Es gibt viele Themen, die wir angehen könnten: Landesbau ordnung, Erneuerbare-Wärme-Gesetz, Verwaltungsvorschrift für Gemeinschaftsunterkünfte, Plausibilitätsprüfung der Bau flächenbedarfsnachweise, all diese Dinge. Verkehrsminister Hermann ist nicht bereit, Änderungen und Eingriffe in der Landesbauordnung zuzulassen. Er trägt damit die Verantwor tung dafür, dass es in Baden-Württemberg immer weniger be zahlbaren Wohnraum gibt
Herr Präsident, liebe Kollegin nen und Kollegen! Neben der Flüchtlingsproblematik haben wir in Baden-Württemberg zwei Krisen: zum einen die Woh nungsnot in den Ballungsräumen und zum anderen die Her ausforderungen für die Automobilindustrie.
Es geht nicht nur um die Abgasprobleme. Von Südwestmetall habe ich diese Woche gehört, die Zulieferer der Automobilin dustrie – in Baden-Württemberg gibt es 2 000 Unternehmen im Bereich der Automobilzulieferer – werden jetzt gebeten, 30 % der Kosten einzusparen. Das lässt sich ohne Verlagerun gen nicht umsetzen. Das heißt, da sind Arbeitsplätze in Ge fahr.
Diese beiden Krisen zusammen können erhebliche soziale Spannungen verursachen, wenn die Mieten ansteigen und die Zahl der Arbeitsplätze sinkt. Deswegen möchte ich schon ein mal die Frage stellen, ob diese Regierung Probleme lösen kann oder ob diese Regierung vielleicht selbst Teil des Prob lems ist.
Beim Flüchtlingsgipfel vor einem Jahr haben wir Ihnen, Herr Ministerpräsident, gesagt: Wenn pro Jahr 50 000 Menschen nach Baden-Württemberg kommen – jenseits der Flüchtlinge –, Menschen aus anderen Ländern in Deutschland, in Europa, dann müssen wir massiv in den Wohnungsbau gehen. Ich ha be noch in Erinnerung, wie lange Ihr Mund offen gestanden hat.
Was ist dabei herausgekommen? Es ist ein Progrämmle für Flüchtlingswohnheime in Baden-Württemberg herausgekom men. Aber für den eigentlichen Wohnungsbau ist gar nichts getan worden.
Dann hat der Ministerpräsident gesagt, er wolle die Flüchtlin ge in den Osten schicken, dann seien die Probleme gelöst.
Dann hat in der Sommerpause Boris Palmer gesagt: „Jetzt sind wir so weit, dass wir Beschlagnahmen vornehmen müssen.“ Dann hat Fritz Kuhn gesagt, er wolle von jemandem, der sei ne Wohnung ein halbes Jahr leer stehen lässt, 50 000 € kas sieren. Jetzt, da für die Regierung das Kind in den Brunnen gefallen ist, ist in der Zeitung zu lesen, Nils Schmid dürfe ei nen Wohnungsbaugipfel machen, das sei ein Konjunkturpro gramm für die SPD. Nils Schmid tut mir mit dieser Aufgabe leid.
Letztes Jahr noch wurde mit der Mehrheit von Grün und Rot eine LBO-Novelle vorgenommen, die sogenannte Efeu-No
velle. In ganz Deutschland sind wir dafür ausgelacht worden. Diese „Efeu-Novelle“ ist am 1. März in Kraft getreten. Es ist eine Regelung verabschiedet worden, wonach in Baden-Würt temberg pro Wohnung zwei überdachte, diebstahlgesicherte und ebenerdige Fahrradstellplätze vorhanden sein müssen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Menschen brau chen zuerst einmal ein Dach über dem Kopf, bevor man über dachte Fahrradstellplätze vorschreibt.
(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr richtig!)
Es wurde eine massive Verschärfung der Plausibilitätsprüfung vorgenommen. Die Gemeinden sind bis zum heutigen Tag ge gängelt worden, wenn sie Wohnbauland ausweisen wollten. Nun hat mir am vergangenen Montag ein Bürgermeister ge sagt: Die gleichen Beamten, die bisher im Auftrag von Win fried Hermann herumgelaufen sind und gesagt haben: „Du darfst kein Bauland ausweisen, weil du“ – angeblich – „keinen Einwohnerzuwachs hast“, kommen jetzt und fragen: „Hast du Baugelände? Wir brauchen jetzt dringend Baugelände für die Flüchtlinge.“ So hat sich die Sache verändert.
Aber warum macht man so eine falsche Politik? Warum hält man an einer solchen falschen Politik fest? Wir brauchen kei ne Beschlagnahme, wir brauchen keine Strafzahlungsregelung mit diesem grün-roten Zweckentfremdungsgesetz. Was wir brauchen, sind in der Tat steuerliche Anreize. Wir brauchen relativ schnell größere Siedlungsflächen für den allgemeinen Wohnungsbau. Aber dazu muss man wissen: Wenn man Sied lungsflächen ausweist, braucht man auch Straßen, braucht man auch ÖPNV. Da kann man nicht das Landesgemeindever kehrsfinanzierungsgesetz in der Fassung verabschieden, wie es im Moment im Haus vorliegt, sondern da muss man den Hebel umlegen und den Gemeinden helfen, Siedlungen zu er schließen, Straßen zu diesen Siedlungen zu bauen und den ÖPNV zu organisieren. Deswegen sind wir mit dieser Regie rung völlig falsch unterwegs.
Bei der Ausschreibung des Schienenpersonennahverkehrs für die Stuttgarter Netze – stellen Sie sich das einmal vor – rech net dieser Verkehrsminister, der übrigens immer noch nicht da ist – er steckt wohl im Stau, weil offensichtlich die Abgas kontrollen schon in Kraft sind –,
(Heiterkeit und vereinzelt Beifall bei der CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Im Fahrradstau, oder was? – Abg. Nikolaus Tschenk GRÜNE: Etwas mehr Niveau, Herr Kollege!)
mit einem Anteil an Stehplätzen von 35 %. Bei der Organisa tion des Schienenpersonennahverkehrs und dem Kauf der Fahrzeuge rechnet er heute schon mit 35 % Stehplätzen, ob wohl wir einen Einwohnerzuwachs haben. Was soll denn die ser Unsinn?
Heute ist in den Zeitungen zu lesen, der soziale Wohnungs bau komme nicht in Gang. Wenn man ein Förderprogramm für den sozialen Wohnungsbau macht, bei dem die energeti schen Komponenten strenger sind als in der LBO,
wenn also für den sozialen Wohnungsbau mehr energetische Komponenten verlangt werden als für den normalen Woh nungsbau,
dann braucht man sich doch nicht zu wundern, warum der so ziale Wohnungsbau im Land nicht in Gang kommt.
Nein, ich gestatte keine Zwischenfrage des Herrn Lehmann. Der kann sich bei der Bildungspolitik melden.
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Davon versteht er auch nichts!)
(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Sie entscheiden nicht, wann sich jemand meldet, Herr Kollege! Das wäre noch schöner!)
Jede Krise, Herr Kollege Sckerl, ist ein Lackmustest für eine Regierung. Daran sieht man, ob eine Regierung etwas taugt oder nichts taugt. Ich kann nur sagen: Diese Regierung ist Teil des Wohnungsbauproblems in Baden-Württemberg.
Zum VW-Abgasskandal: Natürlich müssen die Verantwortli chen zur Rechenschaft gezogen werden. Natürlich muss die Sache untersucht werden. Natürlich darf nichts unter den Tep pich gekehrt werden. Übrigens ist dafür der Bund zuständig und nicht das Land. Zuständig ist das Kraftfahrt-Bundesamt, das mit Steuergeldern auch aus Baden-Württemberg finanziert wird.
Was erwartet man von einer Regierung im Mutterland des Au tomobils, wo fast jeder vierte Arbeitsplatz vom Automobil ab hängt?
Erwarten wir von einer solchen Regierung, dass sie Abgas schnüffeltests erfindet, für die sie gar nicht zuständig ist? Oder erwartet man, dass die Regierung sagt: „Baden-Württemberg ist das Automobilland Nummer 1. Wir werden diese Proble me lösen. Wir haben die besten Techniker, wir haben die bes ten Ingenieure, wir haben die besten Facharbeiter.
Damit werden wir diese Dinge zusammenbekommen. Wir werden es schaffen. Innovation ist bei uns das Tagesgeschäft.“? Eine solche Aussage erwarte ich von einem Ministerpräsiden ten. Stattdessen sagt er in der Landespressekonferenz, Minis ter Hermann mit seinen Abgasschnüffeltests habe recht, die se brauchten wir. Warum machen wir solche Tests, die sich
gegen Daimler und Porsche richten? Man muss sich das ein mal vorstellen: Er sagt, sie richteten sich gegen Daimler und Porsche! Der Minister kündigt an, auf der Verkehrsminister konferenz werde er alle Verkehrsminister Deutschlands dafür gewinnen, seinen Abgasschnüffeltest gut zu finden. Dann kommt er zurück wie der begossene Pudel: Kein einziger ist ihm gefolgt.