Protokoll der Sitzung vom 12.10.2011

Zweite Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zum Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsver trag und zur Änderung medienrechtlicher Vorschriften – Drucksache 15/197

Beschlussempfehlung und Bericht des Ständigen Aus schusses – Drucksache 15/563

Berichterstatter: Abg. Helmut Rau

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Allge meine Aussprache eine Redezeit von fünf Minuten je Frakti on festgelegt. In der Zweiten Beratung sprechen die Rednerin

nen und Redner nach folgender Reihenfolge der Fraktionen: CDU, GRÜNE, SPD, FDP/DVP.

Das bedeutet, jetzt hat Herr Abg. Rau das Wort.

Frau Präsidentin, meine lieben Kol leginnen und Kollegen! Ich glaube, wir haben einen Tages ordnungspunkt vor uns, bei dem es hier im Parlament keinen großen Streit geben wird. Es geht um die Neuregelung der Fi nanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Das ganze Verfahren dauert schon an die zwei Jahre, und es ist gut, dass es jetzt zum Ende kommt. Wir brauchen dazu die Mitwirkung aller 16 Bundesländer, und Baden-Württemberg kann heute seinen Beitrag dazu leisten. Ich möchte ausdrücklich sagen, dass die Landesregierung die Vorlagen ihrer Vorgängerregie rung dazu aufgenommen hat und nicht versucht hat, einen an deren Kurs einzuschlagen. Wir stehen hier in einer gemeinsa men Kontinuität.

Der neue Staatsvertrag beinhaltet einen Wechsel von der ge räteabhängigen Rundfunkgebühr zu einem Beitragsmodell. Es wird voraussichtlich ab dem 1. Januar 2013 einen einheit lichen Beitrag für alle Medien pro Haushaltsgemeinschaft ge ben, unabhängig von der Personen- oder Gerätezahl des Haus halts. Somit ist egal, wie Rundfunk und Fernsehen empfan gen werden. Die gesonderte Gebühr auf neuartige Empfangs geräte entfällt.

Es besteht eine Beitragspflicht für Wohnungsinhaber im pri vaten Bereich und für Betriebsstätteninhaber im nicht priva ten Bereich.

Mit dem Systemwechsel soll keine Erhöhung des Finanzvo lumens für die Finanzierung vorgenommen werden. Deswe gen wird der monatliche Beitrag in Höhe von 17,98 € beibe halten. Das ist eine wichtige Voraussetzung für die Akzeptanz.

Am wenigsten Akzeptanz wird der Systemwechsel bei den bisherigen Schwarzhörern und Schwarzsehern finden, die sich um die Gebühr gedrückt haben, künftig aber ebenso ihren Bei trag leisten werden, damit der öffentlich-rechtliche Rundfunk finanziert werden kann.

Es hat im Laufe der Erarbeitung des Vertrags Debatten gege ben, ob nicht die Wirtschaft zu stark belastet würde. Ich glau be, dass hier in den Verhandlungen zwischen allen Beteilig ten vernünftige Regelungen gefunden werden konnten, die zeigen, dass wir insbesondere Rücksicht auf kleine Betriebe nehmen. Bei Betrieben mit bis zu acht Beschäftigten wird ein Drittel des Beitrags fällig. Bei Betrieben mit bis zu 19 Be schäftigten wird ein voller Beitrag fällig; danach wird der Bei trag gestuft erhoben. Betriebe mit bis zu 19 Mitarbeitern um fassen bereits 90 % aller Betriebsstätten. Außerdem gibt es noch Sonderregelungen für die Kraftfahrzeuge bei den jewei ligen Betriebsstätten und für Hotels und Gaststätten, sodass keinem Wirtschaftszweig eine unbillige Härte droht. Auch das war wichtig für die Akzeptanz.

Unsere Erwartung geht auch dahin, dass der Verwaltungsauf wand bei diesem neuen System geringer wird. Deswegen ha be ich überhaupt kein Verständnis dafür, dass die GEZ ange kündigt hat, jetzt 250 Stellen neu schaffen zu wollen, wenn auch nur auf Zeit.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Die GEZ muss als Ergebnis dieser ganzen Umstellung irgend wann überflüssig werden und sollte nicht weitere Kontrolleu re einstellen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Das ist natürlich das völlig falsche Signal gewesen. Ich for dere die Intendanten der Sendeanstalten, denen die GEZ ge hört, auf, hier für die richtige Richtung zu sorgen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Datenschutzbe auftragte des Landes hat seine Bedenken schriftlich geäußert. Ich glaube, mit dem Entschließungsantrag, der heute hier von allen Fraktionen getragen wird, sind wir auf dem richtigen Weg, um diese Bedenken aufzunehmen und deutlich zu ma chen, dass man den Einwänden des Datenschutzbeauftragten Rechnung tragen kann und sollte. Der Staatsvertrag ist geeig net, um mit dem Thema, meine ich, insgesamt ausgewogen umzugehen.

Eine Demokratie, eine freiheitliche Gesellschaft, funktioniert nicht ohne eine Medienlandschaft, die hilft, diese Freiheit zu sichern. Aber diese Medienlandschaft steht auch in der Ver pflichtung, mit dem Geld, das ihr dafür zur Verfügung gestellt wird, vernünftig umzugehen. Es darf nicht sein, dass die Aus weitung des Finanzbudgets in den kommenden Jahren immer mehr zum Selbstläufer wird. Wir brauchen eine Haushaltskri tik bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, die an gemessen ist. Vielleicht können wir diese Gelegenheit dazu nutzen, um uns auch dieser Aufgabe künftig mit noch größe rem Nachdruck als bisher zu stellen. Bisher haben wir das ak zeptiert, was die KEF uns als Finanzbedarf serviert hat. Viel leicht schaffen wir es, hier gelegentlich auch selbst kritisch hineinzuschauen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP sowie des Abg. Andreas Stoch SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Salomon für die Fraktion GRÜNE.

Sehr geehrte Frau Präsi dentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren! Die Schweiz wird bekanntlich gern – in vielerlei Hinsicht auch zu Recht – als Vorbild genannt. In unserem Nachbarland wird zurzeit eine ähnliche Umstellung vorge nommen wie die, über die wir heute diskutieren. Wenn man die technische Konvergenz sieht, die die Bezeichnung der Ge räte als „Rundfunkempfänger“ zum Anachronismus macht, und das Ziel eines staatsfernen Rundfunks verfolgt, wird man de facto die Idee, einen Beitrag pro Haushalt zu erheben, fast schon alternativlos finden. Wir stehen also hinter diesem Mo dellwechsel, und wir stehen damit nicht allein.

Es freut mich, dass hier über alle Fraktionsgrenzen hinweg große Einigkeit signalisiert wird. Wie Sie wissen, ist das lei der nicht in allen Bundesländern der Fall. Beispielsweise wird morgen in Nordrhein-Westfalen über den Rundfunkände rungsstaatsvertrag beraten.

Wir alle haben in den letzten Wochen Anfragen von verunsi cherten Bürgerinnen und Bürgern erhalten. Über den Fünf

zehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag sind leider viele Ge rüchte und Halbwahrheiten gezielt in Umlauf gebracht wor den. Wenn das Licht eingeschaltet wird, verflüchtigen sich diese Horrorbilder aber zum Glück.

Wir werden die Entwicklung des Gebührenmodells im nicht privaten Bereich kritisch begleiten und nach dem Aufwuchs der GEZ, der bereits angesprochen wurde und der notwendig ist, die GEZ wieder auf Diät setzen. Verfassungstechnisch wird mit dem Modellwechsel deutlich, dass sich der Rund funkbeitrag auf die Existenz eines unabhängigen Rundfunks insgesamt bezieht und es nicht um ein öffentlich-rechtliches Pay-per-View geht. Wer Pay-per-View zum Modell machen möchte, übersieht die kulturelle und informative Pflicht, in der sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk befindet. Dieser Auf trag dient in einer modernen Gesellschaft letztlich dem Wohl und Nutzen aller.

Wir nehmen aber die Bedenken der Bürgerinnen und Bürger sehr ernst. Unsere Aufgabe ist daher, jetzt den Modellwech sel hin zu einem Rundfunkbeitrag positiv und kritisch zu be gleiten. Dazu gehört insbesondere das Thema Datenschutz, welches wir bereits – darauf muss ich immer wieder zurück kommen – in den Anfängen der Vertragsgestaltung angemahnt haben und das ich bereits in meiner ersten Rede gestreift ha be, unabhängig davon, dass der Datenschutzbeauftragte des Landes auch seinen Bericht abgegeben hat.

Deswegen haben wir einen Entschließungsantrag initiiert – ich freue mich darüber, dass dieser auch interfraktionelle Zu stimmung gefunden hat –, in dem wir die Landesregierung auffordern, mit den anderen Ländern in Verhandlungen darü ber einzutreten, den Modellwechsel nicht nur in finanzieller und wirtschaftlicher Hinsicht evaluieren zu lassen, sondern auch zu überprüfen, wie die Rundfunkanstalten in der Praxis mit den Daten der Bürgerinnen und Bürger umgehen. An die ser Evaluierung müssen aus unserer Sicht die Landesdaten schutzbeauftragten zwingend beteiligt sein.

Das hat man auch beim Bericht gesehen. In diesem wurde noch einmal auf die Probleme des Rundfunkänderungsstaats vertrags hingewiesen. Es ist nach unserer Meinung zwingend und ein wichtiger Punkt, dass die Datenschutzbeauftragten be teiligt werden.

Wir haben die Verpflichtung, dazu beizutragen, dass aus mög lichen Mängeln des neuen Modells gelernt wird und diese Er fahrungen in den dann folgenden Rundfunkänderungsstaats vertrag einfließen werden. Jetzt aber steht zunächst der jetzi ge Modellwechsel an, den wir ausdrücklich begrüßen. Ich richte mich an alle Fraktionen, wenn ich sage: Lassen Sie uns diesen Schritt, den wir unbedingt brauchen, gemeinsam ge hen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Das Wort hat Herr Abg. Stoch von der Fraktion der SPD.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, lie be Kolleginnen, liebe Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist in der Tat so, wie Kollege Rau es sagte: Dieses Thema im Bereich Medienpolitik wird in diesem Land

tag erfreulicherweise ohne Streit und im sachlichen Diskurs geklärt.

Wir haben – das wurde bereits von meinen Vorrednern ange sprochen – im Bereich der Gebührensystematik des öffent lich-rechtlichen Rundfunks sicherlich einen epochalen Wech sel, eine epochale Veränderung. Wir werden zukünftig eine Umstellung auf die Haushaltsabgabe haben.

Dies ist für uns Anlass, dass wir als diejenigen, die als Lan desparlament darüber zu befinden haben, deren Zustimmung benötigt wird, auch den Blick auf die Adressaten richten, näm lich auf die Konsumenten der Medien. Diese werden letztlich hauptsächlich drei Dimensionen des Bereichs öffentlich-recht licher Rundfunk interessieren:

Zum einen ist es der Preis. Kollege Rau hat es bereits ange sprochen. Wir werden zukünftig sehr darauf zu achten haben, dass das, was uns von den Rundfunkanstalten vorgelegt und von der KEF überprüft wird, auch einer kritischen Würdigung unterzogen wird.

Allerdings darf ich darauf hinweisen, dass wir, die SPD-Frak tion, selbstverständlich einen starken öffentlichen Rundfunk wollen. Denn dieser öffentliche Rundfunk hat in unserer Me diendemokratie eine nicht zu unterschätzende Bedeutung.

Wir haben darüber hinaus eine Perspektive, die jeder Adres sat, jeder Medienkonsument für sich selbst immer wieder zu bewerten hat, nämlich die der Qualität. Wir werden auch da rauf zu achten haben, dass die Entwicklung im Medienbereich nicht an den Bedürfnissen der Zuschauerinnen und Zuschau er vorbeigeht, sondern auch die Qualität gewahrt wird. Dies steht natürlich bei den Menschen auch in Zusammenhang da mit, was sie für diese Qualität zu zahlen haben.

Wir haben als dritte Dimension – das ist die Besonderheit im öffentlich-rechtlichen Rundfunk – natürlich den Eingriff in die Privatsphäre, wenn es darum geht, diesen zukünftig zu er hebenden Haushaltsbeitrag auch zu erhalten. Deswegen bin ich dem Landesdatenschutzbeauftragten, Herrn Klingbeil, sehr dankbar, dass er uns nochmals darauf hingewiesen hat, was auch schon in der Diskussion war, nämlich einen Blick dar auf zu richten, wie die Rundfunkanstalten eigentlich an ihre Daten kommen.

Das, was uns jetzt als Fünfzehnter Rundfunkänderungsstaats vertrag vorliegt, öffnet doch eine Tür gerade im Bereich der Datenerhebung, die größer ist als die bisherige Tür.

Deshalb – Kollege Salomon hat es bereits angeführt – freut es mich sehr, dass alle vier Fraktionen des baden-württembergi schen Landtags diesen Entschließungsantrag unterstützen, in dem gerade dies zum Thema gemacht wird. Denn wir wollen keine neue Datenkrake, sondern wir wollen, dass die Men schen in diesem Land das Gefühl haben, dass gerade in An betracht der technischen Entwicklung verantwortlich mit ih ren Daten umgegangen wird, und zwar vor allem von den öf fentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten.

Mich freut, dass wir gemeinsam diesen Entschließungsantrag einbringen:

Erstens wird an die Rundfunkanstalten appelliert, bei der Er hebung und Verwendung von persönlichen Daten den Grund satz der Verhältnismäßigkeit zu respektieren.

Zweitens wird, wenn wir diesen Rundfunkänderungsstaats vertrag in Lauf gesetzt haben, in der Evaluation auch zu prü fen sein, ob all diese Eingriffsbefugnisse in diesem Maß über haupt notwendig sind oder ob wir in der Erneuerung und Ver änderung der Rundfunkänderungsstaatsverträge eventuell wie der etwas zurücknehmen können, weil das Ziel auch mit ge ringeren Mitteln erreicht wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich denke, mit ei nem entsprechenden Beschluss in dieser Zweiten Beratung des Gesetzentwurfs werden wir heute für Baden-Württem berg, aber natürlich auch für die Systematik in Deutschland eine große Veränderung herbeiführen. Ich hoffe, dass wir nicht ein drittes Mal mit diesem Rundfunkänderungsstaatsvertrag hier im Parlament zugange sein werden. Ich hoffe auch, dass die Umstellung der Qualität der öffentlich-rechtlichen Rund funkanstalten zugutekommt.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Das Wort hat Herr Abg. Dr. Goll von der Fraktion der FDP/DVP.