. Auch dies ist eine Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung.

Der dritte Punkt – das haben wir heute Morgen besprochen – ist die Anhebung der Altersgrenze für die Kandidatur von Oberbürgermeistern und Bürgermeistern, Landräten usw.

Insgesamt schaffen wir mit diesem Gesetz die notwendige Modernisierung der Demokratie auf der kommunalen Ebene. Ich freue mich auch schon auf die Behandlungen im Innen ausschuss und dann in der zweiten Lesung.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Für die FDP/DVP-Frak tion erteile ich das Wort Herrn Abg. Professor Dr. Goll.

Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Es ist schon einiges zu dem im Entwurf vorliegenden Gesetz gesagt worden, aber es sind auch aus un serer Sicht natürlich noch einige Bemerkungen zu machen.

Das Gesetz hat eigentlich zwei Teile. Teil A: Ergebnis der in terfraktionellen Abmachungen, die im Konsens stattgefunden haben. Jetzt sage ich in Klammern dazu: Es deutet sich an, dass über einen Punkt noch einmal zu reden sein wird; auf den komme ich gleich zurück. Aber zunächst einmal war das ei ne gute Sache; das möchte ich auch sagen. Wir haben das in ordentlicher Atmosphäre zustande gebracht. Aber gerade des wegen waren wir auch überrascht, dass dann auf einmal in Teil B ein ganzer Sack voll Regelungen kam,

(Zuruf von der CDU: So ist es!)

die uns – so sagen wir jetzt einfach einmal – überrascht haben.

Lieber Herr Schwarz, ich komme auf das Stichwort zurück. Ich wäre ganz vorsichtig, von Vertragsbruch zu reden, wenn ich es so machen würde, wie Sie es mit diesem zweiten Teil gemacht haben.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU)

Da haben Sie also einige Materien draufgesattelt. Schauen wir uns die nur kurz an, auch um im Rahmen der Zeit zu bleiben. Da steht halt einiges im Gesetzentwurf drin; daher verstehe ich schon, dass auch die Vorredner an die Zeitgrenzen gesto ßen sind.

Stichwort Jugendbeteiligung: Das ist natürlich eine gute Sa che. Man könnte sich höchstens darüber ein bisschen gelinde amüsieren, dass wir, die FDP/DVP-Fraktion, vor, wie ich mei ne, zwei Jahren einen Vorschlag dazu gemacht haben, den Sie mit der sinnigen Begründung abgebügelt haben, nicht in die Rechte der Gemeinden eingreifen zu wollen. Jetzt bringen Sie selbst eine Regelung, die sogar einen Tick weiter eingreift als die, die wir auf den Tisch gelegt hatten. Das stellen wir nüch tern fest. Das ist ja auch nicht gerade das ganz überzeugende Vorgehen.

Dann sind Sachen dabei, die wir schlicht und einfach für falsch und daneben halten. Falsch und daneben ist z. B., je den „Einzelkämpfer“ – ich war das übrigens auch einmal, im Salemer Gemeinderat, aber ich sage es trotzdem – zur Frak tion zu machen. Das ist Blödsinn. Das geht nicht.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Andreas Schwarz GRÜNE meldet sich. – Glocke des Präsidenten)

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Schwarz?

Ich mache es genauso: am Schluss, bitte.

Auch die Regelungen zur Amtszeit der Gemeinderäte sind doch im Grunde genommen ziemlich unsinnig und überflüs sig.