Protokoll der Sitzung vom 01.10.2015

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Wollen Sie das?)

Wie das funktionieren kann, hat die CDU mit ihrem Koaliti onspartner in der Großen Koalition beim Flüchtlingsgipfel jetzt gezeigt.

Dass Sie gemeinsam mit uns die Ergebnisse der Verhandlun gen von Angela Merkel heute so positiv beurteilen, freut uns.

(Lachen bei Abgeordneten der Grünen)

Es überrascht aber auch insofern, als Sie sich ja immer in der Haltung gefallen: „Wenn es funktioniert, waren es Merkel und Kretschmann gemeinsam, und wenn es nicht funktioniert, sind es die bösen CDUler in Berlin.“ Mit dieser Rollenverteilung ist ab heute auch Schluss, Herr Ministerpräsident.

(Beifall bei der CDU – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Meine Güte!)

Waren es nicht Sie und Ihre Fraktionen, die ein zentrales Er gebnis des Gipfels, die Ausweisung weiterer sicherer Her kunftsstaaten, vor einer Woche noch abgelehnt haben?

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja!)

Waren es nicht Grün und Rot, die als erste integrationspoliti sche Initiative Geldleistungen vor Sachleistungen gestellt ha ben?

(Vereinzelt Beifall – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ist es! Jawohl!)

Ich darf hierzu einmal aus Ihrem Koalitionsvertrag zitieren:

Auf Landesebene werden wir uns dafür einsetzen, dass trotz bundesgesetzlicher Vorgaben das Sachleistungsprin zip schrittweise aufgelockert und auf... Geldleistungen umgestellt wird.

(Zurufe von der CDU: Hört, hört!)

Herr Ministerpräsident, wenn man diese Aussagen im Koali tionsvertrag mit Ihren heutigen Aussagen vergleicht, könnte man geradezu von Aufräumarbeiten sprechen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Man kann ja auch mal dazuler nen!)

Aber Sie hatten damit Anreize geschaffen, die auch ihren Teil zur aktuellen Einwanderungswelle beigetragen haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Sie haben damit ein Problem erst mitgeschaffen, für dessen Lösung Sie sich heute bejubeln lassen.

(Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE: Oh, ist das schlimm!)

Eine klare Linie und ein erkennbares Konzept – das ist nicht ersichtlich.

Dieser Eindruck verfestigt sich angesichts Ihrer Aussagen zur Ankündigung von Abschiebungen. Beim Flüchtlingsgipfel am Donnerstag haben alle Länder, also auch Sie, einer Regelung zugestimmt, die die Ankündigung von Abschiebungen künf tig untersagt. Richtig! Denn wer Abschiebungen frühzeitig an kündigt, riskiert, dass die Ausreisepflichtigen einfach unter tauchen, dass sie sich Polizei und Behörden entziehen und fortan illegal in Deutschland leben. Doch in der vorgestrigen Landespressekonferenz konnten Sie sich an diesen Beschluss schon nicht mehr erinnern.

(Oh-Rufe von der CDU)

Lassen Sie mich deswegen, Herr Ministerpräsident, die Gele genheit nutzen, die Beschlüsse des Flüchtlingsgipfels noch mals in Erinnerung zu rufen.

(Abg. Walter Heiler SPD: Oh!)

Sie haben einige der Beschlüsse schon vorgestellt.

(Zuruf von der CDU: Aber nicht alle!)

Aber Sie haben heute eine sehr grüne Geschichte von diesem Gipfel und von seinen Ergebnissen erzählt, eine Geschichte, die den Schwerpunkt anders und aus meiner Sicht in Teilen auch falsch setzt. Denn die zentrale Botschaft des Flüchtlings gipfels bei Angela Merkel ist eine differenzierte: „Wir begren zen Zuwanderung und schaffen mehr Sicherheit. Wir wollen die Flüchtlingsströme eindämmen, aber wir wollen denjeni gen auch helfen, die eine dauerhafte Bleibeperspektive haben. Wir wollen die Fluchtursachen in den Herkunftsländern be kämpfen, wir wollen die Verfahren beschleunigen, und es geht darum, ganz Europa in die Pflicht zu nehmen.“ Alles gehört zusammen, Herr Ministerpräsident, auch diese Facette, auch diese Zielrichtung des Flüchtlingsgipfels in Berlin.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Dann werden nun auch Albanien, das Kosovo und Montene gro endlich in den Kreis der sicheren Herkunftsstaaten aufge nommen. Sie haben ja, Herr Ministerpräsident, die Wirksam keit einer solchen Maßnahme immer bestritten,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja!)

um am Ende dann doch noch öffentlichkeitswirksam einzu schwenken. Dabei war Ihre Landesregierung im Sommer schon weiter. Wäre der Herr Justizminister jetzt hier, könnte ich ihn loben.

(Lachen bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Walter Heiler SPD)

Ihr Justizminister hat uns im August auf unsere Anfrage hin – Kollege Heiler, Sie werden es ihm ausrichten – hochoffiziell mitgeteilt – ich zitiere –:

Die Regelung ist daher geeignet, die Dauer der Asylver fahren... zu verkürzen und damit Kapazitäten beim BAMF freizugeben.

Das hat Minister Stickelberger vor wenigen Monaten gesagt, während Ministerpräsident Kretschmann hier immer noch auf tritt und sagt: „Das alleinige Problem ist, dass wir beim BAMF zu wenig Personal bekommen.“ Herr Ministerpräsident, Sie hätten längst damit beginnen können, Ihre Hausaufgaben im eigenen Land zu erledigen, statt ständig mit dem Finger auf andere zu zeigen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Es ging auch darum, in Zukunft zahlreiche Einschränkungen an das Merkmal „Sicherer Herkunftsstaat“ zu knüpfen. An tragsteller aus sicheren Herkunftsstaaten sollen verpflichtet werden können, bis zur Entscheidung respektive bis zur Ab lehnung ihres Antrags und ihrer Ausreise in der Erstaufnah meeinrichtung zu verbleiben. Für Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten, die ab dem 1. September 2015 einen Asyl antrag gestellt haben, wird ein Beschäftigungsverbot einge führt. Von diesen Einschränkungen geht ein ganz eindeutiges Signal aus: Wer in Deutschland einen Antrag auf Asyl stellt, obwohl er nicht schutzbedürftig ist, wird unser Land rasch wieder verlassen müssen, und wer nicht ausreist, obwohl er es muss, bekommt künftig nur noch das Überlebensnotwen dige.

Die Anreize dafür, überhaupt hierher zu kommen, haben CDU und CSU in konkrete Vorschläge überführt: In den Erstauf nahmeeinrichtungen werden künftig Bargeldleistungen durch Sachleistungen ersetzt.

Herr Ministerpräsident, mich irritiert – wie auch den Kolle gen Dr. Rülke –, dass Sie so sehr auf den Zusatz „sofern mit vertretbarem Verwaltungsaufwand möglich“ hinweisen. Hat man da gegebenenfalls einen Schulterschluss mit der Kanzle rin zustande gebracht, formuliert schwarz und interpretiert grün? Ist man bereit, das, was als Zielsetzung beim Flücht lingsgipfel tatsächlich vereinbart wurde, auch konsequent im eigenen Land umzusetzen und Fehlanreize abzubauen? Dar an werden wir Sie messen, Herr Ministerpräsident.

(Beifall bei der CDU)

Natürlich will ich auch die europäische Dimension dieser gro ßen Herausforderung in ganz besonderer Weise würdigen und auch dabei den Schulterschluss mit Ihren Ausführungen, Herr Ministerpräsident, herstellen. Es gibt das Verbindende, und es gibt das Trennende. Die Aufgabe der Opposition ist es und wird es auch in Zukunft sein, deutlich zu machen, an welcher Stelle die Landesregierung nicht handelt oder falsche Zeichen setzt, obwohl sie anderes tun könnte.

(Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)

Es gibt in Europa einen Anspruch auf Schutz für Menschen, die aus Kriegsgebieten vor dem Tod fliehen. Es gibt aber kei nen Anspruch darauf, sich innerhalb Europas ein bestimmtes Land aussuchen zu können.

Wer kein Asyl in Deutschland erhält, muss in seine Heimat oder in das EU-Land zurückkehren, über das er eingereist ist. Wer nicht freiwillig ausreist, muss zurückgeführt werden. Die Verantwortung für die Rückführung liegt bei den Ländern. Die Länder müssen die Ausreiseverpflichtung konsequent durch setzen. Die Abschiebezahlen der Vergangenheit belegen, dass insbesondere in den rot-grün regierten Ländern noch sehr viel mehr getan werden kann. Vielleicht aber wollen Sie gar nicht mehr tun?

(Oh-Rufe von den Grünen)

Ihr grüner Landesvorsitzender kritisierte die Entscheidung Ih res Innenministers, rechtmäßig eine Romafamilie aus Frei burg abzuschieben, und bezeichnete das damals als inakzep tabel.

(Zuruf des Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE)

Was soll an einer rechtsstaatlichen Entscheidung inakzepta bel sein? Herr Ministerpräsident, Ihrer Partei ist nicht nur Or ganisationsversagen zuzuschreiben, wie von Oberbürgermeis ter Salomon bestätigt, Ihre Partei hat auch ein Abschiebepro blem. Wir fordern Sie auf, dies endgültig zu lösen, Herr Mi nisterpräsident.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Zügiges und entschlossenes Handeln ist auch deswegen an gezeigt, weil wir jetzt die Versäumnisse und Fehler Ihrer Po litik der vergangenen Jahre ausbügeln müssen. Denn zahlrei che jetzt beschlossene Maßnahmen waren in den vergange nen Jahren immer wieder am Einspruch der SPD im Bund oder am Widerstand der Grünen im Bundesrat gescheitert – ein Widerstand, Herr Ministerpräsident, der maßgeblich auch von Ihnen ausging.

Ich erinnere daran, dass es Ihr vermeintliches Verhandlungs geschick war, das uns Regeln eingebracht hat, die wir jetzt wieder ändern müssen. Sie waren für die Lockerung der Re sidenzpflicht verantwortlich, die wir jetzt zurückdrehen müs sen.