Protokoll der Sitzung vom 14.10.2015

Diese Regel wird Ihnen rechtlich noch Schwierigkeiten ma chen – da gibt es sehr beachtliche verfassungsrechtliche Ar gumente – und auch faktisch, wenn Sie künftig – beinahe hät te ich es so gesagt – jeden Blödsinn abdrucken müssen und nach Argumenten suchen, um Nein zu sagen. Auch diese Si tuation kann eintreten. Auch da schränken Sie Freiheit in ei ner Art ein, die Ihnen in den Rathäusern schon noch auf die Füße fallen kann.

Noch ein Wort zum Thema „Verlagerung ins Internet“. Sie ha ben teilweise einen Rückzieher gemacht, indem Sie wieder „Zeitung“ schreiben statt „Druckwerk“ usw. Da haben Sie vielleicht gemerkt, dass Sie sich etwas vergaloppiert haben. Ich möchte aber auch da grundsätzlich noch etwas zu beden ken geben. Die Verlagerung ins Internet, die jetzt stattfindet, ist natürlich eine zweischneidige Sache, weil sie einen Teil rückzug aus der Information bedeutet. Es wird schwieriger und umständlicher – –

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Wollen Sie Vorschrif ten machen? Das ist Entscheidungsfreiheit! Die Ge meinden sollen selbst entscheiden! – Gegenruf des Abg. Ulrich Lusche CDU – Abg. Walter Heiler SPD: Das ist wahre Freiheit! – Unruhe – Glocke der Präsi dentin)

Ich würde den § 41 b komplett weglassen. Das sage ich hier noch einmal. Es sei jedem zu bedenken gegeben – egal, ob es ein Landtag oder eine Kommune ist –, darüber nachzudenken, ob die Verlagerung – –

(Zuruf: Kommunale Selbstständigkeit!)

Ich rede nicht davon, dass wir Vorschriften machen, aber Sie sind nicht in der Lage, das zu begreifen.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Was wollen Sie denn?)

Ich möchte darauf hinweisen, dass die Verlagerung ins Inter net eine zweischneidige Sache sein kann. Der Hinweis auf ei ne gestiegene Internetnutzung allein reicht nicht, da für viele die Internetnutzung bedeutet, dass sie online Zeitung lesen. Da finden sie wieder seltener zu den Kommunen als bisher. Wer geht schon auf die Internetseite einer Kommune? Man muss klarmachen, dass der Weg ins Internet den Weg zur In formation nicht wirklich erleichtert. Dessen muss man sich bewusst sein. Insofern ist das ein Vorgehen mit Risiken und Nebenwirkungen.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Das ist mehr Frei heit für die Kommunen! Die Kommunen entscheiden künftig selbst! Mehr Freiheit für die Kommunen!)

Man muss nur aufpassen, dass man nicht in einen Widerspruch gerät – das möchte ich Ihnen zu bedenken geben, wie auch je der Gemeinde, die damit zu tun hat –, dass man auf der einen Seite die Bürger zum Mitmachen einlädt, aber anderseits den Informationszugang eher ein Stück weit verschlechtert.

Aus diesen Gründen, die ich genannt habe, ist es uns leider nicht möglich, auch bei einigen positiven Ansätzen im Gesetz, nachher dem Gesetz insgesamt zuzustimmen.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Bravo!)

Für die Landesregierung erteile ich das Wort Herrn Innenminister Gall.

Frau Präsidentin, werte Kol leginnen, werte Kollegen! Die Kommunen gestalten ihre Zu kunft kraftvoll und kreativ. Ich denke, das ist in diesem Haus völlig unstrittig. Unstrittig soll aber auch sein, dass das Land, insbesondere diese Landesregierung, die Kommunen dabei nach Kräften unterstützt und begleitet. Das haben wir in den zurückliegenden viereinhalb Jahren – auch das wurde heute schon erwähnt – mehrfach unter Beweis gestellt. An diesen Argumenten und Tatsachen kommen auch Sie nicht vorbei.

Mit dem Gesetz zur Änderung kommunalverfassungsrechtli cher Vorschriften, das wir heute in der zweiten Lesung behan deln und verabschieden werden, schaffen wir die Leitplanken, die man einfach braucht, um die Zukunft weiter zu gestalten. Das heißt, wir stellen einen Rahmen zur Verfügung, der Grund lage für die weitere Entwicklung der Gemeinden und Kreise sein wird, der dann von den Gemeinden und Kreisen ausge füllt werden kann und in vielen Bereichen – dessen bin ich mir ganz sicher – auch ausgefüllt werden wird.

Meine Damen und Herren, diese Grundlage erweitert die Möglichkeiten für eine lebendigere Demokratie, für mehr

Transparenz, für eine intensivere Beteiligung der Bürgerin nen und Bürger und für die bessere Integration und Teilhabe ausländischer Einwohnerinnen und Einwohner. Da muss ich ganz einfach einmal fragen: Wer kann eigentlich dagegen et was haben?

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Zuruf des Abg. Klaus Herrmann CDU)

In der Debatte sind eine ganze Reihe von Punkten angespro chen worden, die ich nicht zu vertiefen brauche. Aber einige wichtige Anliegen will ich schon noch erwähnen. Der Schwer punkt des Gesetzentwurfs ist eine größere Transparenz kom munalen Handelns. Die Möglichkeit zur Abhaltung öffentli cher Vorberatungen in den Ausschüssen, die Veröffentlichung von Angaben zur Sitzung, von Sitzungsunterlagen und Be schlüssen – beispielsweise auch im Internet – werden den Ein wohnerinnen und Einwohnern, wenn sie es denn wollen, tie fere Einblicke in das kommunalpolitische Geschehen ermög lichen, als dies bisher der Fall war. Ich frage mich ganz ein fach: Was kann man denn dagegen haben, wenn Sitzungsun terlagen – dieses Beispiel wurde genannt – ausgelegt, mitge nommen und vervielfältigt werden können?

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Abg. Klaus Herrmann CDU: Das ist doch bisher schon Praxis, ohne Gesetzgebung! So ein Blödsinn! – Gegenruf des Abg. Claus Schmiedel SPD: Doch nicht überall!)

Ich bin mir ganz sicher: Besser informierte Bürgerinnen und Bürger können auch besser nachvollziehen, was warum und wie in den kommunalen Gremien entschieden worden ist. Das kann doch auch für das Gremium selbst, das kann für die Ge meindeorgane wirklich nur von Vorteil sein.

Meine Damen und Herren, die Stärkung der Kinder- und Ju gendrechte – es ist schon interessant, dass das von den Oppo sitionsparteien nicht ein einziges Mal erwähnt worden ist – ist ein wichtiger Schritt, um die Interessen junger Menschen auch auf kommunaler Ebene besser zu berücksichtigen und sie mehr als bislang ins Blickfeld zu nehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Sehr richtig! – Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Sehr gut!)

Das schafft ganz einfach im Ergebnis – dessen bin ich mir und sind wir uns sicher – bessere Bedingungen für junge Men schen in Städten und Gemeinden. Sie sind früher in Beteili gungsprozesse eingebunden und haben die Möglichkeit – ich habe das in der ersten Lesung schon einmal sinngemäß for muliert –, Demokratie zu erlernen, Demokratie zu erfahren; denn Demokratie bekommt man nicht in die Wiege gelegt.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Die Beteiligung und die Integration von Einwohnerinnen und Einwohnern, die nicht die Staatsangehörigkeit eines EU-Mit gliedsstaats haben, wird mit der Einführung der Antragsbe rechtigung für Einwohnerversammlungen weiter verbessert. Wir machen dadurch deutlich, dass auch diese Menschen nicht nur die Möglichkeit haben, das Zusammenleben in der Ge meinde durch ihr Mittun in Organisationen, in Vereinen und in den Kirchen zu verbessern, sondern auch die Möglichkeit, kommunalpolitische Entscheidungen mit zu beeinflussen.

Meine Damen und Herren, mit der gesetzlichen Verankerung der Erstattung von Betreuungsaufwendungen beispielsweise für Kinder und pflegebedürftige Angehörige von kommuna len Mandatsträgerinnen und Mandatsträgern fördern wir die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Theoretisch wird es al lenthalben immer unterstützt, aber wenn es um die praktische Umsetzung geht, gibt es jede Menge Gründe, die dagegen an geführt werden. Wir schaffen jetzt die praktische Anwen dungsmöglichkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Jeder Gemein derat hat das heute!)

Meine Damen und Herren, die Stärkung der Fraktionen wird zu einer Belebung der kommunalen Demokratie führen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Das Spektrum der Ansichten im Gemeinderat – –

(Zuruf des Abg. Thomas Blenke CDU)

Kollege Blenke, warum ausgerechnet Sie und Vertreter Ih rer Fraktion das Thema Politisierung hier immer negativ in den Raum stellen, ist mir nun wirklich schleierhaft. Ich erin nere daran, wie Sie politisiert haben. Es ist nicht viele Jahre her, dass Sie auch in den Gemeinderäten gegen Kinderbetreu ungseinrichtungen und Betreuung unter Dreijähriger politi siert haben.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Sehr richtig!)

Das macht doch im Prinzip deutlich, dass es höchste Zeit ist, für diese neue Möglichkeit der demokratischen Mitwirkung der Gemeinderäte, für die Fraktionsbildung den gesetzlichen Rahmen besser auszugestalten, als dies bislang der Fall ist.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Das Erstaunliche ist ja nun wirklich, dass bei allen Gesprä chen, die wir mit den kommunalen Landesverbänden geführt haben, in vielen Bereichen schon ein breites Einvernehmen und Miteinander erkennbar war. Am Ende des Tages war es schwerpunktmäßig noch der Städtetag, der auch zu dem ge standen ist, was in diesen Gesprächen immer Inhalt war. Denn anfänglich hat es wirklich ein breites Miteinander gegeben. Am Ende ist der Gemeindetag aus grundsätzlichen Erwägun gen von dieser Linie weitestgehend abgewichen.

Herr Kollege Klein, weil Sie vorhin einmal erwähnt haben, dass dies alles gegen den Willen beispielsweise der Kreis-, Gemeinde- und Ortschaftsräte passieren würde, will ich schon einmal sagen: Das stimmt nun einmal gar nicht. Sie definie ren Kommunen ausschließlich über die Interessen der Bürger meister und Oberbürgermeister; wir definieren Kommunen auch im Interesse der kommunalen Mandatsträger und vor al lem auch der Bürgerinnen und Bürger.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Ich kenne diese kommunalen Mandatsträger nicht, ich kenne diese Bürgerinnen und Bürger nicht, die gegen solche Rege lungen wie die, die wir jetzt vorsehen, Sturm laufen würden.

(Zuruf des Abg. Dr. Patrick Rapp CDU)

Meine Damen und Herren, zumindest beim Kernpunkt der Novellierung, der Erleichterung von Bürgerbegehren und Bür gerentscheiden – das muss ich nicht ausführen –, sind Sie bei Ihrer Meinung und Ihrer grundsätzlichen Linie geblieben. Da für sage ich dann auch ausdrücklich Danke. Wenigstens die sen Schritt sind Sie gemeinsam zu gehen bereit.

Meine Damen und Herren, zu den Änderungsanträgen der Re gierungsfraktionen möchte ich kurz Folgendes anmerken: Mit der Änderung der Altersgrenzen für Bürgermeister, für Land räte und Beigeordnete vollziehen wir eine, wie ich meine, maßvolle Veränderung, die nun wirklich nicht irgendwo in Zirkeln entstanden ist. Das war vielmehr Wunsch auch der kommunalen Ebene, in diesem Fall vieler Bürgermeisterin nen und Bürgermeister sowie Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeister. Diesem Wunsch tragen wir nunmehr Rech nung. Insgesamt reagieren wir auch auf eine steigende Le benserwartung, und wir reagieren auf längere Lebensarbeits zeiten, die in anderen Bereichen längst gang und gäbe sind. Das setzen wir jetzt mit der Änderung der kommunalverfas sungsrechtlichen Regelungen um.

Zum Stichwort Internetbekanntmachungen: Wir ermöglichen den Kommunen – wir schreiben es ihnen nicht vor; diesen Eindruck sollten Sie auch nicht erwecken –,

(Zuruf: Freiheit!)

sich dieser modernen Medienform ganz einfach zu bedienen, wenn es beispielsweise um Bekanntmachungen und Ähnli ches geht. Gleichwohl bleibt die Möglichkeit bestehen, vor Ort zu entscheiden, wie es denn gehandhabt werden soll. Die Kommunen können selbst entscheiden; das ist wichtig. Wir geben den Kommunen die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, übrigens auch darüber, in welcher Form veröffentlicht wird. Herr Kollege Goll, auch das Redaktionsstatut wird von uns nicht vorgeschrieben, sondern wird vor Ort gemeinsam – da von gehe ich zumindest aus – mit den kommunalen Gremien erarbeitet und verabschiedet.

Durch die Abschaffung der familiären Hinderungsgründe – Kollege Heiler hat es ausgeführt – kommt den Wählerinnen und Wählern in diesen Bereich, wenn man so will, in der Tat ein Stück weit größere Verantwortung zu. Diese Verantwor tung kann man wahrnehmen, indem man dies bei der Wahl entscheidung berücksichtigt oder entsprechend nicht berück sichtigt. Die Wählerinnen und Wähler können entscheiden, inwieweit familiäre Bezüge von Gemeinderatsmitgliedern zu einander oder zum Bürgermeister bzw. zur Bürgermeisterin oder zum Oberbürgermeister bzw. zur Oberbürgermeisterin für sie bei der Wahlentscheidung eine Rolle spielen oder nicht.

Meine Damen und Herren, ich bin der Überzeugung, dass wir mit dem jetzt im Entwurf vorliegenden Gesetz die Kommu nalverfassung zukunftsorientiert gestalten.

(Zuruf von der CDU: Ha, ha!)

Wir schaffen für die Kommunen und ihre Organe – das heißt, auch die Bürgermeister, die Landräte, aber auch die Kreis-, Gemeinde- und Ortschaftsräte –, aber genauso – das ist heu te hier zumindest von der Opposition so gut wie gar nicht in Augenschein genommen worden – für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes, für die Einwohnerinnen und Einwoh