Vor allem gibt es diesen Konsens nicht, Herr Ministerpräsi dent, wenn Sie sich jetzt zurücklehnen wollen und erklären: „Wir haben jetzt alle notwendigen Maßnahmen umgesetzt. Wir haben gehandelt.
Jetzt ist es gut. Jetzt bedarf es keiner weiteren Handlungen mehr.“ Das ist falsch, Herr Ministerpräsident. Genau nach die sem Prinzip haben Sie in der Vergangenheit gehandelt, und deshalb haben wir die Probleme. Nein, wir erwarten voraus schauendes Handeln, und es bedarf weiterer Maßnahmen in dieser Situation, sonst wird nämlich die Situation noch prob lematischer, meine Damen und Herren.
Ich komme sofort darauf, Herr Lede Abal. Ich bin auch ab solut darum bemüht, die Wahrheit und nichts als die Wahrheit zu sagen, wenn ich jetzt gleich diese Maßnahmen aufzähle.
Herr Ministerpräsident, Sie haben gesagt, Sie unterstützten die Bundeskanzlerin auf europäischer Ebene. Aber das, was die Bundeskanzlerin bislang auf europäischer Ebene erreicht hat, ist zu wenig.
Es ist doch wirklich ein Witz, meine Damen und Herren, wenn ein Land wie Polen mit seiner großen Fläche und seiner rela tiv dünnen Besiedlung gerade einmal 4 500 Flüchtlinge auf nimmt. So viele kommen in zwei Tagen nach Baden-Würt temberg. Das ist doch kein Erfolg, meine Damen und Herren. Da muss man doch in aller Deutlichkeit sagen: Das reicht nicht. Es kann auch nicht sein, meine Damen und Herren – darüber sollten wir sehr ernsthaft nachdenken, wenn wir die Akzeptanz der Bevölkerung und des deutschen Steuerzahlers
erhalten wollen –, dass einerseits der deutsche Steuerzahler bei der Eurorettung Solidarität mit anderen europäischen Staa ten an den Tag legt, aber andererseits, wenn es um die Solida rität in der Flüchtlingsfrage geht, Deutschland mit Schweden und Österreich allein dasteht und alle anderen, die sonst un sere Solidarität in Anspruch nehmen, nirgends mehr sind. Das darf eine deutsche Bundeskanzlerin nicht akzeptieren, meine Damen und Herren,
Sie haben die Aussage von Kardinal Marx zitiert, die Identi tät Europas bestehe auch darin, wie man mit Notleidenden umgehe. Völlig richtig, Herr Ministerpräsident. Aber er sprach eben von der Identität Europas. Deutschland, Österreich und Schweden können nicht allein für die Identität Europas haft bar gemacht werden. Wir müssen ohne Zweifel syrischen Bür gerkriegsflüchtlingen helfen. Aber besser sind sichere Häfen im Nahen Osten. Auch da ist es notwendig, dass die Bundes regierung handelt.
Da ist es auch notwendig – Sie haben den großen Konsens der Demokraten beschworen –, dass auch über den Bundesrat Druck ausgeübt wird. Es reicht eben nicht, dann immer zu sa gen: „Im Landtag von Baden-Württemberg dürfen wir über bestimmte Themen nicht reden. Das ist Aufgabe des Bundes und der europäischen Ebene.“ Wir hier vor Ort in BadenWürttemberg, unsere Kommunen haben mit diesen Proble men umzugehen. Deshalb müssen wir auch sehr deutlich in Richtung der nationalen und der europäischen Ebene artiku lieren, was zu machen ist. Nur dieser Druck wird Bewegung schaffen. Deshalb ist es falsch, zu sagen: „Das geht uns nichts an.“
Ich vermisse auch die Forderung nach einer Visumpflicht für den Balkan, Herr Ministerpräsident. Das ist der logische nächste Schritt, nachdem jetzt im Grunde sämtliche Balkan staaten zu sicheren Herkunftsländern erklärt worden sind. Im vergangenen Jahr haben Sie zugestimmt, was Serbien, Bosni en-Herzegowina und Mazedonien anlangt, und jetzt aktuell bei den drei anderen Staaten Montenegro, Albanien und dem Kosovo. Jetzt ist es notwendig, dort eine Visumpflicht einzu führen. Das ist nämlich eine wesentlich tragfähigere Maßnah me als die Grenzkontrollen und der Bruch des Schengen-Ab kommens, die doch nichts nützen, wenn dann an den Grenzen irgendjemand sagt, er möchte Asyl.
Wir müssen uns auch die Frage stellen: Was bedeutet das Gan ze für unseren Arbeitsmarkt? Sie haben zu Recht davon ge sprochen, Herr Ministerpräsident, dass wir Integration in un seren Arbeitsmarkt brauchen. Das ist völlig richtig. Nun hat aber Bundesarbeitsministerin Nahles – bekanntlich keine be kennende Liberale –
Mag ja sein, Kollege Schmiedel, dass sofort integrationsfä hig gemeint ist. Aber was machen Sie in der Zwischenzeit, bis sie integrierbar sind?
Sie können nicht in der Zwischenzeit sagen: „Bis sie vielleicht einmal in ein oder zwei Jahren integrationsfähig sind, richten es die sozialen Sicherungssysteme.“ Das ist der falsche Weg. Vielmehr müssen wir sofort Beschäftigungsmöglichkeiten für diese Menschen suchen.
Deshalb brauchen wir auch an dieser Stelle eine Flexibilisie rung Ihrer Mindestlohnregelung, meine Damen und Herren; völlig klar.
(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Das ist das Kontraproduktivste, was man machen kann!)
Denn wenn Sie nicht zu dieser Flexibilisierung kommen, dann schicken Sie diese Menschen in die Arbeitslosigkeit. Da zeigt sich wieder einmal: gut gemeint, aber schlecht gemacht. Fle xibilisieren Sie das Ganze.
Ich bin ja froh, dass an einer anderen Stelle die Flüchtlings krise eine positive Auswirkung hat. Ich fordere ja schon seit zwei Monaten – immer dann, wenn gesagt wird: „Das Bun desamt für Migration und Flüchtlinge kommt nicht nach; beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge fehlen Beamte, um die Anträge zu behandeln“ –: Nehmt die bewaffneten Zöllner, die harmlose Mittelständler heimsuchen, um dort die Mindest lohndokumentation zu kontrollieren. Und, oh Wunder: Es be wegt sich etwas.
Herr Schäuble hat genau das angekündigt. Herr Schäuble stellt jetzt einige von diesen Zöllnern ab. Die sind im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wesentlich besser aufgehoben, als wenn sie im Morgengrauen Bäckereien oder Metzgereien stürmen, meine Damen und Herren. Das ist eine vernünftige Lösung.
(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Rita Haller-Haid SPD: Sie wollen doch keine Schwarzarbeit? Sind Sie für Schwarzarbeit?)
Dann sagten Sie, Herr Ministerpräsident, es werde Bauerleich terungen für Flüchtlingsheime geben. Sie haben bei der Re gierungspressekonferenz heute noch einmal abseits des Re demanuskripts wiederholt – dafür bin ich dankbar –: „Dafür brauchen wir privates Kapital.“ Herzlichen Glückwunsch zu dieser Einsicht!
Bisher hatte ich nie den Eindruck, dass diese Landesregierung an privatem Kapital in der Wohnungspolitik interessiert ist. Sie haben ja eine Vielzahl von Maßnahmen beschlossen und auch im Bund unterstützt, die allesamt dazu geeignet sind, das private Kapital auf dem Wohnungsmarkt abzuschrecken.
Der Vorschlag des Kollegen Wolf lautete – ich halte das aus drücklich für richtig –, dass wir noch einmal darüber nach denken, ob es tatsächlich Sinn macht, das Bauleitverfahren so, wie von uns in unserer gemeinsamen Vereinbarung vorge sehen – das bestreite ich gar nicht, aber das war vor der Flücht lingskrise –, zu verkomplizieren.
Es ist auch notwendig – ich bin gespannt, ob etwas in dieser Sache herauskommt –, in diesem Zusammenhang über das Thema Flächensparen zu reden. Flächensparen kann halt nicht oberstes Prinzip sein, wenn wir Wohnraum für Zigtausende Menschen, die nach Baden-Württemberg kommen, brauchen.
Ferner bin ich auch sehr gespannt, wie das mit all den Rege lungen ist, die der verehrte Herr Kollege Hermann in die Lan desbauordnung geschrieben hat. Die Landesbauordnung ist für jeden, der auch nur einen einzigen Euro in Baden-Würt temberg in ein Bauprojekt investieren möchte, der reinste Hor ror.
und dass Sie, Herr Kollege Hermann, dann nicht noch auf die Idee kommen: „Die Flüchtlingsheime brauchen auch noch Zwangsefeu auf dem Dach.“ Nein, so etwas ist falsch, so et was ist hinderlich.
Weitere Stichworte: Mietpreisbremse, Fehlbelegungsabgaben, all die Zwangsmaßnahmen bei Zweckentfremdung.
Ich finde es schon im negativen Sinn bemerkenswert, Herr Ministerpräsident, dass Sie Herrn Kuhn dabei noch unterstüt zen, wenn er wirklich lustvoll ankündigt: „Mit bis zu 50 000 € wollen wir gegen diejenigen vorgehen, die von ihrem Eigen tumsrecht Gebrauch machen.“