Protokoll der Sitzung vom 08.12.2011

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Noch eine Frage!)

Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Haller.

Herr Minister, welche Kenntnisse haben Sie darüber, dass Abgeordnete von CDU und FDP/DVP einen entsprechenden Druck auf die Bundes regierung – die letztlich dafür zuständig ist, dass wir mehr Geld erhalten – ausüben, sodass wir im Land bessergestellt werden und mehr erhalten als die gerade einmal 120 „Milli önchen“ jährlich?

Vielen Dank, Herr Abg. Haller. Mir liegen keine Er kenntnisse vor, dass es Abgeordnete gibt, die diesbezüglich tätig sind. Ich nehme allerdings an, dass nicht alle Abgeord neten es bei mir anmelden, wenn sie in Berlin mit den entspre chenden Personen reden.

(Heiterkeit des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/ DVP)

Ich glaube, auch im Namen des Ministerpräsidenten darf ich sagen: Uns verwundert sehr, wenn uns Bundestagsabgeord nete ermahnen, wir sollten endlich Bundesfernstraßen bauen. Denn jeder Bundestagsabgeordnete, selbst wenn er kein Ver kehrspolitiker ist, sollte wissen, dass Bundesfernstraßen vom Bund zu bezahlen sind und dass erst dann mit dem Bau be gonnen werden kann, wenn der Bund uns sozusagen freie Hand gibt. So ist das Prozedere. Es liegt nicht am Land, son dern es liegt am Bund, dass es dafür kein Geld gibt.

Es liegen drei weitere Zu satzfragen vor. Für die nächste Frage erteile ich Herrn Kolle gen Dr. Bullinger das Wort.

Mit Sicherheit wer de ich auch in Zukunft keine Durchschläge an die SPD oder den Verkehrsminister senden, wenn ich zu solchen Themen an Bundestagskollegen schreibe. Es war bisher auch nicht der Fall, dass ich dergleichen von Ihnen erhalten hätte, sollten Sie an Herrn Tiefensee geschrieben haben.

(Abg. Muhterem Aras GRÜNE: Sollen wir Ihnen hel fen?)

Meine Zusatzfrage: Sie haben gesagt, Sie wollten in Zusam menarbeit mit Abgeordneten des Verkehrsausschusses Krite rien festlegen. Sind Sie dann auch bereit, gemeinsam eine Pri oritätenliste zu erstellen?

(Zuruf des Abg. Alfred Winkler SPD)

Wir werden über die Kriterienfestlegung letztlich si cherlich auch zu einer Liste kommen. In welchem Umfang wir das mit dem Parlament erledigen, werden wir noch sehen; denn es gibt auch noch eine Regierungsverantwortung. Aber ich habe zugesagt, dass wir das im Diskurs angehen.

Ich sage Ihnen ganz offen: Ich habe keine Lust, weiter durch das Land zu ziehen und all die Straßenbauprojekte, die Sie über Jahre versprochen haben, bei denen Sie die Finanzierung jedoch nicht sichergestellt haben, abzusagen. Dann sagen die Menschen: „Der Hermann ist jetzt schuld daran, dass nicht gebaut wird.“

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Ich habe ein Interesse daran, dass wir gemeinsam auch zu Wahrheit und Klarheit hinsichtlich der Finanzierungsmöglich keiten – auch durch den Bund – beitragen. Ich erwarte vom Bund nicht das Unmögliche.

Mir ist völlig klar, dass all die in umfangreichen Listen ent haltenen Projekte im Vordringlichen Bedarf unmöglich in den nächsten Jahren finanziert werden können. Dafür habe ich al lergrößtes Verständnis. Aber ich erwarte dann auch von den Abgeordneten der Opposition, dass sie dazu stehen, dass es neben Prioritäten auch Posterioritäten gibt. Dann muss man nämlich die eine oder andere Ortsumfahrung in der Prioritä tenliste nach hinten schieben und sagen: Bei den wenigen Möglichkeiten, die wir haben, ist der Ausbau einer Autobahn wichtiger, weil dort sehr viel mehr Verkehr fließt und weil die

Entlastungswirkung für das ganze Land insgesamt dort am größten ist.

Solche Überlegungen muss man anstellen. Dann muss man auch den Leuten vor Ort sagen: Ihr müsst noch warten, bis mehr Geld oder eine andere Regierung kommt.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Kollege Gruber.

Lieber Herr Verkehrsminister Hermann, ich habe eine kurze Zusatzfrage: Welches Finanz volumen induzieren die 19 planfestgestellten Projekte insge samt? Mit anderen Worten: Wie viele Jahre müsste man sie mit dem gegenwärtigen Budget finanzieren, um sie ausfinan zieren zu können?

Ich habe die genauen Zahlen nicht im Kopf. Das Vo lumen der baureifen Maßnahmen beläuft sich insgesamt auf etwa 650 Millionen €. Wir haben einmal alle Maßnahmen des Vordringlichen Bedarfs im Bereich der Bundesfernstraßen zu sammengerechnet. Wenn man dieses Finanzvolumen durch die angekündigten 120 Millionen € teilt, dann brauchten wir für die Realisierung etwa 40 Jahre.

Das ist natürlich ein bisschen lang. Das kann man so nicht ak zeptieren. Das muss auch nicht zwingend so lange dauern. Wenn wir z. B. doppelt so viel Geld bekommen würden, wür de die Realisierung nur halb so lange dauern.

In den vergangenen Jahren haben wir am Ende des Jahres im mer mehr Geld bekommen, als ursprünglich angekündigt war. Auch in diesem Jahr haben wir noch einen Nachschlag be kommen. Im nächsten Jahr werden wir einen Zuschuss aus dem Sonderprogramm des Bundes bekommen. Aus diesem Programm werden im nächsten Jahr 400 Millionen € bundes weit in den Straßenbau fließen. Etwa 10 % entfallen auf Ba den-Württemberg. Dies sind etwa 40 Millionen €.

Gemessen an der Gesamtsumme ist das wenig, aber es hilft uns schon. Am Grundproblem, dass man nur halb so viel Geld bekommt, wie man mindestens brauchte, ändert das aber nichts.

Deswegen bin ich der Meinung, dass wir uns auf Bundesebe ne grundsätzlich darauf verständigen müssen, dass die Finan zierung der Infrastruktur insgesamt – Schiene, Straße, Was serstraße – verbessert werden muss. Deswegen werden wir nicht umhinkommen, auch die Einnahmeseite zu verbessern. Das wird man nicht aus einem anderen Haushalt herausschnei den können.

Es liegt eine Zusatzfra ge der Kollegin Razavi vor.

Herr Minister, ich habe zwei kur ze Fragen.

Erstens: Ist Ihnen bekannt, dass die Grünen im Bundestag das von Ihnen gerade angesprochene Sonderprogramm, mit dem 1 Milliarde € mehr für den Infrastrukturausbau bereitgestellt werden sollen, im Haushaltsausschuss abgelehnt haben?

Zweitens: Ist es richtig, dass zumindest auf Fachebene in den Gesprächen zwischen dem Land Baden-Württemberg, vertre ten durch Ihr Haus, und dem Bundesverkehrsministerium bis lang keine Priorisierungsliste vorgelegt wurde, die Sie oft an gekündigt hatten – übrigens auch vor einigen Wochen bei der Eröffnung der B 10 im Kreis Göppingen –, sondern Sie mehr oder weniger mit leeren Händen dort angekommen sind?

Vielen Dank. – Mit leeren Händen sind wir nicht an gekommen, weil unsere Listen schon lange in Berlin vorlie gen. Dort ist unser Bedarf sehr genau bekannt.

Noch einmal: Wir haben laufende Baumaßnahmen, die uns insgesamt 1 Milliarde € kosten. Ich bin der Überzeugung, dass es keinen Sinn macht, wenn das Geld noch nicht einmal dazu reicht, schnell zu Ende zu bauen, weiter neue Projekte anzu fangen, obwohl man genau weiß, dass das nur zur Verlangsa mung aller Baumaßnahmen führt.

Deswegen haben wir gesagt: Wenn Baden-Württemberg mehr Geld bekommt als bisher erwartet, dann können wir genau sa gen, wohin das Geld fließen wird. Dann werden wir drei Au tobahnabschnitte nennen, zu denen Ausbaumaßnahmen lau fen und bei denen wir die Mittel benötigen, um den Ausbau schneller voranzutreiben. Außerdem werden wir drei Repara turmaßnahmen an Autobahnen nennen, bei denen man mit mehr Geld die Reparaturen schneller voranbringen kann.

Das heißt, die Bundesregierung hat von uns genügend Mate rial sowie Anträge zu Projekten, um das zu realisieren. Das Problem ist nicht, dass wir nicht noch mehr geliefert haben, sondern das Problem ist, dass der Bundestag zu wenig Geld bereitstellt.

Außerdem haben Sie gefragt, ob mir bekannt ist, dass meine Fraktion im Bundestag dieses Sonderprogramm von 1 Milli arde € abgelehnt hat. Das ist mir bekannt.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Dann stimmt es auch!)

Ja. – Es ist allerdings auch so, dass die Bundesregierung das Parlament mit dieser Milliarde quasi überfallen hat.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Was ist denn das für eine Methode?)

Überfallen im Sinne von: Es gab keinerlei vorbereitende An kündigung und keine richtige Debatte.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Da hat sich jemand bedroht gefühlt!)

Nein. Sie wissen doch selbst, wie Sie als Parlamentarier re agieren, wenn eine Regierung von heute auf morgen mit ei nem großen Vorhaben kommt und Sie keine Zeit haben, dar über zu beraten.

Sie haben zunächst einmal kritisiert, dass das Verfahren nicht in Ordnung sei. Das würden Sie als Opposition auch kritisie ren.

Darüber hinaus haben sie sehr deutlich gesagt, dass sie mit der Art der Mittelverwendung nicht einverstanden sind. Es

fließen relativ viele Millionen in den Ausbau der Wasser straßen. Es fließt aber nicht ein Euro davon nach Baden-Würt temberg. Diese Mittel fließen fast vollständig in den Ausbau und die Sanierung des Nord-Ostsee-Kanals. In dieses eine Projekt fließen fast 300 Millionen €. Für die Schiene bleibt fast nichts übrig.

Deshalb ist es doch völlig legitim, dass die Opposition in Ber lin fordert, dass etwas für den Schienenverkehr getan wird. Für Sie als Opposition wäre es sogar richtig respektabel, wenn Sie sagen würden: „Moment mal. Wir wollen in Baden-Würt temberg verschiedene Projekte des Schienenausbaus voran bringen. Wie kann es dann sein, dass nur 100 Millionen € in die Schiene fließen?“

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Deshalb müssten auch Sie aufstehen und dafür kämpfen, dass mehr Mittel nach Baden-Württemberg fließen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Frau Kollegin Razavi hat eine weitere Zusatzfrage.

Gibt es eigentlich beliebig viele?

Jeder Abgeordnete darf zwei Zusatzfragen stellen.