Protokoll der Sitzung vom 10.11.2011

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Endlich einer, der etwas von Wirtschaft versteht! – Gegenruf der Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE: Sie sagen auch immer das selbe, gell?)

Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Hinderer, erlauben Sie zunächst einmal, dass ich jetzt die Morgendämmerung beende und zur Wahrheit übergehe.

(Beifall bei der CDU – Abg. Claus Schmiedel SPD: Was gilt denn in der CDU als Wahrheit? Also ehr lich!)

Es war ein netter Versuch. Sie wollten ablenken.

Ich sage ganz ehrlich: Ich habe mich gefreut, als ich erfuhr, dass heute das Thema Wirtschaft auf die Tagesordnung kommt, und dachte: So viele Monate nach der Landtagswahl ist es an der Zeit, einmal über Wirtschaftspolitik zu diskutie ren. Aber Sie haben mich enttäuscht. Wir diskutieren wieder nicht über Wirtschaftspolitik. Ich habe mich zu früh gefreut.

Ich bin viele Jahre, fast zwei Jahrzehnte lang, Mittelständler gewesen und war auch im Ehrenamt in Diensten der Wirt schaft tätig. Ich habe nach der Wahl von Anfang an gut zuge hört, aber bei dem, was ich in Debatten und in den Äußerun gen zur Wirtschaftspolitik oder zur Wirtschaftsförderung ge hört habe, haben sich mir die Nackenhaare gesträubt.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Sie haben doch gar keine!)

Ich beginne mit einem Beispiel: Sprachlos war ich, als ich das Wort „Innovationspeitsche“ hörte. Das ist, mit Verlaub, eine unglaubliche Äußerung unseren Tüftlern und Unternehmern gegenüber, die täglich an Neuem für dieses Land arbeiten, und zwar mit hohem persönlichen Risiko und Einsatz, die viele Arbeitsplätze hier schaffen und erhalten – ich weiß nicht, wie man das schlechtreden kann; tut mir leid –

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

und die zudem auch noch mit allem haften, was sie besitzen, und damit persönlich ein hohes Risiko tragen.

Des Weiteren höre ich Äußerungen wie: „Steuererhöhungen sind eine gute Wirtschaftspolitik, eine gute Maßnahme der Wirtschaftsförderung, ein Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit und sogar noch familienfreundlich.“ Ich höre: „Wir bauen die se Industriegesellschaft um“ und: „Gute Arbeit in BadenWürttemberg durch Tariftreue und Mindestlöhne.“

Sie wollen Wettbewerbschancen stärken, indem Sie ein Ta riftreuegesetz einführen.

Heute steht das Thema Mindestlohn auf der Tagesordnung, und ich lese: „Mindestlöhne nützen der Wirtschaft in BadenWürttemberg.“ Meine Damen und Herren von den Regie rungsfraktionen, dass Sie nicht differenzieren können, merke ich an der Schulpolitik. Aber so kann man das wirklich nicht ausdrücken.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Was?)

Glauben Sie wirklich, dass Sie unser Land mit solchen Maß nahmen in eine gute Zukunft führen? Ist das Ihre Politik für mehr Innovation,

(Zuruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD)

für mehr Fortschritt und für die Zukunft der Menschen im Land? Alle Unternehmen in Tarifverträge hineinzudrücken und staatlich verordnete Mindestlöhne zu fordern –

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Ist das die Meinung der CDU? Das ist ja peinlich!)

wenn das alles ist, was Sie für die Wirtschaftspolitik tun, dann tut es mir leid.

(Unruhe bei der SPD)

Sie glauben wirklich, dass man Mittelständlern – –

(Unruhe bei der SPD)

Hören Sie zu! Folgen Sie mir bis zum Ende; dann verstehen Sie, was ich sage.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Nein!)

Sie glauben offenbar wirklich, dass man unseren Mittelständ lern und unserer Wirtschaft durch Vorschriften, Gängelung und Besserwisserei und im Zweifel auch noch mit der Peit sche hilft,

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Lachen bei der SPD – Abg. Claus Schmiedel SPD: Jetzt ist die Katze aus dem Sack!)

dass man auf diese Weise freies Unternehmertum fördert und Arbeitsplätze schafft. Wirtschaftspolitik in einer sozialen Marktwirtschaft, meine Damen und Herren, ist aber deutlich komplexer.

Ihr Glück ist: Die Konjunktur brummt, die Steuern sprudeln – noch –, und Schwarz-Gelb hat es geschafft, eine historisch niedrige Arbeitslosenquote zu erreichen. Derzeit sind immer hin über 41 Millionen Menschen erwerbstätig. Ihr Glück ist, dass unsere Wirtschaft nach einer tiefen Wirtschaftskrise steil aufgestiegen ist, und Ihr Glück ist, dass Sie ein Land wie Ba den-Württemberg regieren, wo unsere Wirtschaft wirklich vor bildlich aufgestellt ist und sich im internationalen Wettbewerb ganz vorn befindet. Das ist übrigens auch eine Auswirkung unionsgeprägter Wirtschaftspolitik der vergangenen Jahre und Jahrzehnte.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Lachen bei Abgeordneten der SPD)

Selbstverständlich ist es auch eine Forderung der sozialen Marktwirtschaft, nach Problemen zu schauen.

(Zurufe von der SPD: Ah!)

Genau das tut die CDU, und zwar nicht erst seit Neuestem, sondern seit Jahren.

(Beifall bei der CDU – Lachen und Unruhe bei der SPD – Abg. Claus Schmiedel SPD: Nicht nur schau en! Lösen muss man!)

Herr Schmiedel, Sie müssen mich einfach ausreden lassen. Dann komme ich dazu.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Wo ist die Lösung?)

Konkret zur Lohnuntergrenze: Die CDU-Landtagsfraktion sieht das wie folgt: Menschen, die jeden Tag motiviert ihre Leistung erbringen, müssen auch von ihrem Einkommen le ben können.

(Beifall bei der CDU und der SPD – Zurufe von der SPD: Aha! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Guter Mann!)

Zu einer Leistung gehört ein verdienter Ertrag. Das ist ein Grundsatz der sozialen Marktwirtschaft und für uns, die CDU, selbstverständlich.

(Beifall bei der CDU – Abg. Andreas Stoch SPD: Dann muss man aber so handeln!)

Es ist ganz klar: Wo Missbrauch herrscht, müssen Regeln für Abhilfe sorgen. Auch das ist ein Grundsatz der sozialen Marktwirtschaft.

Deshalb haben wir zum einen funktionierende Tarifpartner schaften. Dieses System funktioniert. Dort sitzen sich Partner gegenüber, die jeden Tag in unseren Unternehmen sehen, was man verantworten kann und was man tun kann. Wo Regelun gen notwendig sind, hat die CDU immer gehandelt. Ich nen ne nur ein paar Beispiele: Arbeitnehmerentsendegesetz, Min destarbeitsbedingungengesetz und Arbeitnehmerüberlassungs gesetz. Hier können zwischen den Tarifpartnern branchenbe zogene Mindestlöhne vereinbart werden. Das gibt es derzeit übrigens schon in zehn Branchen. Unter Rot-Grün auf Bun desebene habe ich allerdings, obwohl ich lange recherchiert habe, nichts zu diesem Thema gefunden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Fried rich Bullinger FDP/DVP: Hört, hört! – Zurufe von der CDU: Aha!)

Die Tarifpartner regeln das, nicht der Staat. Darin liegt der Unterschied zu Ihnen: Der Staat hat sich aus dem funktionie renden System der Tarifpartnerschaft herauszuhalten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Anders sieht es in den Bereichen aus, in denen es keine Tarif partnerschaft gibt. Dort setzen wir uns dafür ein, dass eine Kommission – bestehend aus den Tarifpartnern, also Vertre tern der Arbeitnehmer und Arbeitgeber, gern ergänzt um wis senschaftliche Begleitung – gebildet wird. Dort soll dann ein Vorschlag für eine Lohnuntergrenze ausgearbeitet werden. Wichtig ist uns, dass über branchenspezifische Unterschiede diskutiert wird, dass über saisonale Notwendigkeiten disku tiert wird und dass man überlegt, ob man Einstiegsmöglich keiten für Jugendliche und Arbeitslose schaffen muss. All das wäre in einer solchen Kommission zu besprechen.

Dort, wo keine Tarifbindung herrscht, meine Damen und Her ren, darf man Unternehmen nicht in eine Tarifbindung trei ben. Geben Sie bitte Ihr Bild des ausbeutenden Unternehmers auf.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Große Bereiche unserer Wirtschaft – hier vor allem der Mit telstand – sind nicht tarifgebunden und zahlen trotzdem tarif

liche oder übertarifliche Löhne. Schlecht kann ich das nicht finden, im Gegenteil.

Bei staatlichen Mindestlöhnen besteht die Gefahr von Wahl kampfgeschenken; was das kostet, erleben wir zurzeit in Ba den-Württemberg. Sie haben die Studiengebühren abgeschafft.

Ich habe volles Vertrauen in die CDU, beim Thema Lohnun tergrenze eine Lösung entlang des Weges zu finden, den ich eben beschrieben habe, und ich bin froh, dass wir, die CDU, darüber diskutieren. Denn eines ist klar, meine Damen und Herren: Wirtschaft können wir besser.