Protokoll der Sitzung vom 16.12.2015

Erstens: Wenn der EuGH schon nicht will, dass die Einrich tung wie eine Strafanstalt aussieht, dann würde ich nicht ge rade eine klassische Strafanstalt nehmen, wie es die Pforzhei mer Anstalt ist. Die hat jetzt gut 100 Plätze und muss auf je den Fall umgebaut werden. Dass man sie so belässt, kann ich mir nicht vorstellen. Sie muss, auf Deutsch gesagt, ein biss chen wohnlicher werden. Dann wird sie auch keine 100 Plät ze mehr haben, und dann kann man schon fragen, ob in der jetzigen Zeit nicht von vornherein klar ist, dass dies auch gar nicht ausreichen kann. Daher die Zweifel.

Zweitens: Die Lage mitten in der Stadt kann niemand als glücklich bezeichnen.

Der dritte Grund ist der, dass diese Einrichtung eine in der Stadt bisher sehr gut verankerte Einrichtung des Jugendstraf vollzugs war. Um sie und um den ganzen Kranz ehrenamtli cher Arbeit, der sich darum gruppiert, ist es einfach schade. Gerade nach dem, was wir in Adelsheim schon auch an Un erfreulichem erleben mussten – das ist eine gute Anstalt; aber

ich erinnere auch an die Meuterei –, war es eigentlich kein Fehler im Jugendstrafvollzug, einen zweiten Standort zu ha ben, wo man eine bestimmte Gruppe von Jugendlichen unter bringen konnte, und zwar eben nicht in Adelsheim.

Aus all diesen Gründen ist es, glaube ich, schon noch einmal nötig, klarzustellen, weshalb wir von dem Standort nichts hal ten. Aber das Gesetz ist in Ordnung, und der Standort steht nicht im Gesetz. Darum werden wir dem Gesetz zustimmen.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Für die Landesregie rung erteile ich Herrn Innenminister Gall das Wort.

Herr Präsident, werte Kolle ginnen, werte Kollegen! Ich will zunächst einmal ein herzli ches Dankeschön sagen, dass wir mit der heutigen Entschei dung – das heißt mit der Verabschiedung des Gesetzes – auch eine, wie ich jedenfalls meine, gemeinsame Verantwortung übernehmen. Das war durchaus auch ein Diskussionsprozess, der erforderlich war. Wir haben im Laufe der Diskussion auch die eine oder andere Veränderung am Ursprungsentwurf vor genommen. Daran kann man schon auch deutlich machen, dass wir Anregungen, manchmal auch Wünsche im Rahmen der Möglichkeiten durchaus gern berücksichtigen.

Aber richtigerweise haben alle auch gesagt: Wir waren zum Handeln, wenn man so will, auch gezwungen. Der Europäi sche Gerichtshof hat im Juli des zurückliegenden Jahres eine glasklare Entscheidung getroffen, der wir uns zu unterwerfen haben. Demzufolge mussten wir auch eine entsprechende Ak tivität an den Tag legen. Abschiebehäftlinge und Strafgefan gene können eben nicht gleichzeitig in einer Justizvollzugs anstalt untergebracht werden, auch dann nicht, wenn sie räum lich getrennt sind. Ich will das nicht bewerten. Wir haben das einfach zur Kenntnis zu nehmen und die entsprechenden Schlüs se daraus zu ziehen.

Ich bin deshalb dem Justizminister auch außerordentlich dank bar dafür, dass er angesichts des dringenden Bedarfs des Lan des bereit war, uns die Jugendstrafanstalt in Pforzheim als Ab schiebehafteinrichtung zur Verfügung zu stellen. Wir haben den Ehrgeiz – das will ich an dieser Stelle auch sagen –, die se Einrichtung dort so schnell wie machbar in Betrieb zu neh men. Wir peilen den Mai des kommenden Jahres an. Dass da für noch Anstrengungen erforderlich sind, ist augenscheinlich. Aber die entsprechenden Finanzmittel sind zur Verfügung ge stellt. Jedenfalls hätten wir keinen anderen Standort gehabt, der in dieser Zeit so zu ertüchtigen gewesen wäre, wie es auf grund der Rechtsprechung erforderlich ist.

Auch das haben meine Vorredner gesagt – ich bin wirklich dankbar, dass dies unisono so gesehen wird –: Die Abschie behaft bei der Aufenthaltsbeendigung ist in unserem Land die letzte der Möglichkeiten, die dann anzuwenden ist, wenn al le anderen Maßnahmen nicht erfolgreich gewesen sind. Wir haben auch bei den zurückliegenden Debatten deutlich ge macht, wo wir die Schwerpunkte sehen. Die Schwerpunkte lauten: freiwillige Rückreise, das heißt Beratung, das heißt Hilfestellung zur Rückreise in die Herkunftsländer, das heißt in einem weiteren Schritt auch die zwangsweise Rückführung

und, wenn all dies in der bisher üblichen Form nicht funktio niert, dann auch die Abschiebungshaft.

Meine Damen und Herren, es ist unser Ziel – auch da besteht Gemeinsamkeit –, den Gefängnischarakter der Abschiebungs hafteinrichtung zu vermindern. Deshalb sind in der Tat ent sprechende Umbaumaßnahmen erforderlich. Aber klar ist auch: Wir müssen diese Einrichtung so betreiben, dass sie den Anforderungen an die öffentliche Sicherheit und an die Ord nung genügt.

Organisatorisch – auch das macht deutlich, dass wir ein durch gängiges und schlüssiges Konzept verfolgen, was Zuständig keit und Organisation anbelangt – soll die Abschiebungshaft einrichtung beim Regierungspräsidium Karlsruhe angesiedelt werden.

Was regeln wir in dem Gesetz, meine Damen und Herren, das wir heute in der zweiten Lesung verabschieden? Wir regeln den Vollzug der Abschiebungshaft in Baden-Württemberg. Das Gesetz enthält die erforderlichen Regelungen über Rech te und Pflichten der Untergebrachten sowie den organisatori schen Ablauf in der Einrichtung. Unter welchen Vorausset zungen die mit der Abschiebungshaft verbundenen freiheits entziehenden Maßnahmen erfolgen, ist demgegenüber schon bundesgesetzlich geregelt.

Wir folgen, wie gesagt, dem Grundsatz, dass den unterge brachten ausreisepflichtigen Ausländern nur die Beschränkun gen auferlegt werden dürfen, die der Zweck der Abschie bungshaft oder die Sicherheit und Ordnung in den Einrichtun gen erfordern. Das machen wir mit der erforderlichen Sorg falt.

Darüber hinaus sind im Gesetz Vorschriften zur Unterbrin gung, zu Arbeitsmöglichkeiten, zur Freizeitgestaltung, auch zur religiösen Betätigung geregelt. Ferner regeln wir das Be suchsrecht, die ärztliche Versorgung, die Gewährleistung der Sicherheit in der Einrichtung und das Beschwerderecht.

Ich weise auch noch einmal darauf hin, dass wir die erforder liche psychologische und soziale Betreuung durch eigene Psy chologen und Sozialarbeiter und -arbeiterinnen in der Einrich tung sicherstellen werden. Es wird dort auch einen ehrenamt lichen Beirat geben. Herr Professor Goll, Sie haben von Netz werken gesprochen, die man dann dort durchaus auch einbin den kann. Auch diese Möglichkeit ist durch den Beirat gege ben. Ich denke schon, dass sich diejenigen, die sich bereits im Bereich der Justizvollzugsanstalt entsprechend ehrenamtlich engagiert haben, auch für diese Aufgabe zur Verfügung stel len können.

Im Hinblick auf das erforderliche Vollzugspersonal werden wir wenige beamtenrechtliche Vorschriften ändern müssen. Denn auch dieser Aufgabenbereich ist in unserem Ressort neu; deshalb müssen wir uns dort entsprechend anpassen.

Ich will schon auch deutlich machen: Wichtig war und ist für uns, dass wir für die jetzt dort Beschäftigten sozial verträgli che Lösungen finden. Wir werden ihnen so weit wie irgend möglich – Hindernisse sehen wir da nicht – die Weiterbeschäf tigung in der Einrichtung anbieten.

Meine Damen und Herren, mit dem im Entwurf vorliegenden Gesetz schaffen wir demzufolge die rechtlichen Grundlagen

für eine Ausgestaltung der Abschiebungshaft in Baden-Würt temberg, die nicht nur den Vorgaben des Europarechts, son dern auch den humanitären Anforderungen genügt, die sich diese Landesregierung für den Umgang mit Ausländern auf die Fahnen geschrieben hat.

Deshalb freue ich mich, dass Sie diesen Weg gemeinsam mit uns gehen wollen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in der Allgemeinen Aussprache liegen mir keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wir kommen daher in der Zweiten Beratung zur A b s t i m m u n g über den Gesetzentwurf Drucksache 15/7614. Ab stimmungsgrundlage ist die Beschlussempfehlung des Innen ausschusses, Drucksache 15/7816. Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, dem Gesetzentwurf mit verschiedenen Änderungen zu zustimmen.

Ich rufe auf

Artikel 1

Gesetz über den Vollzug der Abschiebungshaft in Ba den-Württemberg (Abschiebungshaftvollzugsgesetz

Baden-Württemberg – AHaftVollzG BW)

mit den §§ 1 bis 16.

Bevor wir in die Abstimmung über Artikel 1 eintreten, darf ich Sie noch auf Folgendes aufmerksam machen:

Wie das Innenministerium mitgeteilt hat, ist durch den am 25. November 2015 gefassten Gesetzesbeschluss Drucksache 15/7782 – Gesetz zur Änderung des Landesbeamtengesetzes und anderer Vorschriften – noch redaktioneller Änderungsbe darf entstanden.

Bei § 15 muss noch folgende Änderung vorgenommen wer den: In Absatz 1 wird § 39 Satz 3 des Landesbeamtengeset zes zitiert. Durch den vorgenannten Gesetzesbeschluss haben sich die Sätze verschoben. Richtig muss es jetzt „§ 39 Satz 2“ lauten. – Sie stimmen dieser Änderung zu.

Wer Artikel 1 mit dieser Änderung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist Artikel 1 einstimmig zugestimmt.

Ich rufe auf

Artikel 2

Änderung des Flüchtlingsaufnahmegesetzes

Wer Artikel 2 zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Artikel 2 ist somit ein stimmig zugestimmt.

Ich rufe auf

Artikel 3

Änderung des Landesbeamtengesetzes

mit den Nummern 1 bis 3.

Wie das Innenministerium mitgeteilt hat, ist durch den am 25. November 2015 gefassten Gesetzesbeschluss Drucksache 15/7782 – Gesetz zur Änderung des Landesbeamtengesetzes und anderer Vorschriften – bei Nummer 1 noch redaktionel ler Änderungsbedarf entstanden.

Durch den Gesetzesbeschluss wurde ein Satzteil in der Auf zählung gestrichen. Es muss daher noch folgende grammati sche Änderung vorgenommen werden: Nach den Worten „Vollzugsdienstes und des Werksdienstes im Justizvollzug“ muss das Komma durch das Wort „und“ ersetzt werden. – Sie stimmen dieser Änderung zu.

(Abg. Walter Heiler SPD: Darüber kann man strei ten!)

Gut. Mit großen Bedenken stimmen Sie dem zu.

Die Fundstellenangabe der letzten Änderung im Einleitungs satz, die bislang offen geblieben ist, muss noch aufgenommen werden. Die letzte Änderung bezieht sich auf Artikel 6 des vom Landtag am 25. November 2015 beschlossenen Geset zes zur Änderung von Vorschriften zur Anerkennung auslän discher Berufsqualifikationen in Baden-Württemberg, das mittlerweile im Gesetzblatt verkündet wurde.

Die Fundstellenangabe muss noch wie folgt geändert werden:

Das Landesbeamtengesetz vom 9. November 2010 (GBl. S. 793, 794), das zuletzt durch Artikel 6 des Gesetzes vom 1. Dezember 2015 (GBl. S. 1040, 1044) geändert worden ist, wird wie folgt geändert: