Protokoll der Sitzung vom 18.02.2016

Ich rufe Tagesordnungspunkt 5 auf:

Bericht und Beschlussempfehlung des Untersuchungsaus schusses „Aufklärung einer politischen Einflussnahme der CDU-geführten Landesregierung Mappus auf den Polizei einsatz vom 30. September 2010 im Stuttgarter Schloss garten und auf die Ergebnisse des Untersuchungsaus schusses 2010/2011 (Polizeieinsatz Schlossgarten II)“ – Drucksache 15/8008

Berichterstatter: Abg. Joachim Kößler, Abg. Anneke Gra ner

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Einbringung und Vorstellung des Berichts durch den Vorsitzenden des Untersuchungsaus schusses zehn Minuten, für die Aussprache über den Bericht und die Beschlussempfehlung des Untersuchungsausschusses zehn Minuten je Fraktion, wobei gestaffelte Redezeiten gel ten.

Als Vorsitzender des Untersuchungsausschusses erhält zu nächst Herr Abg. Filius das Wort.

Herr Präsident, liebe Kollegin nen und Kollegen! Am 18. Dezember 2013 wurde der Unter suchungsausschuss „Polizeieinsatz Schlossgarten II“ vom Landtag eingesetzt. Gegenstand des Auftrags waren im We sentlichen zwei Themenkomplexe: zum einen die Frage, ob auf den Polizeieinsatz von der damaligen, CDU-geführten Landesregierung unter dem damaligen Ministerpräsidenten Stefan Mappus politisch Einfluss genommen worden ist, und zum anderen, ob dem ersten Untersuchungsausschuss zum Po lizeieinsatz im Schlossgarten wesentliche Unterlagen vorent halten worden waren und deshalb die Bewertung durch den Untersuchungsausschuss in der Legislaturperiode zuvor nur auf einer unzureichenden Basis getroffen worden ist.

Dem Untersuchungsausschuss wurden in insgesamt 21 Sit zungen 350 Aktenordner vorgelegt. Mehr als 100 Stunden Vi deomaterial wurden ausgewertet. 48 Beweisanträge wurden gestellt; einige wurden abgelehnt bzw. hatten sich erledigt, so dass nach Zulässigkeitsprüfung 38 Beweisbeschlüsse gefasst wurden. 31 Zeugen und eine Sachverständige wurden gehört. Insgesamt hat der Ausschuss 26 Monate gearbeitet und nun einen rund 600 Seiten umfassenden Abschlussbericht vorge legt.

Die Frage ist ja immer wieder gestellt worden: War die Ein setzung eines zweiten Untersuchungsausschusses überhaupt notwendig?

(Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU: Ja!)

Ja, auf jeden Fall. Im Dezember 2013 hatten mehrere Medi en E-Mails veröffentlicht, die eine politische Einflussnahme der damaligen, CDU-geführten Landesregierung auf den Po lizeieinsatz im Schlossgarten am 30. September 2010 nahe legten. Diese E-Mails waren dem ersten Untersuchungsaus

schuss nicht vorgelegt worden. Immer wieder hatte damals die Opposition aus SPD und Grünen eine politische Einfluss nahme auf den Polizeieinsatz gemutmaßt.

Es war daher im Dezember 2013 eine selbstverständliche Pflicht des Landtags, einen zweiten Untersuchungsausschuss zu dieser Thematik einzurichten. Denn wenn in Medien In formationen veröffentlicht werden, die das Ergebnis eines Un tersuchungsausschusses infrage stellen, dann muss ein Parla ment tätig werden. So stand ja der Verdacht im Raum, dass dem Landtag als Instanz zur parlamentarischen Kontrolle der Regierung wesentliche Informationen vorenthalten worden seien und so das Ergebnis verfälscht worden sei. Das kann und darf sich ein Parlament nicht gefallen lassen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Der Vorsitz des Ausschusses war in vielerlei Hinsicht etwas Besonderes. Es war zumindest der erste Vorsitz eines Unter suchungsausschusses in der Geschichte des Landtags von Ba den-Württemberg, der von meiner Fraktion, den Grünen, ge stellt worden ist. Die Leitung der Sitzungen war nicht immer einfach. Denn von Anfang an war der Untersuchungsaus schuss konfliktbeladen und nicht konsensorientiert.

Mein persönlicher Eindruck von der Opposition war leider, dass bedauerlicherweise wenig Interesse an einer Aufklärung der Ereignisse rund um den Polizeieinsatz im Schlossgarten und um den ersten Untersuchungsausschuss herrschte, son dern gerade die CDU – da darf ich Sie, Herr Dr. Löffler, per sönlich nennen –

(Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU: Danke schön!)

bewusst Sand ins Getriebe der Ausschussarbeit streute.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Erwähnt seien hier beispielsweise nur der Vorwurf der Ver fassungswidrigkeit des Ausschusses, Anträge auf Verweisung von Regierungsvertretern, um sie nicht an den Sitzungen teil nehmen zu lassen, oder Befangenheitsanträge gegenüber Mit gliedern des Gremiums.

(Zuruf des Abg. Thaddäus Kunzmann CDU)

Als Ausschussvorsitzender war es für mich eine große Her ausforderung, die zahlreichen Einwendungen gegen die Ar beit des Ausschusses überhaupt juristisch nachzuvollziehen. Da bin ich ganz besonders dem Juristischen Dienst des Land tags, Herrn Dr. Geiger und Herrn Finkenbeiner, zu großem Dank verpflichtet, dass sie den Ausschuss immer auf einen si cheren Pfad gewiesen haben, den wir dann auch beschreiten konnten.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und des Abg. Sascha Binder SPD)

Kein einziger Vorwurf der Opposition bewahrheitete sich im Ergebnis. Mehrere Gerichtsurteile und auch der Landesbeauf tragte für den Datenschutz, der von Anfang an und in allen Ebenen des Untersuchungsausschusses involviert war, bestä tigten die Entscheidungen und den Verfahrensgang. Der Aus schuss hat in bestmöglicher Transparenz und selbstverständ

lich auch im Rahmen der gesetzlichen und rechtlichen Vorga ben gearbeitet.

(Zuruf des Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP)

Besonders grotesk und kaum nachvollziehbar war der immer wieder vorgetragene Vorwurf der CDU, der Untersuchungs ausschuss sei insgesamt ein Aushorchungsausschuss, betref fe den Kernbereich des Regierungshandelns der Vorgängerre gierung und sei deshalb verfassungswidrig. Es dürfte ein ein maliger Vorgang in der Geschichte von Untersuchungsaus schüssen sein, dass der Ausschuss sich selbst auf seine Ver fassungsmäßigkeit untersucht hat. Dies haben wir jedoch ge tan, um jeglicher Legendenbildung vorzubeugen.

Trotz der hiermit verbundenen zeitlichen Verzögerungen und Kosten wurde bei der Staatsrechtlerin Frau Professorin Can cik ein Gutachten in Auftrag gegeben. Mit Erlaubnis des Prä sidenten zitiere ich aus dem Gutachten. Darin heißt es: Der Untersuchungsausschuss ist zulässig, er

hält sich im Rahmen der Zuständigkeit des Landtags,... und verletzt als solches nicht den sog. „Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung“.

Nicht nachvollziehbar war für mich persönlich die Haltung von Ihnen, Herr Dr. Löffler, zwar an der Auffassung festzu halten, der Ausschuss sei verfassungswidrig – so steht es ja auch faktisch wieder in dem Änderungsantrag der CDU-Frak tion –, aber dann an den Sitzungen teilzunehmen und nicht, wie angekündigt, den Staatsgerichtshof bzw. den Verfassungs gerichtshof anzurufen. Ich wäre mir sicher, auch dieses Urteil hätten wir zu unseren Gunsten – ich sage: im Sinne des Aus schusses – entschieden.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Durch das Aufwerfen von fernliegenden Rechtsfragen kam es phasenweise dazu, dass sich der Ausschuss mehr mit juristi schen Sachverhalten als mit der Aufklärungsarbeit beschäfti gen konnte.

Im letzten Jahr seiner Tätigkeit ging es im Untersuchungsaus schuss vor allem um die Frage der Verwertbarkeit von E-Mails der damaligen Umwelt- und Verkehrsministerin Tanja Gön ner und von weiterem Spitzenpersonal der Vorgängerregie rung.

Um Rechtssicherheit zu haben, wurden Gerichtsurteile abge wartet. In sämtlichen Instanzen wurde die Rechtsauffassung des Ausschusses bestätigt, dass die E-Mails rechtskonform eingesehen werden können. Das oberste Verwaltungsgericht in Baden-Württemberg, der VGH in Mannheim, hat in einer ausführlichen Abwägung dem Kontrollrecht des Untersu chungsausschusses Vorrang vor den datenschutzrechtlichen Belangen der Betroffenen eingeräumt.

Dienstliche Dokumente sind dem Untersuchungsausschuss vorzulegen, egal, ob in Papier- oder in elektronischer Form. Ein Verwertungsverbot für den Ausschuss wollte das Gericht auch nicht für den Fall bejahen, dass Daten möglicherweise rechtswidrig gespeichert werden. Dies ist auch konsequent, denn sonst würde eine effektive Kontrolle der Regierung durch das Parlament gar nicht mehr erfolgen können, weil man sich in Zeiten moderner Kommunikationsmittel hier un

ter dem persönlichen Datenschutzrecht gegebenenfalls verste cken könnte.

Die Kontrollfunktion eines Untersuchungsausschusses ist ein hohes Gut der Verfassung. Der Landtag kontrolliert als Ver fassungsorgan das Regierungshandeln. Ein Untersuchungs ausschuss ist das schärfste Mittel, das das Parlament gegen über einer Regierung einsetzen kann – das haben wir heute auch schon einmal gehört –, und dieses Mittel wäre letztend lich stumpf, wenn nicht auch alle Unterlagen vorzulegen wä ren.

Das Verwaltungsgericht ordnete an, dass die Auswahl der dem Untersuchungsausschuss vorzulegenden E-Mails durch einen Amtsrichter zu erfolgen hat. Das ist ein Weg, den auch der Ausschuss bereits selbst vorgeschlagen hatte und dem wir als Ausschuss dann natürlich gefolgt sind. So haben wir sicher gestellt, dass die Privatsphäre sowie die Persönlichkeitsrech te der Betroffenen gewahrt wurden.

Die inhaltliche Bewertung zum Untersuchungsgegenstand möchte ich vornehmlich den Obleuten der Fraktionen über lassen, nachdem eine einheitliche Bewertung im Ausschuss nicht möglich war.

Nur so viel: Wenn ich heute den entsprechenden Änderungs antrag der CDU sehe, in dem es bei Ziffer 6 heißt, im Um weltministerium sei rechtswidrig seit Amtsantritt 2011 die Speicherung von personenbezogenen Nutzerdaten aufrecht erhalten worden, so muss ich sagen: Mich verwundert zum ei nen, dass der Änderungsantrag nicht von Herrn Dr. Löffler, sondern von der gesamten CDU-Fraktion unterschrieben ist. Herrn Wolf sehe ich hier jetzt nicht; Herr Wolf hat es dann auch mitgetragen. Er war ja in den Sitzungen nicht dabei; ich weiß nicht, ob er die Protokolle gelesen hat. Einen Anhalts punkt dafür gab es gar nicht. Es ist ja auch völlig aus der Luft gegriffen,

(Lachen des Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU)

zu behaupten, dass man quasi bereits zwei Jahre vor der Ein setzung des Untersuchungsausschusses vorausahnend gesagt hat: „Da könnte vielleicht etwas kommen.“ Das hat gewisser maßen das Niveau, das wir jetzt leider auch in den Medien verfolgen können: Wenn Straftaten aufgeklärt werden und ge sagt wird, dass die nicht stattgefunden haben, gibt es dann halt Menschen, die sagen: „Das ist mir wurscht; ich glaube ein fach, dass es so war.“ So sollte man hier nicht agieren; da er weist man dem Parlament einen Bärendienst.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Sascha Binder SPD)

Ausdrücklich danken möchte ich hier den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ausschussbüros, speziell Herrn Dr. Gei ger. Herrn Finkenbeiner habe ich ja schon erwähnt, aber ich danke ihm trotzdem noch einmal sehr gern für die Arbeit, die er geleistet hat. Das alles war nämlich nicht immer einfach zu regeln. Ich danke Frau Hartmann – sie befindet sich jetzt ge rade in Elternzeit –, die im Untersuchungsausschuss ebenfalls sehr hilfreich gewesen ist, und selbstverständlich dem Haus dienst, dem Stenografischen Dienst und allen für den Aus schuss zuständigen Beraterinnen und Beratern aller Fraktio nen; sie haben die Hauptarbeit bei der Durchsicht der 350 Ak

tenordner, der inhaltlichen Vorbereitung der Sitzungen, der Zeugenbefragungen und der Abfassung des Abschlussberichts geleistet.

Die Kosten – das muss man ja auch noch einmal erwähnen – beliefen sich – Stand Januar 2016 – auf 444 826,45 €.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Das Untersuchungsausschussrecht ist ein wesentliches Struk turelement der parlamentarischen Demokratie und ist für das Funktionieren der parlamentarischen Kontrolle unerlässlich. Insoweit war das Geld gut angelegt.

(Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU: Na ja!)

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Anhaltender Beifall bei den Grünen – Abg. Karl Zimmermann CDU: Was ist jetzt herausgekommen?)

Das sagen die anderen Redner.