Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Ich möchte mit einem Dank beginnen und nenne dabei ebenfalls zunächst den Vorsitzenden, der sein Amt mit großer Sachkunde und großem Engagement wahrge nommen hat. Auch nach meiner Meinung hätte man dies gar nicht besser machen können.
Ich bedanke mich bei den Beraterinnen und Beratern, die „ge schafft haben, dass die Schwarte kracht“ – das muss man schon sagen –, und die in einer Art zusammengearbeitet ha ben – unkompliziert und pragmatisch –, die es dem Ausschuss meines Erachtens überhaupt erst ermöglicht hat, so weit zu kommen. Dies geschah tatsächlich in einem insofern außer ordentlichen „Design“, als wir uns im Ausschuss im Wesent lichen vertragen haben. Auch für mich war das ein neues Er lebnis. Es war ein Ausschuss, in dem die Fraktionen nicht ständig aufeinander losgingen, sondern in dem wir gemein sam an einem Strang gezogen haben.
Ich bitte, auch zu beachten, dass am Schluss alle die Ergeb nisse unterschrieben haben. Bekanntlich gab es nur eine ein zige Enthaltung und im Übrigen Zustimmung. Mehr möchte ich hierzu nicht sagen. Es zählt, was unterschrieben ist. Ich weiß jetzt nicht, was man so in Interviews liest und ob das zu trifft, was Sie, Herr Kollege Pröfrock, angesprochen haben, aber für mich gilt: Was unterschrieben ist, ist Konsens, und das sind die Aussagen dieses Berichts.
Allerdings möchte ich, wenn es gestattet ist, doch noch eini ge kritische Vorbemerkungen machen, die sich jedoch nicht gegen Personen richten, sondern die kritisch in der Sache sind:
Wir hätten uns – das ist bekannt – einen breiteren Ansatz ge wünscht, einen Ansatz, der jede Form des politisch oder reli giös motivierten Terrorismus ins Visier der Untersuchungen nimmt.
Wir stehen bis heute fassungslos vor den NSU-Morden; das Mitgefühl mit den Angehörigen ist auch in dieser Debatte zu Recht schon zum Ausdruck gebracht worden. Bis heute lösen die Geschehnisse Fassungslosigkeit aus. Auf der anderen Sei te muss man sagen: Es gab in der Geschichte der Republik schon einmal ein Geschehen, bei dem wenige absolut skru pellose, zu allem entschlossene Täterinnen und Täter eine breite Blutspur durch die Republik gezogen haben. Das war die RAF. Die Gegebenheiten mögen in vielem nicht vergleich bar sein, aber in einem Punkt waren sie es doch – ich sage es noch einmal –: Eine kleine Schar skrupelloser Menschen hat eine Blutspur durch die Republik gezogen.
Und wer weiß denn, woher die Motive beim nächsten Mal kommen? Es muss sich ja nicht dasselbe wiederholen. Schon aus diesem Grund wäre es unseres Erachtens vernünftiger ge wesen, den Ansatz etwas breiter zu fassen – gerade unter dem Aspekt, dass es darum geht, ein mögliches künftiges Gesche hen zu verhindern. Damit würde man den Betroffenen sicher den größten Gefallen tun.
Der Ausschuss hatte dann die Aufgabe – das war auch sinn voll –, festzustellen, ob es in Baden-Württemberg Strukturen gibt, aus denen Extremismus entsteht. Dies bezog sich – ich habe es bereits gesagt – leider nur auf das rechte Spektrum und nicht beispielsweise auf den Islamismus. Die Frage war, ob es bei uns Strukturen und Organisationen gibt, die zu ei ner Situation führen könnten, aufgrund derer sich die Dinge wiederholen können.
Der Ansatz, zunächst eine Enquetekommission einzusetzen, war sicher nicht schlecht; das muss man sagen. Eine Enquete
Diese Enquete ist dann – das muss man sagen – durch eine merkwürdige grün-rote Passivität an die Wand gefahren wor den. Man hat daraufhin – spät – als Flucht nach vorn einen Untersuchungsausschuss beantragt; dies geschah zu einem Zeitpunkt, als ein solches Gremium eigentlich schon nicht mehr vernünftig durchführbar war.
Eine weitere kritische Anmerkung: Meines Erachtens hat sich der Ausschuss ein bisschen zu sehr in Richtung einer Ersatz staatsanwaltschaft drängen lassen. Untersuchungsausschüsse sind dazu da, staatliches Handeln zu untersuchen, zu beurtei len und gegebenenfalls zu kritisieren, aber nicht, selbst als staatliche Instanz zu handeln. Dass wir uns zu sehr in die Rol le einer Ersatzstaatsanwaltschaft haben drängen lassen, wur de mir persönlich klar, als wir sämtliche Zeugen zum Fall The resienwiese hier noch einmal gehört haben – und das, obwohl wir am Tatort waren, in Heilbronn im Rathaus saßen und ei gentlich auch dem Letzten klar war, dass diese Aussagen un tauglich sein würden. Das war allen klar; trotzdem mussten wir hier alle sozusagen noch einmal Männchen machen und all diese Aussagen, die nichts wert waren, noch einmal über uns ergehen lassen. Spätestens da ist mir klar geworden, dass wir dabei etwas falsch machten. Wir hören aber bis heute, wir hätten diesen oder jenen Zeugen nicht vernommen. Ich sage Ihnen aber: Auch dann, wenn wir irgendwann tatsächlich al le Personen vernommen haben würden, die auch nur das Ge ringste mit den handelnden Personen, die im Bericht vorkom men, zu tun hatten, wird es immer noch Menschen geben, die sagen, wir hätten nicht genug getan. Dem können wir gar nicht entgehen. Aber, meine Damen und Herren, das ist fruchtlos.
Dies hängt auch mit Folgendem zusammen – das muss man einfach sagen –: Es gibt einige Beobachter des Geschehens, die offenbar ein Interesse daran haben, dass all die Komple xe weiterhin als unaufgeklärt dastehen und es Fragezeichen gibt. Denn das ist natürlich eine wunderbare Gelegenheit, zu spekulieren, und Spekulationen sind für manche ja besonders interessant.
Natürlich können wir im Leben nichts mit Sicherheit aus schließen. Das wusste übrigens schon der bedeutende Philo soph Karl Raimund Popper, der bekanntlich gesagt hat: Wir wissen überhaupt nichts sicher, sondern wir haben immer nur Annahmen, die entweder widerlegt oder aber nicht widerlegt werden. Insofern bin ich einverstanden, wenn wir sagen: In diesem Bericht stehen Annahmen.
Diese Annahmen werden meiner Meinung nach allerdings nie mals widerlegt werden, weil sie nach meiner persönlichen Auffassung ganz einfach der Wahrheit entsprechen. Aber klar, wer kann letzten Endes schon beweisen, dass bei den Themen, die wir untersucht haben, nicht irgendetwas doch nicht so war? Wer kann ganz ausschließen, dass wir irgendetwas übersehen haben? Das kann man natürlich nicht völlig ausschließen, aber man kann im Großen und Ganzen doch davon ausgehen, dass die Aussagen dieses Berichts Tatsachen wiedergeben.
Ich betone dies deswegen so, weil ich vor Kurzem Folgendes erlebt habe: Ein gebildeter Mensch kam auf mich zu und sag
te zu mir, er habe ein Buch gelesen und wisse daher nun, dass in der Republik Ungeheuerliches passiere. Ich habe ihn dann gebeten, mir dieses Buch einmal in den Briefkasten zu wer fen, und habe ihm angeboten, es zu lesen und hinterher mit ihm darüber zu reden. Er hat das dann auch gemacht, und Sie ahnen sicherlich, um welches Buch es sich handelt: Es ist das Buch von Herrn Schorlau, der es eigentlich am cleversten ver standen hat, von dem ganzen Geschehen zu profitieren. Wenn Sie dieses Buch in die Hand nehmen, lesen Sie aber schon auf dem Umschlag „Kriminalroman“. Das steht schon drauf. Man kann Herrn Schorlau gar keinen Vorwurf machen; er schreibt schon vorn drauf, dass es ein Roman ist. Trotzdem haben es die Leute natürlich geglaubt, und auch keine dummen Leute.
Das kennzeichnet die Atmosphäre, in der das Thema behan delt wird – spekulationsgetrieben sozusagen. Der Untersu chungsausschuss schreibt aber keine Romane, sondern er hat einen Bericht vorgelegt. Das ist der Bericht eines Untersu chungsausschusses. Er darf an sich nicht spekulationsgetrie ben sein, aber wir waren es trotzdem auch.
Ich habe mich am Schluss sogar ein bisschen über mich selbst geärgert. Ich kann auch sagen, an welchem Punkt. Als sonst alles abgegrast war, hieß es im Untersuchungsausschuss kurz vor dem Ende: Ja, jetzt kommt die Aussage Zschäpe, und die Aussage Zschäpe, das ist der Knaller; da kommt heraus, dass mehr Leute auf der Theresienwiese waren; da kommt heraus, dass die alle bei Geheimdiensten waren. Die nächste Stufe des Gerüchts war, dass mir Namen genannt worden sind, wer da beteiligt war, wer genau die Täter waren, die zusätzlich auf der Theresienwiese waren. Um Gottes willen, es geht um die Beteiligung an Morden! Dann wird man mit solchen Speku lationen konfrontiert, und hinterher war natürlich wieder gar nichts. Ich glaube übrigens auch Frau Zschäpe nichts, aber das steht auf einem anderen Blatt.
Es geht nur darum, dass alle Spekulationen um ihre Aussage natürlich auch wieder Blödsinn waren. Sie hat gesagt, alles war völlig anders und alles war Spekulation.
Das dürfen wir einfach nicht machen. Wir müssen uns an Tat sachen, an Fakten halten. Deswegen muss man ganz einfach feststellen: Es gibt – da will ich nicht alles wiederholen; das ist alles so gut dargestellt worden – keine belastbaren Hinwei se darauf, dass mehr Täter als Mundlos und Böhnhardt auf der Theresienwiese beteiligt waren. Es gibt keine Hinweise dar auf, dass Frau Kiesewetter ein gezielt ausgesuchtes Opfer war; die gibt es halt nicht.
Dann der Komplex Ku-Klux-Klan, 2003. Ich bin gegen jede Verharmlosung – ich möchte das noch einmal betonen –, aber das Geschehen 2003 war grotesk. Ich will es nicht lächerlich nennen; das wäre missverständlich, weil das alles nicht zum Lachen ist. Aber man kann sich nur wundern, dass sich Er wachsene an so etwas beteiligen. Wer jedoch daraus eine gro ße Herausforderung für den Rechtsstaat ableitet, der hat mei nes Erachtens die Sache auch falsch verstanden, hat sie auch dramatisiert.
Seit 2003 ist von dieser nicht zu ernst zu nehmenden Veran staltung gar nichts mehr zu hören. Ernst ist zu nehmen, dass zwei Polizeibeamte beteiligt waren. Ich hätte übrigens schon erwartet, dass der eine dieser Beamten nicht endgültig in den Polizeidienst kommt. Denn hätte man rechtzeitig disziplina
risch reagiert, hätte man es in einem Fall noch verhindern kön nen. Das hätte man nach meiner Meinung auch müssen. In dem anderen Fall hätte man auch schneller und stärker ahn den müssen. Denn das geht nicht, auch wenn das Geschehen grotesk war und auch wenn man daraus keine strukturelle Be drohung von rechts ableiten kann. Es geht einfach nicht, dass baden-württembergische Polizeibeamte in einem solchen Ge schehen in Erscheinung treten.
Dann der Komplex Florian H.: Es gibt keine belastbaren Hin weise auf irgendeine Fremdeinwirkung. Es gibt keine belast baren Hinweise darauf, dass er tatsächlich gewusst hat, wer auf der Theresienwiese die Mörder waren. Das sind die Fak ten und Erkenntnisse dieses Ausschusses, die wir dann eben auch zur Kenntnis nehmen können und sollten, und zwar oh ne irgendwelche Unterstellungen, dass irgendein Beteiligter an dieser ganzen Veranstaltung ein Interesse daran gehabt hät te, etwas nicht zu untersuchen. Das könnte einen persönlich durchaus ärgern; das halte ich auch für unzutreffend.
Es gibt nun Beschlussempfehlungen. Da stehen die Qualitäts sicherung sowie Verbesserungen bei Polizei, Verfassungs schutz und Staatsanwaltschaft im Vordergrund. Gott sei Dank sind wir uns da mittlerweile alle einig. Aussagen in der Mitte der Legislaturperiode von verschiedenen Teilen des Hauses klangen noch nicht sehr einig. Aber wir sind uns einig, dass bei Polizei, Verfassungsschutz und Staatsanwaltschaft weiter etwas getan werden muss. Einiges ist bereits geschehen – das ist vom Kollegen Filius angesprochen worden –: mit dem Par lamentarischen Kontrollgremium und zu den V-Leuten. Das entspricht übrigens alten FDP/DVP-Forderungen; das kann jeder nachlesen. Insofern unterstützen wir natürlich die Emp fehlungen.
Ich komme mit einem kleinen Hinweis auf die nächste Legis laturperiode zum Schluss. Es ist äußerst verdienstvoll – denn es reicht bis hin zu einem Formulierungsvorschlag –, wenn man möglichst viel von dem bewahrt, was dieser Ausschuss gemacht hat. Aber ich verstehe den Beschluss, den wir gefasst haben, doch auch so – das habe ich in der Pressekonferenz zum Ausdruck gebracht –, dass sich der neue Landtag noch einmal Gedanken machen könnte, was für ein Instrument ei gentlich gewählt werden sollte. Ich komme eigentlich zum Anfang zurück und bringe noch einmal ins Spiel, ob man sich nicht entschließt, tatsächlich eine Enquete gegen sämtliche Formen des politisch und religiös motivierten Extremismus einzurichten; denn der neue Landtag ist ja frei. Dann wäre die komplette Arbeit des alten Untersuchungsausschusses gesi chert und bewahrt und könnte in das neue Gremium übertra gen werden und als Teil der Arbeit des neuen Gremiums ver wendet werden.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Untersuchungsausschusses im vierten Teil des Berichts und der Beschlussempfehlung, Drucksache 15/8000. Ich schlage vor, über die Abschnitte I bis IV getrennt abzustim men. – Sie sind damit einverstanden.
Ich komme zunächst zu Abschnitt I, mit dem Ihnen vorge schlagen wird, vom Bericht des Untersuchungsausschusses Kenntnis zu nehmen sowie entsprechend dem Beschluss des Untersuchungsausschusses vom 30. Oktober 2015 dem 16. Landtag zu empfehlen, einen weiteren Untersuchungsaus schuss einzusetzen zur Klärung der noch offenen und neu auf geworfenen Fragen im Zusammenhang mit dem Komplex „Rechtsterrorismus in Baden-Württemberg und Nationalsozi alistischer Untergrund“.
Wer Abschnitt I zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Damit ist Abschnitt I einstimmig zugestimmt.
Wir kommen zu Abschnitt II mit den Ziffern 1 bis 4, der eine Überprüfung des Untersuchungsausschussgesetzes empfiehlt. Sind Sie damit einverstanden, dass ich die Ziffern 1 bis 4 ge meinsam zur Abstimmung stelle? – Das ist der Fall.
Wer Abschnitt II zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Damit ist Abschnitt II ein stimmig zugestimmt.
Wir kommen zu Abschnitt III, der vorschlägt, die Empfehlun gen zur Umsetzung der parlamentarischen Kontrolle zu prü fen und umzusetzen. Wer Abschnitt III zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Damit ist Abschnitt III einstimmig zugestimmt.
Wir kommen zu Abschnitt IV, der empfiehlt, die Landesregie rung zu ersuchen, eine Vielzahl von ausführlich dargestellten Feststellungen und Empfehlungen zur Kenntnis zu nehmen, zu prüfen bzw. umzusetzen und über das Ergebnis der Prüfun gen und Umsetzungen bis 15. Dezember 2016 zu berichten. Wer Abschnitt IV zustimmt, den bitte ich um das Handzei chen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Damit ist Ab schnitt IV einstimmig zugestimmt.
Meine Damen und Herren, ich darf am Schluss der Beratung dem Untersuchungsausschuss für die geleistete Arbeit sehr herzlich danken. Mein besonderer Dank gilt dem Vorsitzen den, Herrn Abg. Wolfgang Drexler, der zusammen mit den Mitgliedern und stellvertretenden Mitgliedern ein wirklich ambitioniertes Sitzungsprogramm absolviert hat.
Ebenso danke ich der wissenschaftlichen Mitarbeiterin und den wissenschaftlichen Mitarbeitern des Untersuchungsaus schusses, Frau Dr. Silke Busch, Herrn Dr. Matthias Fahrner, Herrn Tobias Freudenberg, Herrn Simon Letsche und Herrn Dr. Frank Zwicker, sowie allen, die an der Arbeit des Unter suchungsausschusses beteiligt waren und diese unterstützt ha ben. Auch an sie ganz herzlichen Dank.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die unterbrochene Sitzung des Landtags von Ba den-Württemberg wird fortgesetzt.