Protokoll der Sitzung vom 29.10.2015

(Zuruf des Abg. Manfred Lucha GRÜNE)

Wir haben versucht, einen Kompromiss zu finden. Uns war bewusst, dass dieses Thema möglicherweise nicht ganz durch kommt. Uns war es über alle vier Fraktionen wichtig, dieses sensible Thema gemeinsam zu verabschieden.

Es wurde angesprochen: Im April 2014 hat der VGH BadenWürttemberg die Friedhofssatzung der Stadt Kehl an dieser Stelle für rechtswidrig und unwirksam erklärt. Ich hatte das zum Anlass genommen, im Oktober 2014 mit einem Antrag der FDP/DVP nachzufragen, ob die Landesregierung das Ziel hat, das Bestattungsgesetz zu ändern. Damals lautete die Aus

sage noch, man halte es derzeit nicht für erforderlich und emp fehle den Kommunen einfach, den betreffenden Paragrafen nicht zu verwenden.

Insofern begrüßen wir, dass jetzt die Initiative ergriffen wur de. Wir sind gern bereit, gemeinsam eine Änderung vorzuneh men. Uns ist es wichtig, dass die Bürokratie überschaubar ist, dass es für die Betriebe nicht wieder einen großen Aufwand bedeutet. Uns ist es auch wichtig, faire Wettbewerbsbedingun gen zu schaffen. Beim Ziel sind wir uns einig.

Es gibt auch andere Branchen, die davon betroffen sind. Ich nenne nur einmal die Bekleidungsindustrie. Dafür hat man 2008 auch die Verwaltungsvorschrift Kinderarbeit – ich wer de den gesamten Titel nicht wiederholen; der Kollege ReuschFrey hat ihn zitiert – erlassen, die man im Übrigen verlängern muss, weil sie zum Jahresende ausläuft.

Wir haben inzwischen auch Stellungnahmen vom Bundesver band Deutscher Steinmetze und von der Landesinnung Be stattungsgewerbe bekommen. Ich nehme an, diese Stellung nahmen werden wir zum Anlass nehmen, das Thema auch im Ausschuss noch einmal aufzugreifen. Denn uns ist es wich tig, auch hier eine Regelung zu finden, die nicht nur rechtlich sicher, sondern auch sinnvoll handhabbar ist und über länge re Zeit Bestand haben wird.

Ich glaube, es gibt da einige Vorschläge, die man durchaus prüfen kann und die auch Anlass geben, das im Ausschuss noch einmal zu besprechen. Deshalb bin ich sehr sicher, dass wir da eine gemeinsame Lösung finden werden.

Insofern erspare ich dem Plenum jetzt zwei Minuten meiner Redezeit, Herr Präsident.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten aller Fraktionen)

Für die Landesregie rung erteile ich Frau Sozialministerin Altpeter das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsi dent, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Die Änderung des Bestattungsgesetzes und der Bestattungsverordnung ist gut gelungen. Wir haben viele positive Rückmeldungen bekom men. Aber eine Regelung ist noch offen. Denn über eines sind wir uns hier im Haus alle einig: Ausbeuterische Kinderarbeit wie z. B. bei der Herstellung von Grabsteinen oder Grabein fassungen darf auf unseren Friedhöfen keinen Platz finden.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Wir hatten uns darauf verständigt, eine Ermächtigung für die Träger von Friedhöfen in das Bestattungsgesetz mit aufzuneh men. Die Träger von Friedhöfen sollten in den Friedhofssat zungen festlegen können, dass nur Grabsteine und Grabein fassungen verwendet werden dürfen, die nachweislich aus fai rem Handel ohne ausbeuterische Kinderarbeit stammen. Der VGH Baden-Württemberg hat diese Regelung für unwirksam erklärt,

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Nein, nur die Fried hofssatzung!)

weil sie den einheimischen Handwerkern unzumutbare Vor gaben mache.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Nur die Friedhofs satzung!)

Es seien keine ausreichend belastbaren Zertifikate – ich führe es aus, Herr Schwarz –

(Glocke des Präsidenten)

für Grabsteine und Grabeinfassungen verfügbar. Das war – ich glaube, da sind wir uns einig – der entscheidende Punkt.

Ich habe daraufhin den Trägern von Friedhöfen empfohlen, von der Ermächtigung keinen Gebrauch zu machen. Aber das löst natürlich nicht auf Dauer unser Problem, die stattfinden de Kinderarbeit insofern auszuschalten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, unser baden-würt tembergisches Bestattungsrecht ist sicherlich ein zu kleiner Hebel, um in Indien Sozialpolitik zu machen. Denn schon die räumliche Ausdehnung der Steinbrüche ist so riesig, dass man mit Sicherheit nicht leicht einen vollständigen Überblick da rüber bekommen und behalten kann. Deshalb bin ich mir ganz sicher, dass es auch in Zukunft schwierig sein wird, belastba re Zertifikate zur Verfügung zu haben.

Aber zu behaupten, es seien hier unlösbare Probleme bei der Verhinderung ausbeuterischer Kinderarbeit gegeben, das gin ge mir doch zu weit. Deshalb finde ich, dass wir hier nicht auf geben dürfen, und ich denke, dass wir in dieser Frage auch nicht aufgeben werden.

Unser Anliegen ist so wichtig, dass wir an allen anderen Stell schrauben drehen müssen, um unserem Ziel näherzukommen. Wir müssen deutlich machen, dass wir ausbeuterische Kin derarbeit entschieden ablehnen. Dabei – die Vorredner haben es gesagt – dürfen wir uns nicht nur auf Grabsteine und Grab einfassungen beschränken. Kinderarbeit in indischen Stein brüchen gibt es vor allem auch bei der Herstellung von Pflas tersteinen aus Steinabfällen. Ich denke, auch da ist es ange sagt, die kommunale bzw. öffentliche Beschaffung von Pflas tersteinen einmal einer kritischen Überprüfung zu unterzie hen.

(Vereinzelt Beifall)

Ich finde, dass es ein gutes und ein wichtiges Signal ist, dass wir auch in Zeiten des beginnenden Wahlkampfs gemeinsam mit allen Fraktionen wichtige Vorhaben in Angriff nehmen, um ausbeuterischer Kinderarbeit entschieden zu begegnen.

Zunächst bin ich froh, dass wir uns auf eine gesetzliche Re gelung verständigen konnten, die hoffentlich mehr Bestand haben wird als die bisherige. Ich denke, unser gemeinsames Anliegen, ausbeuterische Kinderarbeit zu eliminieren, ist sehr deutlich geworden. Da geht es auch nicht nur um Grabsteine.

Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mir liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Die Aussprache ist damit beendet.

Ich schlage vor, den Gesetzentwurf Drucksache 15/7553 zur weiteren Beratung an den Ausschuss für Arbeit und Sozial ordnung, Familien, Frauen und Senioren zu überweisen. – Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.

Punkt 7 der Tagesordnung ist damit erledigt.

Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf:

Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Änderung von Vorschriften zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen in Baden-Württem berg – Drucksache 15/7554

Das Wort zur Begründung erhält für die Landesregierung Frau Ministerin Bilkay Öney.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ende No vember 2013 haben wir uns hier mit dem Landesanerken nungsgesetz befasst. Danach hat jede Person mit einem im Ausland erworbenen Berufsabschluss einen Rechtsanspruch darauf, dass innerhalb von drei Monaten überprüft wird, ob diese Qualifikation hier anerkannt werden kann.

Wir haben das Verfahren transparenter gemacht und Zustän digkeiten gebündelt. Wenn jetzt noch – wie gerade in Vorbe reitung – die Zuständigkeit für die Anerkennung bei Ingeni euren bei der Ingenieurkammer gebündelt wird, haben wir es in Baden-Württemberg geschafft, dass für jeden Beruf immer nur eine Stelle zuständig ist.

Den Zuständigkeitsdschungel haben wir damit endgültig ge lichtet. Wir haben einen gesetzlichen Beratungsanspruch und ein funktionierendes Beratungsnetzwerk mit vier Kompetenz zentren: in Mannheim, in Stuttgart, in Ulm und in Freiburg. Dort haben wir allein im ersten Halbjahr über 2 500 Beratun gen durchgeführt.

Diese Kompetenzzentren leisten jetzt für die Integration in den Arbeitsmarkt einen weiteren wichtigen Beitrag, da sie mit der Erfassung der mitgebrachten Qualifikationen, der Berufs erfahrungen und der Sprachkompetenzen der Flüchtlinge be traut sind.

Mittlerweile hat die Europäische Kommission zur Fortent wicklung der Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüs sen eine neue Richtlinie verabschiedet. Diese gilt es jetzt in nationales Recht umzusetzen.

Dabei geht es zunächst einmal um verschiedene Verfahrens erleichterungen. So können künftig informell im Zuge des le benslangen Lernens erworbene Kompetenzen bei der Gleich wertigkeitsprüfung berücksichtigt werden. Im Einzelfall kann ein sogenannter partieller Zugang zu reglementierten Berufen eröffnet werden. Das bezieht sich auf die Berufsbilder, die bei uns ein breiteres Gebiet abdecken als im Ausland.

Die Verfahren können künftig auch elektronisch abgewickelt werden. Die Vorgaben für einzureichende Dokumente werden abgesenkt. Nebenbei ersparen wir damit Antragstellern Kos ten für teure Beglaubigungen, die bei einer nüchternen Be trachtung eigentlich auch unnötig sind und nur einen zusätz lichen bürokratischen Aufwand darstellen.

Ferner können künftig auch die Einheitlichen Ansprechpart ner nach der Dienstleistungsrichtlinie Anerkennungsanträge annehmen und an die zuständigen Stellen weiterleiten.

Außerdem muss künftig in den Fällen, in denen die Anerken nungsstelle eine Eignungsprüfung vorschreibt, sichergestellt sein, dass die Prüfung auch innerhalb von sechs Monaten ab gelegt werden kann.

Obwohl die Europäische Kommission noch keine landesrecht lich geregelten Berufe für die Einführung des Europäischen Berufsausweises vorgesehen hat, bereiten wir die rechtlichen Grundlagen dafür bereits vor.

So weit zu den Erleichterungen und Verbesserungen in den Verfahren.

Wir führen jedoch auch zwei Instrumente ein, mit denen EUweit ein Missbrauch von Anerkennungsverfahren verhindert werden soll.

Über elektronisch verbreitete Vorwarnungen werden die zu ständigen Stellen aller Mitgliedsstaaten künftig darüber infor miert, wenn Angehörigen von bestimmten Berufen im Ge sundheitswesen sowie im Bereich Erziehung und Bildung Be schränkungen oder auch Arbeits- und Berufsverbote auferlegt werden. Dann sollten sich Fälle wie die des Arztes, der in sei ner Heimat nicht mehr praktizieren durfte und danach noch jahrelang in Deutschland Patienten behandelte, nicht mehr wiederholen. Wir hatten einen solchen Fall bei einem Hollän der, der lange Zeit in Heilbronn gearbeitet hat.

Zudem wird künftig vor Personen gewarnt, bei denen ein Ge richt festgestellt hat, dass sie sich mit gefälschten Dokumen ten eine Anerkennung verschaffen wollten. Auch das gab es: Ärzte, die keine Ärzte waren, die aber mit falschen Zeugnis sen wohl gearbeitet haben.

Schließlich möchten wir Vorschriften zur Statistik und zur Evaluation des Gesetzes ändern, damit eine länderübergrei fend einheitliche Bewertung der Anerkennungsgesetzgebung möglich wird. Wir profitieren alle, wenn die Daten der Län der leichter vergleichbar sind. Auch verhilft uns das zu einem Gesamtüberblick beim Thema Anerkennung über die Verfah ren bei bundesrechtlich und landesrechtlich geregelten Beru fen.