Protokoll der Sitzung vom 01.10.2015

Es gibt da schon bemerkenswerte individuelle Biografien.

(Heiterkeit des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Manch einer hat in seiner Jugend zum ersten Mal als Sponti Häuser besetzt,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja!)

und nach dem Marsch durch die Institutionen macht er es jetzt als Opa als Amtsträger, meine Damen und Herren. Das sind bemerkenswerte Entwicklungen.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP/DVP und Abge ordneten der CDU)

Die Jahrzehnte sind ins Land gegangen, die Häupter wurden grau, aber die Denkweise ist noch genau dieselbe.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: So ist es! – Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Dann würde uns auch noch interessieren – Herr Ministerprä sident, Sie haben es angesprochen –, in welchem Umfang Sie die Kommunen am Geldsegen teilhaben lassen wollen. Sie müssen die Kommunen auskömmlich ausstatten. Da reicht es uns nicht, wenn Sie jetzt erklären: „Die kommunalen Landes verbände sollen sich erst einmal einigen, und dann verhandeln wir.“ Denn Verhandeln bedeutet ja einen Kompromiss. An den klebrigen Fingern des Landes soll ja möglichst auch einiges hängen bleiben. Nein, meine Damen und Herren, es ist not wendig, das Geld, das der Bund zur Verfügung stellt, auch den Kommunen, die diese Probleme vor Ort zu lösen haben, wei terzuleiten.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr richtig!)

Sie haben ja genügend Geld. Der Kollege Schmiedel hat kürz lich erklärt: „Wir machen einen Nachtragshaushalt in Milli ardenhöhe. Das zahlen wir aus der Portokasse. Wir haben die entsprechenden Rücklagen.“

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Dann setzt der Finanzminister noch einen drauf und sagt: „Die Nullverschuldung setzen wir jetzt trotzdem überraschend um, denn wir haben ja so viel Geld in der Kasse.“

Dann, meine Damen und Herren, stellen Sie diese Mittel auch dort zur Verfügung, wo sie notwendig sind, nämlich bei den Kommunen für das Thema Flüchtlinge. Da ist es notwendig, da haben wir die Probleme, da ist eine Landesregierung ge fordert.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr gut!)

Schließlich ist es notwendig, nicht nur an der Stelle stehen zu bleiben, an der in der vergangenen Woche die Beschlüsse im Zusammenhang mit dem Thema „Sichere Herkunftsländer“ an einen vorläufigen Haltepunkt gekommen sind. Sie haben in Ihrer Regierungserklärung gesagt, Herr Ministerpräsident: „Wir wollen in zwei Jahren evaluieren.“ Solche Fesseln soll te man sich nicht anlegen, Herr Ministerpräsident. Manchmal führen überraschende Krisenherde dazu, dass Flüchtlingsströ me überraschend schnell anschwellen. Dann ist es notwendig, vorausschauend zu handeln. Deshalb empfehle ich das, was

Ihre eigene Ministerin, Frau Öney, am 26. September 2015 in der „Südwest Presse“ empfohlen hat.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Manchmal hat sie recht!)

Ich darf zitieren:

„Man hätte auch überlegen können, ob einige andere Länder nicht auch zu den sicheren Herkunftsländern ge hören“,...

Frau Öney, nie war ich Ihnen so nahe wie heute.

(Heiterkeit)

Nicht nur bei Asylbewerbern vom Balkan, auch bei Flüchtlingen „aus manch afrikanischem Land ist die An erkennungsquote gering“.

In der Tat! Schauen wir uns das einmal an: Algerien 0,3 % Schutzquote, Gambia 2 %, Marokko 1 %, Ghana 1,7 %, Tu nesien 0,2 %, Senegal 1,2 %, Mali 1,6 %, Guinea-Bissau 0,8 % usw. So geht es weiter bei einer ganzen Latte von afri kanischen Staaten. Da werden Sie jetzt möglicherweise sa gen: „Von dort kommen ja im Moment relativ wenige.“ Aber woher wissen Sie, dass es so bleibt? Eine vorausschauende Politik sieht anders aus. Da stellen wir uns voll hinter die Mi nisterin Öney. Es ist notwendig, auch hier zu handeln. Weisen Sie weitere sichere Herkunftsländer aus. Hier hatte Frau Öney eine gute Idee, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Das macht die Bundesregierung!)

Jetzt ruft der da hinten schon wieder „die Bundesregierung“. Blicken Sie doch einmal in die Verfassung

(Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)

und schauen Sie sich die Abläufe in der vergangenen Woche und im vergangenen Jahr an. Haben Sie es immer noch nicht kapiert? Die Bundesregierung macht einen Vorschlag, der Bundestag beschließt, aber der Bundesrat muss zustimmen.

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Ja! Dazu braucht es den Gesetzentwurf des BMI!)

Deshalb ist es notwendig, dass man auch seitens des Landes Baden-Württemberg hier Position bezieht. Hätten Sie mal ei nen Gemeinschaftskundeunterricht in Ihrer Jugend besucht. Dann würden Sie solche Zwischenrufe hier nicht machen.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Lachen des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU – Zuruf des Abg. Da niel Andreas Lede Abal GRÜNE)

Unter dem Strich, Herr Ministerpräsident: Nein, Ihre Landes regierung handelt nicht schnell, sie handelt nicht kraftvoll, und sie handelt nicht koordiniert. Sie haben jetzt nach großem Druck – Druck des Landtags von Baden-Württemberg und Druck aus Berlin – einige Entscheidungen getroffen, die not wendig sind. Aber man kann an dieser Stelle nicht stehen blei ben. Die Bevölkerung in diesem Land erwartet, dass diese Landesregierung vorausschauend handelt. Wir haben Ihnen

jetzt eine ganze Reihe von Maßnahmen empfohlen, die vor ausschauendes Handeln dokumentieren könnten. Es liegt an Ihnen, Herr Ministerpräsident, an Ihrer Regierung und an die ser Koalition, diese Maßnahmen umzusetzen. Das Land Ba den-Württemberg erwartet das. Wir können es schaffen, mei ne Damen und Herren, aber wir können es nur dann schaffen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Für die CDU-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Fraktionsvorsitzendem Wolf.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrter Herr Ministerpräsident, Ihre heutige Regierungserklärung war notwendig, wenngleich ich etwas irritiert feststelle, dass auf der Regierungsbank das In teresse seither an der Debatte zu diesem wichtigen Thema deutlich zurückgegangen ist. Ihre heutige Regierungserklä rung war notwendig, weil Sie über Monate hinweg an dieser Stelle zur Flüchtlingspolitik nichts gesagt haben, weil Sie bis zur letzten Woche der Debatte in diesem Hohen Haus ganz aus dem Weg gegangen sind.

(Lachen der Abg. Edith Sitzmann GRÜNE – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ist es! – Zurufe von den Grünen und der SPD, u. a.: Sechs Wochen Som merpause hatten wir!)

Notwendig war sie gleichzeitig – –

(Zurufe von der SPD, u. a. des Abg. Claus Schmie del – Unruhe)

Entschuldigung, das Flüchtlingsthema nimmt keine Rück sicht auf eine Sommerpause, lieber Kollege Schmiedel. Das ist doch das Problem, das hier zum Ausdruck kommt.

(Lebhafter Beifall bei der CDU – Beifall bei Abge ordneten der FDP/DVP – Abg. Claus Schmiedel SPD: Unglaublich! Letzte Woche war doch die Debatte!)

Der Ministerpräsident wartet heute noch schicksalsergeben darauf, was die nächste Woche wohl bringen mag.

Anstatt den großen Herausforderungen mit einer Politik aus einer Hand zu begegnen, haben Sie einen Strauß von Zustän digkeiten geschaffen. Was haben wir denn inzwischen alles? In diesem Land Baden-Württemberg und in Ihrer heutigen Re gierungserklärung hat sich gegenüber dem, was Sie noch zu Anfang dieser Woche an dieser Stelle sagen wollten, noch ein mal ganz viel Neues ergeben. Offensichtlich hat man gemerkt, dass noch ganz andere Konstruktionen geschaffen worden sind. Es gibt seit Kurzem einen Krisenstab unter Leitung des Landesbranddirektors; schon ein wenig länger gibt es eine Taskforce unter Ihrem Staatssekretär Murawski. Dazu haben wir einen bunten Strauß an beteiligten Ministerien und Regie rungspräsidien. Ach ja, wir haben auch ein Integrationsminis terium –

(Lachen bei Abgeordneten der CDU)

ein Ministerium, das geradezu sinnbildlich für die Konzepti onslosigkeit und die Überforderung Ihrer Regierung steht, Herr Ministerpräsident.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP – Abg. Sabine Wölfle SPD: Un glaublich!)

Nachdem der stellvertretende Ministerpräsident heute auf grund einer Auslandsreise, die er so terminiert hat, nicht hier sein kann, erfahren wir heute parallel über die Medien, dass wir nun auch noch weitere Gipfel bekommen – zumindest kleine Gipfel der Fachminister wie jetzt zum Thema Woh nungsbau. Eine Konzeption aus einem Guss, Herr Minister präsident, sieht anders aus.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Flüchtlingspolitik kann klare Vorgaben machen, die Zuwan derung steuern und die Sorgen der Menschen ernst nehmen.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Wollen Sie das?)