Unbestritten in diesem Haus wird die Analyse sein, dass wir im deutschen Hochschulwesen insgesamt eine hohe soziale Selektionswirkung haben. Es studieren in erster Linie Kinder aus finanziell bessergestellten Familien. Nun meinen Sie von den Regierungsfraktionen, dieses Problem der sozialen Selek tion ließe sich vor allem dadurch lösen, dass man Studienplät ze gebührenfrei anböte. Auf den ersten Blick ist das Argument natürlich auch nicht falsch, dass die Gebührenfreiheit finan ziell schwächeren Studenten hilft. Bei dieser Argumentation unterschlagen Sie aber, dass die Gebührenfreiheit eben nicht nur die finanziell Schwachen subventioniert, sondern auch diejenigen, die die Studiengebühren problemlos tragen könn ten.
Wenn es also stimmt, dass in Deutschland momentan zu we nig Kinder aus ärmeren Verhältnissen studieren, die Studie
renden also vor allem aus finanziell bessergestellten Famili en kommen, wem nutzt dann in erster Linie ein gebührenfrei es Studium? Wem kommt die Gebührenfreiheit eines Studi ums also tatsächlich zugute? Es sind vor allem die finanziell Bessergestellten, die von grün-roten Gebührengeschenken profitieren.
(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Das ist die Logik! – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Und die anderen sollen das Studium bleiben lassen? – Zuruf des Abg. Dr. Kai Schmidt-Eisenlohr GRÜNE)
Auf den Punkt gebracht heißt dies: Sie von Grün-Rot verwen den das Geld baden-württembergischer Steuerzahler zur Sub ventionierung reicherer Bevölkerungsschichten.
(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Lachen bei den Grünen und der SPD – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Jawohl! Skandalös! – Abg. Wolfgang Drexler SPD: FDP pur!)
Deshalb ist Ihr Gesetzentwurf faktisch nichts anderes als ei ne Umverteilung von unten nach oben, was aber in krassem Gegensatz zu Ihren Beteuerungen von angeblicher Chancen gerechtigkeit steht.
(Abg. Johannes Stober SPD: Sollen wir jetzt Schul geld einführen? Das ist dann auch Umverteilung von unten nach oben! – Weitere Zurufe – Glocke des Prä sidenten)
(Abg. Alexander Salomon GRÜNE: Vorkämpfer für Studiengebühren! – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Vorkämpfer für Studienfreiheit!)
der in den Randglossen zum Programm einer deutschen Ar beiterpartei im Jahr 1875 Folgendes festgestellt hat:
Wenn... auch „höhere“ Unterrichtsanstalten „unentgelt lich“ sind, so heißt das faktisch nur, den höheren Klassen ihre Erziehungskosten aus dem allgemeinen Steuersäckel bestreiten.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Super! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Bravo! – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Es ist ja schön, dass Sie jetzt ein Mar xist sind! Wir sind keine Marxisten!)
Wenn Ihnen weder Karl Marx noch Timm Kern ins ideologi sche Konzept passen, so glauben Sie vielleicht den neun Pro fessoren der Ruhr-Universität Bochum, die sich im April des letzten Jahres in einem Gutachten an die Adresse der Befür worter einer Gebührenfreiheit gewandt haben – Zitat –:
Denn wenn auch deren Diagnose einer sozialen Selekti onswirkung des Bildungssystems richtig sein mag, so ist dennoch die vorgeschlagene Therapie durch Gebühren freiheit grundfalsch. Wenn die sozial schwächeren Schich ten unterstützt werden sollen, dann sollte diese Unterstüt zung beim Individuum ansetzen und nicht in der Bereit stellung einer kostenlosen Dienstleistung für alle.
Dass die Gebührenfreiheit des Studiums keine geeignete Therapie zur Bekämpfung der sozialen Selektionswirkung des Bildungssystems ist, dürfte auch im Hinblick auf die Erfahrungen seit Gründung der Bundesrepublik inzwi schen hinreichend deutlich sein. Die Gebührenfreiheit hat in 60 Jahren nichts an der sozialen Selektionswirkung ge ändert und wird es auch in Zukunft nicht tun.
(Abg. Johannes Stober SPD: Jetzt führen wir das Schulgeld ein! Dann wird alles noch besser! – Zuru fe der Abg. Florian Wahl und Wolfgang Drexler SPD)
Meine Damen, meine Herren, es dürfte mehr als deutlich ge worden sein, dass die grün-rote Koalition ausschließlich aus ideologischen Gründen, aus Gründen der Beifallhascherei die Studiengebühren abschaffen will.
Ich mache heute an dieser Stelle noch einmal das Angebot an die Fraktionen: Einigen wir uns auf das liberale Modell nach laufender Studiengebühren.
... dass jeder unabhängig von der finanziellen Ausstattung seines Elternhauses und im Rahmen seiner Leistungsfähigkeit und Interessen die Mög lichkeit zu einer akademischen Ausbildung erhält. Die Erhe bung von Studienentgelten oder -gebühren darf die Studieren den und ihre Familien nicht während des Studiums belasten.
Studienentgelte sollen stattdessen in Baden-Württemberg künf tig in Form von echt nachgelagerten und einkommensabhän gigen Entgelten von den Hochschulen festgesetzt und erho ben werden können. Nach Einstieg in das Berufsleben begin nen die Absolventen dann ab einer bestimmten Einkommens untergrenze mit der Rückzahlung ihrer Studiengebühren. Die se Zahlungen fließen direkt den Hochschulen zu.
Wer nichts verdient, muss auch keine Studiengebühren zah len. Eine frühzeitige und einmalige Bezahlung der Studienent gelte ist zu ermöglichen. Durch die vorgeschlagenen Ände rungen werden Familien während des Studiums entlastet. Die bisher oftmals zu Schwierigkeiten führende Geschwisterregelung kann entfallen. Für nachlaufende Studiengebühren spricht vor allem auch der Gedanke – –
(Oh-Rufe von den Grünen und der SPD – Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Herr Präsident! – Zuruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD – Unruhe)
Für nachlaufende Studiengebühren spricht vor allem auch der Gedanke der sozialen Gerechtigkeit. Denn die Ausbildung de rer, die aufgrund ihres Studiums später in der Regel besser verdienen, wird so nicht ausschließlich von der Gesamtheit aller Steuerzahler finanziert.
Zum Schluss möchte ich Ihnen zu dieser Thematik noch ein letztes – wie ich finde, sehr überzeugendes – Zitat vorlesen:
Die finanzielle Förderung einer qualitativ hochwertigen frühkindlichen Erziehung und Bildung ist wichtiger als beispielsweise ein vollständig gebührenfreies Studium. Zumal junge Leute mit einem abgeschlossenen Hoch schulstudium bessere Chancen haben als andere:
Sie werden seltener arbeitslos und verdienen in der Re gel deutlich mehr als der Durchschnitt der Bevölkerung. Deshalb sind die meisten auch in der Lage, einen Teil ih res Studiums etwa durch „nachgelagerte Studiengebüh ren“ selbst zu finanzieren. Dabei ist sicherzustellen, dass niemand aufgrund fehlender finanzieller Mittel auf ein Studium verzichten muss. Diese Gebühren sind erst spä ter zurückzuzahlen, zudem werden die finanziellen Spiel räume der dann Berufstätigen berücksichtigt.