Protokoll der Sitzung vom 29.10.2015

Das Nächste ist – –

(Abg. Sascha Binder SPD: Reden Sie doch mal mit dem Kollegen Rülke! – Zurufe des Abg. Daniel An dreas Lede Abal GRÜNE und des Ministers Reinhold Gall – Unruhe)

Jetzt hören Sie doch einfach einmal zu.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Kolleginnen und Kollegen, las sen Sie den Kollegen ausreden.

Darüber hinaus hätte ich eine Bitte: Wir befinden uns hier im Interimsplenarsaal, in dem die Regierungsmitglieder von ih ren Plätzen aus zwar abstimmen dürfen, aber mit Zwischen rufen doch etwas zurückhaltend sein sollten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Tho mas Blenke CDU: Der Minister hat auch da vorn ei nen Platz! Da kann er Zwischenrufe machen!)

Dann gibt es noch eine wei tere Geschichte. Jetzt nehmen Sie es mir bitte ab, dass es mir als jungem Familienvater sehr schwer fällt, über Familien nachzug zu sprechen. Aber die Menschen in diesem Land ha ben Angst, dass ganz schnell aus einer Million Flüchtlinge fünf Millionen Flüchtlinge werden.

(Abg. Muhterem Aras GRÜNE: Was wollen Sie da mit sagen? – Weitere Zurufe)

Hören Sie bitte einmal zu. – Deshalb muss man zumindest überlegen, ob man eine Einschränkung des Familiennach zugs – –

(Zuruf von der SPD: Wie? – Zuruf der Abg. Muhte rem Aras GRÜNE)

Lassen Sie mich doch einmal ausreden. Wie kommt es denn immer, dass Sie zu wissen glauben, was ich sagen möchte?

(Zurufe von der SPD)

Deswegen müsste man vielleicht darüber nachdenken, den Fa miliennachzug für zwei Jahre auszusetzen. Aber wir Libera len sind auch der Meinung, dass wir ein Einwanderungsge setz brauchen, und plädieren dafür, eines einzuführen. Ich bin sehr wohl der Meinung, dass, wenn jemand es schon vorher schafft, in ein Arbeitsverhältnis zu kommen und die Voraus setzung dafür zu schaffen, dass er für seine Familie sorgen kann, wie er das auch in seinem Heimatland machen würde, dann natürlich ein Familiennachzug deutlich früher stattfin den kann.

(Abg. Muhterem Aras GRÜNE meldet sich.)

Nein, ich lasse keine Zwischenfragen zu, denn Sie haben eh schon genug dazwischengerufen.

(Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)

Das wäre natürlich auch ein Anreiz, dass sich Menschen bei uns im Arbeitsmarkt einbringen, wenn klar ist, dass ihre Fa milie dann jederzeit kommen kann, sobald man sich eben selbst um die Familie kümmern kann.

(Abg. Muhterem Aras GRÜNE: Trennen Sie sich doch mal von Ihrer Familie! Wie sieht es dann aus?)

Bei Kriegsflüchtlingen muss man übrigens auch einmal dar über nachdenken, ob man da jedes Mal das komplette Asyl verfahren abarbeiten will oder ob nicht ein vorläufiger Schutz vielleicht sinnvoller wäre.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte schlie ßen mit einem Zitat unseres Bundespräsidenten:

Unser Herz ist weit. Aber unsere Möglichkeiten sind end lich.

Weil unsere Möglichkeiten endlich sind, fordere ich Sie auf: Verlassen Sie Ihre Scheinwelt.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Scheinwelt?)

Sehen Sie ein: Die Stimmung in Baden-Württemberg ist kri tisch. Auf Schwäbisch würde man sagen: Der Kittel brennt. Zeigen Sie Kante, schaffen Sie klare und schnell arbeitende Strukturen. Denn wenn Sie weiterhin herumeiern,

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Wer eiert hier herum?)

hat das nur zur Folge, dass wir in Zukunft eine rechte Gesin nung in unseren Parlamenten vertreten haben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Für die Landesregierung erteile ich das Wort Frau Integrationsministerin Öney.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Auf forderung der CDU-Fraktion an die Landesregierung, nun doch endlich zu handeln, ist, gelinde gesagt, interessant.

(Heiterkeit des Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD)

Erstens: Das Land kann ein Bundesgesetz erst dann umset zen, wenn es tatsächlich in Kraft getreten ist. Das sogenann te Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz ist erst am Wochen ende, am 24. Oktober, also genau vor fünf Tagen in Kraft ge treten.

(Abg. Matthias Pröfrock CDU: Vor zwei Tagen war Kabinettssitzung!)

Zweitens: Die Landesregierung ist auch vorher schon – selbst ohne Vorgaben des Bundes – alles andere als untätig gewe sen. Im Gegenteil: Wir haben es geschafft, allen Flüchtlingen, die bis heute in unser Land gekommen sind, ein Dach über dem Kopf zu geben, sie zu versorgen und sie zu betreuen.

Dass das nicht einfach war, belegen die Zahlen. Wir hatten im Jahr 2015 bis einschließlich gestern mehr als 118 000 Flücht linge an den Pforten unserer Erstaufnahmeeinrichtungen. Al lein im September waren es 29 000 Menschen, eine Zahl, die im Oktober nochmals übertroffen werden wird. Das sind weit mehr Menschen, als es im gesamten Jahr 2014 waren.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: So ist es!)

Zugleich haben wir innerhalb eines Jahres 30 000 Erstaufnah meplätze geschaffen und dort alle Flüchtlinge untergebracht. Niemand musste im Freien übernachten.

Angesichts dieser erfolgreichen Kraftanstrengung den Ein druck zu vermitteln, die Regierung müsse endlich etwas tun, ist meiner Meinung nach ein durchsichtiges Wahlkampfma növer.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Ich kann verstehen, dass Sie im Wahlkampf alle Register zie hen. Aber glauben Sie im Ernst, dass die Wählerinnen und Wähler nicht sehen, was hier gerade passiert?

(Zuruf: Nein!)

Eigentlich schimpfen Sie auf die Kanzlerin, beschimpfen aber die Landesregierung. Ich glaube, in der Psychologie nennt man das Übersprunghandlung.

(Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Das ist klasse! Das muss ich mir aufschreiben!)

Schon seit vielen Monaten schöpfen wir aus allen verfügba ren Ressourcen, um den ständig anschwellenden Flüchtlings strom zu bewältigen. Seit vielen Monaten belegen wir nach und nach alle Liegenschaften, die zur Verfügung stehen, und alle Liegenschaften, die uns der Bund zur Verfügung stellt. Das sind vor allem die ehemaligen Wohnsiedlungen und Ka sernen der deutschen und verbündeten Streitkräfte. Wir sind mittlerweile in Mannheim – das Drehkreuz ist übrigens in Mannheim, in Heidelberg ist das ZRZ –, Heidelberg, Schwet zingen, Hardheim, Ellwangen, Ulm, Meßstetten, Sigmarin gen, Donaueschingen und in Immendingen. Hinzu kommen zahlreiche weitere Standorte auf privaten oder auch auf Lan desgrundstücken.

Wir arbeiten eng mit dem Bundesamt für Migration und Flücht linge zusammen, um neue Wege zu möglichst effizienteren Verfahren zu beschreiten. Unser zentrales Registrierungszen trum im ehemaligen Patrick-Henry-Village in Heidelberg, von dem hier heute schon häufiger die Rede war, hat bundesweit Vorbildcharakter.

(Zuruf von der SPD: Genau!)

So hat es auch der Bundesinnenminister gesehen, als er letz te Woche dort war.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Kleinliche Neiddiskussionen, welcher Regierungsbezirk die meisten und welcher die wenigsten Flüchtlinge aufnimmt, will ich wirklich denen überlassen, die solche Diskussionen an

fangen. Denn das führt zu nichts und hilft uns auch überhaupt nicht weiter.