Ich habe volles Vertrauen in die CDU, beim Thema Lohnun tergrenze eine Lösung entlang des Weges zu finden, den ich eben beschrieben habe, und ich bin froh, dass wir, die CDU, darüber diskutieren. Denn eines ist klar, meine Damen und Herren: Wirtschaft können wir besser.
(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Zurufe von der SPD: Ach! Blanke Selbstsug gestion!)
Sehr geehrter Herr Präsi dent, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Wahl hat gerade – –
Herr Paal hat eben die Wirtschaftspolitik angesprochen und dabei ausgeklammert, dass das Thema Mindestlöhne eventu ell dazugehören kann. Ich denke – das merkt man natürlich auch bei den Umfragen in der Bevölkerung; ein Mindestlohn wird von 86 % der Bevölkerung gewünscht –, das Thema Min destlohn ist wichtig. Dieses Thema müssen wir als Politiker aufnehmen; sonst kann bei der CDU vielleicht das passieren, was bei der Bildungspolitik passiert ist: In der Bildungspoli tik ist die CDU im Land von der Bundes-CDU überholt wor den. Vielleicht passiert ihr das beim Thema Mindestlohn auch. Auf jeden Fall habe ich die Ausführungen von Herrn Paal so verstanden, dass das möglich sei.
Es heißt, wenn der Staat Mindestlöhne vorschriebe – so wird immer wieder formuliert, insbesondere vonseiten wissen schaftlicher Institute, vor allem solcher, die den Unternehmen nahestehen –, würden Arbeitsplätze vernichtet. Aber das Ge genteil ist der Fall. Mindestlöhne schaffen auch Arbeitsplät ze.
Wenn man sich im europäischen Ausland umschaut, sieht man, dass es in den meisten EU-Ländern Mindestlöhne gibt. Ich möchte hierzu auch auf eine aktuelle Studie verweisen, die vom Berkeley Institut in den USA – einer Eliteuniversität – herausgebracht wurde. Im „Handelsblatt“ heißt es zu dieser Studie:
Höhere Mindestlöhne haben in den Vereinigten Staaten in den vergangenen 16 Jahren keine Jobs vernichtet. „Wir finden keine negativen Beschäftigungseffekte“, lautet das Fazit...
Niemand zuvor hat die Wirkung von Mindestlöhnen auf den US-Arbeitsmarkt so umfassend, so detailliert und so gründ lich untersucht wie dieses Institut.
Das sollten wir in diesem Zusammenhang natürlich betrach ten. Es geht momentan aber um die Mindestlöhne.
(Abg. Tanja Gönner CDU: Da gibt es Zusammenhän ge! – Abg. Winfried Mack CDU: Der Mann hat kei ne Ahnung!)
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, machen Sie sich lieber darüber Gedanken, wie Sie bei diesem Thema zu einer entsprechenden Position kommen. Nehmen Sie das auf, was die Bevölkerung will – die Bevölkerung möchte Mindestlöh ne –, und machen Sie sich für den nächsten Bundesparteitag Gedanken, um Mindestlöhne in Ihr Parteiprogramm aufzu nehmen.
Das heißt aber noch lange nicht, dass Mindestlöhne kommen werden. Dabei denke ich natürlich, die FDP ist wieder einmal das Zünglein an der Waage und wird wahrscheinlich nicht da zu beitragen können, dass hier in Deutschland Mindestlöhne eingeführt werden, obwohl – wie jetzt schon öfter gesagt wur de – die Bevölkerung die Mindestlöhne noch immer als ein wichtiges politisches Instrument für die Bekämpfung von Lohndumping bewertet.
Eine weitere Studie von Prognos zeigt, dass beispielsweise ein Mindestlohn, der auf 8,50 € pro Stunde festgelegt wird, die Staatskassen dank zusätzlicher Steuereinnahmen und Ein sparungen bei Sozialleistungen um etwa 7 Milliarden € ent lastet. Die Wissenschaftler haben darin Auswirkungen eines Mindestlohns z. B. auch auf die Haushalte von Bund, Ländern und Kommunen sowie der Sozialversicherung berechnet. Laut Studie würde ein gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 € je Stun de die Erwerbseinkommen der privaten Haushalte um etwa 14,5 Milliarden € erhöhen. Daraus wiederum würden zusätz liche Zahlungen von Einkommensteuer und entsprechenden Sozialbeiträgen erfolgen.
Ich denke, die Beispiele, die diese Institute dargelegt haben, zeigen deutlich: Wir brauchen den Mindestlohn. Wir brauchen den Mindestlohn jetzt, und wir brauchen ihn im Interesse der Beschäftigten.
Es ist ja nicht so, dass Tarifverträge allein ausreichen würden, um den Arbeitnehmern ein entsprechendes Einkommen zu si chern. Vielmehr gibt es bei uns die Koalitionsfreiheit. Darauf wurde schon hingewiesen. Diese Koalitionsfreiheit bedeutet auch: Genauso wie Arbeitnehmer können sich auch Arbeitge ber organisieren. Aber aus langjähriger Erfahrung weiß ich auch, dass diejenigen Arbeitgeber, die nicht in einem Arbeit geberverband organisiert sind, oftmals durch Lohndumping dazu beitragen, dass die Lohnstruktur in Unternehmen, die ta rifgebunden sind, unter Druck gerät und dadurch insbesonde re die Arbeitnehmer und damit die Tarifverträge unter Druck geraten.
Es gilt, dem entgegenzuwirken und einen entsprechenden Mindestlohn einzuführen. Ein gesetzlicher Mindestlohn wür de die Entwicklung des Lohndumpings stoppen. Das ist jetzt erforderlich.
Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen! Wir haben zu Beginn der heu tigen Debatte ein wirklich eindrucksvolles Dokument ökono mischer Kompetenz der Regierungsfraktionen erlebt. Von den Grünen haben wir zunächst einmal zu hören bekommen – das ist neu; ich wusste das bisher nicht –, dass sie sich am Kapi talismus und an der Arbeitsmarktpolitik der USA orientieren.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU – Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Das sagt der Richtige! – Heiterkeit bei den Grünen)
Es kam ein einfaches Weltbild zum Ausdruck: „Mindestlöh ne nützen der Wirtschaft. Wenn wir Mindestlöhne einführen, wird alles gut.“
Es ist auch bemerkenswert, was man von Ihnen zur Wirt schaftspolitik hört. Die Debatte, die wir jetzt führen, ist die erste, die wirklich wirtschaftspolitischer Art ist, und dies zu einem Thema, für das Sie nicht zuständig sind.
Es ist auch bemerkenswert, dass Sie in dieser Debatte über haupt keine Differenzierung vorgenommen haben. Zunächst einmal sind wir uns, glaube ich, alle einig: Unser Ziel ist, dass die Beschäftigten in Baden-Württemberg einen anständigen Lohn erhalten; dort, wo das nicht der Fall ist, ist gegebenen falls der Staat oder sind die Tarifpartner gefordert.
Ich glaube, wir können zunächst einmal feststellen, dass die allermeisten Beschäftigten in Baden-Württemberg einen an ständigen Lohn erhalten und dies für weite Bereiche unserer Wirtschaft im Land Baden-Württemberg gar kein Thema ist.
Klar ist auch: Wer voll arbeitet, soll von seinem Einkommen leben können und seine Familie ernähren können. Auch zu diesem Ziel bekenne ich mich eindeutig. Das Einkommen muss auskömmlich sein.
Aber es stellt sich natürlich die Frage, ob dies alles über das Entgelt möglich ist, das man von seinem Arbeitgeber erhält, oder ob gegebenenfalls staatliche Transferleistungen notwen dig sind.
Wenn man die Dinge differenziert betrachtet, muss man na türlich auch die Frage stellen, ob gegebenenfalls Mindestlöh ne einfache Beschäftigungsverhältnisse vernichten. Genau das sollte eben nicht unser Ziel sein, meine Damen und Herren. Denn damit nützt man den Beschäftigten und ihren Familien überhaupt nicht. Auch sollte es nicht unser Ziel sein, die Ta rifautonomie durch die Politik auszuhebeln, denn die Tarifau tonomie hat sich in unserem Land über Jahrzehnte bewährt.
Im Übrigen werden Sie, wenn Sie sich bestimmte Beispiele anschauen – nehmen wir eine Familie mit zwei oder drei Kin dern, die in einem Ballungsraum wie Stuttgart lebt, und schau en wir uns den Bedarf dieser Familie an –, zu dem Ergebnis kommen, dass selbst das, was die Linken vorschlagen – ein Mindestlohn von 10 € pro Stunde –, für den Bedarf dieser Fa milie nicht ausreicht. Deshalb wird man ohnehin nicht ohne staatliche Transferleistungen auskommen.