Protokoll der Sitzung vom 18.02.2016

Zu diesen Methoden, meine Damen und Herren, gehört zwei tens auch die erstaunliche Feststellung und der Einblick dar in, dass Zeugenaussagen von Mitgliedern der damaligen Lan desregierung oder auch von Spitzenbeamten der Ministerien im Staatsministerium systematisch vorbereitet und aufeinan der abgestimmt wurden.

(Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU: Das ist doch nicht wahr!)

Zeugen hatten die Protokolle vorangegangener Ausschusssit zungen, die sie nicht haben dürften, und konnten sie zur Vor bereitung ihrer Aussage heranziehen.

Zahlreiche dienstliche E-Mails wurden drittens – das ist schon erwähnt worden – weder zu den Akten genommen noch dem ersten Untersuchungsausschuss vorgelegt. Stellvertretend für etliche sehr wichtige steht nun einmal diese berühmte E-Mail der Frau Gönner mit dem Kernsatz:

Ziel ist, dass bis zu deiner Regierungserklärung alles mit den Bäumen erledigt ist!

Das war wichtig. Natürlich war das wichtig. Der Untersu chungsausschuss konnte sich auch um seiner selbst willen und des Landtags willen nicht bieten lassen, dass so eine zentrale Aussage und Absichtserklärung dem ersten Ausschuss vorent halten war, und das hat uns auch auf eine ganz wesentliche Spur gebracht.

Die Spur ist – viertens –, dass diese Regierungserklärung des Herrn Mappus vom 6. Oktober 2010 eine zentrale Bedeutung für die Festlegung dieses Einsatztermins der Polizei gehabt hat.

(Zuruf des Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU)

Das wurde im ersten Untersuchungsausschuss vehement be stritten, wurde zur Nebensache erklärt und stellt sich jetzt und vor allem – das war auch sehr wichtig – in den Aussagen von Polizeiangehörigen anders dar. Der frühere Chef der Bereit schaftspolizei in Baden-Württemberg, Herr B., der – so unser Eindruck – im ersten Untersuchungsausschuss sehr unter dem Druck der Ereignisse stand, aber jetzt sozusagen aus der Frei heit des Pensionärs einen klaren Blick auf die Dinge hatte, hat das sehr klar dargelegt.

Es war für die Polizei ein „bindendes Einsatzelement“ – das war sein Zitat –, die Feststellung von Beamten des Staatsmi nisteriums, aber auch des Umweltministeriums ab einer be stimmten Phase Mitte September 2010, dass dieser Polizei job, der natürlich für die Polizei unangenehm war, aber dem sie natürlich auch nicht ausweichen konnte, auf jeden Fall rechtzeitig vor dieser Regierungserklärung erledigt sein muss te, weil – so hat es der damalige Chef der Staatskanzlei im Untersuchungsausschuss gesagt – diese Regierungserklärung ein Friedenssignal an die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Stuttgart senden sollte. Mappus wollte sich also zentral als Schlichter präsentieren, nachdem vorher die Polizei sozusa gen die Schmutzarbeit für ihn erledigt hat, meine Damen und Herren.

Das ist eine klare Erkenntnis aus unserer Tätigkeit. Auch da für hat sich dieser Untersuchungsausschuss gelohnt. Genau so haben wir noch einmal die unmittelbaren Umstände für die Einsatzplanung und Einsatzentscheidung am späten Nachmit tag des 29. September im Dienstzimmer von Herrn Mappus im Staatsministerium festgestellt.

Die CDU ist offensichtlich nicht bereit, diese Ergebnisse zu nutzen, um sich endlich, endgültig und nachhaltig von Map pus und diesen Methoden – dieser Rambo-Politik, die eigent lich längst in der Vergangenheit gewähnt wurde – zu distan zieren und reinen Tisch zu machen. Aber für Ihr jetziges Ver halten müssen Sie selbstverständlich die Verantwortung selbst übernehmen.

Herr Löffler, etwas ist schon mehr als grenzwertig. Jetzt gibt es Ergebnisse und Gerichtsurteile. Der VGH ist auch nicht zu dem Ergebnis gekommen, dass Herr Untersteller irgendwel che Daten rechtswidrig gespeichert hätte. Der VGH hat fest gestellt, dass die lange Speicherung womöglich rechtswidrig gewesen sein könnte.

(Zurufe von der CDU: Genau! – Aha!)

Er hatte gar nicht die Aufgabe, darüber zu entscheiden. Aber Sie unterstellen selbstverständlich nachgewiesene Rechtswid rigkeit, obwohl Sie es besser wissen. Verstehen Sie? Wir wun dern uns nicht, warum in diesem Land so viel Verdruss und so viel Misstrauen gegen staatliche Organe wächst, wenn Landtagsabgeordnete der CDU die Menschen mit solchen Sät zen verunsichern, auf die Bäume bringen und den Verdacht nahelegen, als ob hier die amtierende Landesregierung sozu sagen permanent gegen Recht und Gesetz handeln würde. Der Abgeordnete der CDU behauptet das heute noch, obwohl er es definitiv besser weiß. Auch das, Herr Löffler, lassen wir Ih nen nicht durchgehen. Das geht nicht.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Meine Damen und Herren, letztendlich kam es darauf an, sich mit großer Hartnäckigkeit – auch dank der zügigen und gründ lichen Arbeit der Gerichte – durchzusetzen. Deswegen kön nen wir hier, wie wir meinen, präzise und auch sehr respekta ble Ergebnisse vorlegen. Dieser Untersuchungsausschuss hat sich für uns tatsächlich gelohnt.

(Zuruf von der CDU: Gelohnt! Ja!)

Wir waren es dem Landtag, aber auch der Öffentlichkeit schuldig, diese Fragen zu klären.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Ich möchte mich zum Schluss sehr herzlich beim Vorsitzen den bedanken. Der Vorsitzende stand von Anfang an unter dem Kreuzfeuer der CDU-Fraktion und des Abg. Löffler. Das habe ich in einem Untersuchungsausschuss zuvor noch nie er lebt, meine Damen und Herren.

(Lachen der Abg. Nicole Razavi CDU)

Der Vorsitzende hat diesen Job völlig untadelig und unpartei isch gemacht.

(Abg. Nicole Razavi CDU: Spieglein, Spieglein! – Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Ich bedanke mich bei den Kolleginnen und Kollegen in der Fraktion, bei meiner parlamentarischen Beraterin Elke Lang und meinem parlamentarischen Berater Jens Braunewell, aber ebenso herzlich bei den Kollegen der Opposition, auch bei Herrn Löffler.

(Zuruf des Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU)

Herr Löffler, man lernt nie aus. Wenn man Sie erlebt, stellt man sich die Frage: Ist das jetzt Ihr Privatvergnügen, oder sind Sie tatsächlich von der CDU geschickt? Ist das die Meinung der CDU-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg?

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Jawohl! – Gegen ruf des Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Echt? Sind Sie sich da sicher, Herr Röhm?)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, dieser Erkenntnisge winn kann am heutigen Tag gar nicht hoch genug bewertet werden, oder?

Zum Schluss einen Dank auch an die Verwaltung, an Herrn Dr. Geiger, den sehr profunden Mitarbeiter im Ausschussbü ro, und an Herrn Finkenbeiner. Herr Finkenbeiner, es tut mir leid, dass Sie in diesem Untersuchungsausschuss über Gebühr mit dem Schreiben von Vermerken und Ähnlichem beschäf tigt waren. Aber Sie haben das in der gewohnten Souveräni tät gemacht.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU – Gegenruf der Abg. Beate Böhlen GRÜNE)

Allen, die zur Arbeit und zu dem Ergebnis dieses Untersu chungsausschusses beigetragen haben, einen herzlichen Dank.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Binder das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein weiterer Untersuchungsausschuss hat sei ne Arbeit beendet und legt heute dem Landtag von BadenWürttemberg einen Abschlussbericht vor.

(Zuruf des Abg. Karl Klein CDU)

Entgegen der Situation bei dem anderen Untersuchungsaus schuss, dessen Bericht wir heute verabschiedet haben, sind wir mit unserer Arbeit am Ende. Das war beim Untersu chungsausschuss „Polizeieinsatz Schlossgarten I“ nicht der Fall, wie wir im Verlauf dieser Legislaturperiode erleben mussten, als durch eine Berichterstattung der „Stuttgarter Zei tung“ und des SPIEGEL eine E-Mail von Frau Ministerin Gönner an Herrn Mappus bekannt wurde, in der klar zu lesen war:

Ziel ist, dass bis zu deiner Regierungserklärung alles mit den Bäumen erledigt ist!

Wer dies gelesen und erkannt hat, kam nicht umhin, noch ein mal nachzufragen und noch einmal zu klären, was der Grund war, die Polizei, die Polizistinnen und Polizisten, entgegen vieler Warnungen an diesem Tag und zu diesem Zeitpunkt in den Stuttgarter Schlossgarten zu schicken, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Jetzt stellt sich die Frage: Was war zuerst? Gab es zuerst den Termin des Polizeieinsatzes oder den der Regierungserklä rung? Darüber kann man sich trefflich streiten. Vielleicht wer den wir es auch nie klar erfahren. Aber eines ist doch völlig klar, nämlich dass der Termin dieser Regierungserklärung ir gendwann feststand. Diese Regierungserklärung hatte auch einen Inhalt. Da ging es nicht um die Bildungspolitik, da ging es nicht um die Wirtschaftspolitik, da ging es nicht um die So zial- und Gesundheitspolitik, sondern da ging es um die Fra ge: Wie steht die CDU-geführte Landesregierung zu der Situ ation bezüglich Stuttgart 21 und den damit einhergehenden Protesten?

Es war schon interessant, dass der ehemalige Staatssekretär im Staatsministerium sagte, dass diese Regierungserklärung eine friedensstiftende Regierungserklärung sein sollte. Durch andere Unterlagen kam heraus, dass nach dieser Regierungs erklärung im Stuttgarter Schlossgarten keine weiteren Bäume mehr gefällt werden durften.

Jetzt sage ich Ihnen eines: Hätte dieser Polizeieinsatz an die sem Tag nicht stattgefunden, dann hätte es auch diese Regie rungserklärung von Herrn Mappus nicht geben können; denn dann hätten Inhalt und Tatsache dessen, was dort drüben pas sierte, nicht zusammengepasst. Deshalb war es wichtig, die sen Polizeieinsatz an diesem Tag durchzuführen, liebe Kolle ginnen und Kollegen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Wir haben erlebt, dass vor einem Polizeieinsatz – – Dieser Po lizeieinsatz war im Übrigen im Land Baden-Württemberg nicht der größte;

(Zuruf des Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU)

es gab Papstbesuche, es gab eine FIFA-Weltmeisterschaft, bei denen deutlich mehr Polizistinnen und Polizisten eingesetzt waren, als es im Schlossgarten der Fall gewesen ist. Aber es kam vor diesen großen Polizeieinsätzen nie zu einer Bespre chung im Staatsministerium unter Teilnahme des Ministerprä sidenten, sondern man hat bei all diesen großen Einsätzen so viel Vertrauen in die Polizei gesetzt, dass sie nach allein poli zeitaktischen Überlegungen entscheidet, wann und, wenn ja, mit wem und mit wie vielen Polizistinnen und Polizisten und

mit welcher Taktik man vorgeht. Auch dies unterscheidet die sen Einsatz im Schlossgarten von allen anderen großen Poli zeieinsätzen. Es war nämlich eine politische – eine politische! – Frage: Wie wehrhaft kann man sich gegen diese Proteste wehren? Und wie passt das auch mit der politischen Stim mungslage zu diesem Zeitpunkt zusammen, nachdem der Mi nisterpräsident einige Wochen zuvor den Fehdehandschuh ins Spiel gebracht hatte?

Wenn man sich diese Zeitabläufe richtig anschaut, wird doch relativ schnell klar, welches Spiel dort gespielt worden ist, nämlich ein Spiel auf dem Rücken derer, die gegen diesen Bahnhof demonstriert haben, aber auch auf dem Rücken der Polizistinnen und Polizisten in diesem Land, liebe Kollegin nen und Kollegen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Kollege Löffler, die Zeit mit Ihnen im Untersuchungsaus schuss war sehr spannend. Sie haben diesen Untersuchungs ausschuss zu Beginn vielleicht für nicht notwendig erachtet, sich aber für ihn sehr offen gezeigt, bis Sie dann begonnen ha ben, diesen Untersuchungsausschuss infrage zu stellen und ihn in Teilen sogar für rechtswidrig zu erachten.