Guten Morgen, meine sehr ver ehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 139. Sitzung des 15. Landtags von BadenWürttemberg.
Urlaub für heute habe ich Frau Abg. Anneke Graner, Herrn Abg. Karl-Wolfgang Jägel und Frau Abg. Dr. Monika Stolz erteilt.
Krankgemeldet sind Herr Abg. Christoph Bayer, Herr Vize präsident Wolfgang Drexler und Herr Abg. Felix Schreiner.
Aus dienstlichen Gründen entschuldigt haben sich ganztägig Herr Minister Peter Friedrich und ab 12 Uhr Frau Ministerin Theresia Bauer.
Aktuelle Debatte – Wie nachhaltig ist grüne Verkehrs- und Bauordnungspolitik im Praxistest aktueller Herausforde rungen? – beantragt von der Fraktion der FDP/DVP
Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Aktuel le Debatte eine Gesamtredezeit von 40 Minuten festgelegt. Darauf wird die Redezeit der Regierung nicht angerechnet. Für die einleitenden Erklärungen der Fraktionen und für die Rednerinnen und Redner in der zweiten Runde gilt jeweils ei ne Redezeit von fünf Minuten. Ich darf die Mitglieder der Landesregierung bitten, sich ebenfalls an den vorgegebenen Redezeitrahmen zu halten.
Sehr geehrter Herr Prä sident, liebe Kolleginnen und Kollegen! In Krisensituationen zeigt sich ein gutes Management, und es zeigt sich, ob man eine Krise als Chance begreift oder seine eigene Ideologie pflegt.
Einmal mehr zeigt sich, dass der Verkehrsminister des Lan des Baden-Württemberg ein katastrophales Management an den Tag legt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir alle sind vom VW-Ab gasskandal betroffen. Über Jahre hinweg wurde manipulierte Software für die Abgasmessung und -reinigung eingesetzt. Dazu drei Vorbemerkungen: Es ist keine Rechtfertigung für diese Manipulation zu konstatieren. So etwas ist ethisch, mo ralisch nicht in Ordnung.
Zweitens ist es aber kein Geheimnis, dass es Unterschiede zwischen Labormessungen mit entsprechenden Werten und Fahrsituationen gibt.
Verkehrsminister Hermann schwingt sich jetzt mit operativer Hektik zum obersten Abgaskontrolleur auf
und kündigt eigene Abgaskontrollen im Straßenverkehr an; so war es am 7. Oktober in einem Interview zu lesen. Für badenwürttembergische Fahrzeuge will er also unangemeldete „Do pingkontrollen“. Baden-Württembergs Autofahrerinnen und Autofahrer sollten sich nach dem Wunsch Hermanns auf ent sprechende Kontrollen einstellen und damit rechnen, dass sie im Straßenverkehr angehalten werden.
Da fragen wir uns: Was soll denn gemessen werden? Was ist die Rechtsgrundlage? Was ist die technische Grundlage? Wel che Konsequenzen sind da geplant? Bleiben dann die Fahr zeuge am Straßenrand stehen, oder muss man mit Gefängnis rechnen?
Kein Wort dazu, wie der Verkehrsminister das umsetzen möch te. Warum, so fragen wir uns, soll es – so war es in der Pres se zu lesen – nur für baden-württembergische Fahrzeuge gel ten und nicht für andere Fahrzeugtypen?
Fakt ist: Das Land Baden-Württemberg hat in diesem Bereich keine Kompetenz; das ist Bundeskompetenz. Wir fragen uns: Warum dafür Steuergelder einsetzen? Bemerkenswert ist auch: Letzte Woche, bei der Verkehrsministerkonferenz, hat der Ver kehrsminister in seinem Engagement, die anderen Bundeslän der mitzunehmen, Schiffbruch erlitten. Für Baden-Württem berg ist es mehr als peinlich, was der Verkehrsminister abge liefert hat.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr richtig! – Abg. Werner Raab CDU: Kommt der heu te noch?)
Wahrscheinlich ist er im Außeneinsatz und kontrolliert die Dieselfahrzeuge auf Baden-Württembergs Straßen.
Es ist keine Frage, auch wir befürworten die stufenweise Ein führung einer „Real Driving Emissions“-Gesetzgebung auf EU-Ebene. Doch dieser dubiose Alleingang des Verkehrsmi nisters grenzt aus Sicht der FDP/DVP-Fraktion schon an ei ne Verletzung des Amtseids, den er hier geleistet hat.
Wenn man sich die Dynamik bei seinem Vorgehen in dieser Sache anschaut und das mit der Einführung des Modellver suchs beim Lang-Lkw vergleicht, bei dem es vier Jahre ge dauert hat, bis sich Baden-Württemberg an diesem Modell versuch beteiligt hat, dann wird deutlich: Hier wird mit zwei erlei Maß gemessen. Das ist für Baden-Württemberg schäd lich, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Da wirkt es wie moralisches Lametta, wenn der Ministerprä sident immer wieder betont, wie wichtig die Automobilindus trie für Baden-Württemberg sei. Das wirkt nicht glaubwürdig, wenn er gleichzeitig einen Verkehrsminister hat, der alles da für tut, den Standort Baden-Württemberg nachhaltig zu schä digen.
Inzwischen dämmert es auch dem Koalitionspartner mehr und mehr, dass das eigentliche Problem der Automobilwirtschaft der Verkehrsminister des Landes Baden-Württemberg ist.
Mit dieser Politik sorgt der Verkehrsminister für eine extreme Verunsicherung der Autofahrerinnen und Autofahrer in Ba den-Württemberg: Citymaut, Fahrverbote, blaue Umweltpla kette, Abgasmessungen im Straßenverkehr. Dieser Verkehrs minister stimuliert nicht die Wirtschaft in Baden-Württem berg, er stranguliert sie.
Themenwechsel. Thema Infrastruktur: Baden-Württemberg braucht dringend mehr Wohnungen, zum einen Wohnungen für die Flüchtlinge in Baden-Württemberg, zum anderen aber auch bezahlbaren Wohnraum für wohnungssuchende Miete rinnen und Mieter in unserem Land.
Wir hatten 2014 einen positiven Wanderungssaldo von 90 000 Menschen. Da sind die Flüchtlinge, die in diesem Jahr kamen und kommen, noch gar nicht mit eingerechnet. Wir rechnen mit einem Bedarf von 100 000 Wohnungen für Flüchtlinge. Wir brauchen also einen Quantensprung im Wohnungsbau. Wenn ich die Stellungnahme zu einem Antrag, den wir, Ab geordnete der FDP/DVP-Fraktion, gestellt hatten, lese, dann kann ich nur hoffen, dass sich der Verkehrsminister heute nicht am Wohnungsbaugipfel beteiligt. Denn dann ist es besser, er bleibt bei seinen Abgasmessungen in Baden-Württemberg, als dass er bei diesem Thema mitwirkt.
Der Verkehrsminister ist gegen Eingriffe in die Landesbau ordnung. Er sagt: „Gesetzgeberische Maßnahmen zum Bau ordnungsrecht sind nicht notwendig.“ Das Einzige, was er zu lassen möchte, ist eine Änderung von § 56 der Landesbauord nung zugunsten von Ausnahmen bei Gemeinschaftsunterkünf ten.
Ich sage an dieser Stelle: Es wäre eine Ungerechtigkeit, eine Ungleichbehandlung, wenn man nur bei Gemeinschaftsunter künften Ausnahmen machte, während die Menschen im Land nach den Vorgaben dieser Landesbauordnung Wohnungen schaffen sollen – Wohnungen, die immer weniger bezahlbar werden, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Es gibt viele Themen, die wir angehen könnten: Landesbau ordnung, Erneuerbare-Wärme-Gesetz, Verwaltungsvorschrift für Gemeinschaftsunterkünfte, Plausibilitätsprüfung der Bau flächenbedarfsnachweise, all diese Dinge. Verkehrsminister Hermann ist nicht bereit, Änderungen und Eingriffe in der Landesbauordnung zuzulassen. Er trägt damit die Verantwor tung dafür, dass es in Baden-Württemberg immer weniger be zahlbaren Wohnraum gibt