Protokoll der Sitzung vom 09.11.2011

Die durchschnittliche Verfahrensdauer im Flurbereinigungs bereich beträgt noch immer 17 Jahre. Sie hinterlassen uns 17 Jahre Verfahrensdauer. Sie hinterlassen uns ungefähr 430, 450 Verfahren. Sie hinterlassen uns 40 % Personalabbau im Flur bereinigungsbereich in 20 Jahren. Allein in den letzten 17 Jah ren waren es 27 %. Sie hinterlassen uns eine Verwaltungsre form, die die Flurbereinigung gerupft, auf die Landkreise auf gesplittert, atomisiert hat. Dann ging ein Teil wieder zurück auf die Ebene der Regierungsbezirke. Das hinterlassen Sie uns.

Es ist schwierig, dazu einen Antrag mit einem Beschlussteil einzubringen, wenn man nicht selbst in die Pfanne gehauen werden will. Das mache ich jetzt mit Vergnügen.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und den Grünen)

Kollege Straub hat vorhin auf Befürchtungen hingewiesen, Flurbereinigungen erfolgten nur noch mit Blick auf den Na turschutz. Lieber Kollege Straub, ich zitiere – –

(Zurufe: Traub!)

Der Kollege heißt Traub.

Lieber Kollege Traub, ich zitiere aus einer Flurbereinigungsbroschüre des Vorgängers des jet zigen Landwirtschaftsministers:

Für den Naturschutz und die Landschaftspflege steht der Erhalt der biologischen Vielfalt im Vordergrund. Hierfür wurde die Ökologische Ressourcenanalyse in der Flur neuordnung eingeführt, auf deren Grundlage dann der Grunderwerb, die Entschärfung von Nutzungskonflikten, die Pflanzung von Streuobstbäumen... durchgeführt wer den.

Exakt das – exakt das! – hat Ihr Minister damals aufgeschrie ben, und das gilt noch heute.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Kollege Winkler, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Dr. Bullin ger?

(Zuruf von der SPD: Nein!)

Selbstverständlich schon jetzt, nicht erst nachher.

Mir geht es einfach darum, dass ein Begriff heute nicht mehr fällt, den auch Kol lege Murschel immer wieder verwendet hat. Es geht um den Begriff Flurbereinigung. Wir wollen aber keine Flur bereini gen.

(Zuruf des Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE)

Die Frage ist: Können wir uns darauf einigen, dass wir eine Flurneuordnung wollen, und zwar mit Nachhaltigkeit, Öko logie und Wirtschaft, in einer Weise, in der Ökonomie und Ökologie gemeinsam eine Daseinsberechtigung haben, und keine Flurbereinigung? Diesen Wunsch habe ich. Können wir uns darauf einigen?

Kollege Bullinger, jetzt haben Sie endlich einmal etwas Elementares gesagt. Sie haben recht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Flurneuordnung ist der richtige Begriff, auch wenn ich den al ten Begriff manchmal noch verwende.

(Zuruf des Abg. Dr. Bernd Murschel GRÜNE)

Die Flurneuordnung ist wichtig. Sie hängt mit dem ländlichen Raum zusammen, mit Strukturverbesserungen im ländlichen Raum. Sie ist unverzichtbar für die Wirtschaftlichkeit der Be triebe.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr schön!)

Die Betriebe werden sich hinsichtlich ihrer Wirtschaftlichkeit modern ausrichten. Ökologische Betriebe haben übrigens das selbe Wachstumspotenzial wie konventionelle Betriebe; sie sind genauso darauf angewiesen.

Die Flurneuordnung hat starke Auswirkungen. Es ist wichtig, dass bei Flurneuordnungen und Abzügen beispielsweise für den Straßenbau und Ähnliches sozialverträglich vorgegangen wird und die Belastungen auf alle verteilt werden, sodass nicht nur einige wenige davon benachteiligt sind. Die soziale Ver träglichkeit der Flurneuordnung ist ein ganz wichtiger Ge sichtspunkt. Selbstverständlich – das wurde heute schon mehr fach erwähnt – ist die ökologische Wirkung wichtig, die den Flurneuordnungsverfahren zugeschrieben wird. Wir legen heute Wert auf biologisch wirksame Heckenbestände, was frü her unterging oder untertrieben wurde.

Aber eines ist deutlich: Der Verfahrensstau, den wir heute vor uns herschieben, beträgt noch immer acht bis zehn Jahre. Das ist nicht von uns produziert worden, das übernehmen wir. Die neuen Verfahren, die hinzukommen – es waren eine Zeit lang weniger; 2008 waren es 18 Verfahren, mittlerweile sind es wieder über 30, die neu hinzukommen –, haben Gott sei Dank eine kürzere Dauer. Ein Teil davon kann an Private, z. B. an private Vermesser, vergeben werden.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Kollege Winkler, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Raab?

Ja, gern.

Sie haben aber nur noch vier Sekunden Redezeit. Ich sage es Ihnen lieber gleich, Herr Kollege Winkler.

(Heiterkeit)

Nein. Sie haben die Zeit für die Beantwortung der Frage des Kollegen Bullinger nicht abge zogen.

Diese Zeit wird nicht abgezogen. Deswegen sagen viele Abgeordnete, sie möchten die Fragen am Ende der Redezeit beantworten. Sie sind doch schon lange im Landtag. Das wissen Sie doch.

(Heiterkeit)

Herr Kollege Raab.

Herr Kollege Winkler, weil Sie vorhin die Verfahrenszeiten für diese Flurneuordnungsverfah ren als ein Problem der jeweiligen Regierung angesprochen haben, frage ich Sie: Ist Ihnen bewusst, dass die Gemeinden – als konkretes Beispiel die Stadt Ettlingen – oftmals größten Wert darauf gelegt haben, dass ein Verfahren nicht abgeschlos sen wird, weil man im Wege der kommunalen Bauleitplanung weitere Anliegen an die Flurneuordnung hatte? Deshalb kann man überhaupt nicht von einem Problem reden. Vielmehr führt dies in der Zusammenarbeit der kommunalen Behörde und der anderen Behörden zu besseren Ergebnissen vor Ort. Wenn Ihnen das bewusst ist, dann bitte ich Sie, dass Sie dies so be stätigen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Lieber Kollege, ich bestätige Ih nen das gern. Ich habe lediglich aus einer Broschüre zitiert, die auf die durchschnittliche Verfahrensdauer von 17 Jahren hinweist, die wir einfach übernehmen. Aber ich bestätige das mit dem Hintergrund, den Sie genannt haben, nämlich der In teressenlage der Gemeinden, und ich bestätige auch, dass in den letzten Jahren vom Ministerium versucht worden ist, die se Verfahrensdauer zu verkürzen. Das ist auch nötig.

(Zuruf der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU)

Vorhin wurde ein Beispiel für eine kurze Verfahrensdauer ge nannt. Das ist richtig.

Aber wir gehen einig darin, dass nach wie vor alle Verfahren zu lange dauern, und wir sind uns einig, dass dadurch zu vie le Verfahren gleichzeitig im Spiel sind, dass wir das deshalb beschleunigen müssen und nicht darauf verzichten dürfen, die Flurneuordnung im Rahmen der Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft weiter zu betreiben, und sie nicht einschrän ken dürfen. Wir brauchen die Flurneuordnung für die Wirt schaftlichkeit, und wir brauchen sie im Hinblick auf das wirt schaftlich wichtige Thema „Ländlicher Raum in der Zukunft“.

Danke sehr.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Für die Landesregie rung erteile ich Herrn Minister für Ländlichen Raum und Ver braucherschutz Bonde das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Da men und Herren! Ich muss gestehen, ich verstehe die Aufre gung, die hier von der FDP/DVP erzeugt wird, nicht wirklich. Herr Abg. Dr. Bullinger, ich wundere mich etwas: Sie haben mich vorhin in Ihren Eingangseinlassungen aus dem „Staats anzeiger“ mit der Aussage zitiert, die Flurneuordnung sei auch weiterhin Landesaufgabe. Sie haben das hier – ausweislich des Protokolls – als „Binsenweisheit“ charakterisiert.

Ich frage Sie daher, weshalb Sie, wenn sich diese Aussage ei ne Binsenweisheit schimpfen lassen muss, die Landesregie rung in der Ziffer 5 Ihres Antrags ersuchen, zu berichten,

ob sie die Aufgaben der Flurneuordnung auch weiterhin als Landesaufgabe betrachtet...

Darf ich nun daraus den Schluss ziehen, dass Sie hier Binsen weisheiten abfragen? Oder was genau führen Sie mit solch ei ner billigen Nummer eigentlich im Schilde?

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Also beantworte ich Ihre Frage erneut: Ja, die Landesregie rung hält die Flurneuordnung auch weiterhin für eine Lan desaufgabe. Punkt. Wenn Sie damit jetzt glücklich sind, dann sage ich Ihnen das in jeder Ausschusssitzung gern erneut.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Ich bin we gen anderer Dinge glücklich, nicht wegen Ihrer Aus sage!)