Protokoll der Sitzung vom 21.12.2011

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Zuruf der Abg. Muhterem Aras GRÜNE)

Aber interessant wird es doch, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn man die Pro-Kopf-Verschuldung von Kom munen und Land zusammenzählt. Dann wird nämlich deut lich, dass scheinbare Musterländer wie Bayern und Sachsen weit abfallen, während Baden-Württemberg – wie gesagt, bei Betrachtung der Summe der Verschuldung der öffentlichen Haushalte von Land und Kommunen – am besten in Deutsch land dasteht.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Muh terem Aras GRÜNE: Das liegt an den Kommunen!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, so stelle ich mir das gute Zusammenwirken von Land und Kommunen vor. Man muss Land und Kommunen ein Stück weit als Einheit betrach ten, darf aber auch den eigenen Haushalt und die eigene Ver antwortung nicht dahinter verstecken.

Der Finanzminister – vielleicht war es auch Herr Kollege Schmiedel – greift immer wieder auf das Beispiel RheinlandPfalz zurück. Die Kommunen in Rheinland-Pfalz haben zwar nicht die höchste, aber mit die höchste Pro-Kopf-Verschul dung. Rheinland-Pfalz ist eines der Länder mit der höchsten Pro-Kopf-Verschuldung. Dann wird der Pensionsfonds gelobt, der eingerichtet wurde. Das stimmt.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Beck!)

Mittlerweile wird er gerade wieder aufgelöst. Aber es wird nicht gesagt, dass das Land Rheinland-Pfalz seinem Pensions fonds Zahlungen zugeführt hat und im gleichen Schritt wie der Mittel aus dem Pensionsfonds für neue Kreditaufnahmen herausgenommen hat.

(Lachen des Abg. Claus Schmiedel SPD – Abg. Claus Schmiedel SPD: Was soll man denn beim Pensions fonds anderes machen, als die Mittel anzulegen?)

Meine Damen und Herren, wer sich etwa am Beispiel Rhein land-Pfalz orientiert, der liegt garantiert falsch.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Deshalb, meine Damen und Herren: Die Messlatte für BadenWürttemberg ist nicht das Saarland, ist nicht Rheinland-Pfalz.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Unterstel ler!)

Vielmehr kann die Messlatte in finanzpolitischer Hinsicht, wenn überhaupt, nur Sachsen oder Bayern sein.

(Beifall der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU)

Meine Damen und Herren, Sie haben mit Ihren Weichenstel lungen, die Sie aus ideologischen Gründen vorgenommen ha ben, einiges dafür getan, dass Sie die Zukunft der BadenWürttembergerinnen und Baden-Württemberger ein Stück weit verbauen.

(Zuruf von der SPD: Was?)

Sie betreiben scheinbar – ideologisch bedingte – Innovatio nen, aber in Wirklichkeit führen Sie das Land damit weiter in die Verschuldung.

Lassen Sie mich noch einmal das Beispiel Studiengebühren bemühen. Mit der Abschaffung der Studiengebühren zum Sommersemester 2012 schlagen Sie eine Lücke – man kann sagen: eine strukturelle Schneise – in den Haushalt in Höhe von zunächst 117 Millionen €, später 140 Millionen €.

Am Ende – das ist Ihr Phänomen sozialer Gerechtigkeit – be zahlt die Arzthelferin das Studium ihres Chefs,

(Widerspruch bei der SPD)

wohingegen der Handwerksmeister seine Weiterbildung selbst bezahlt. Meine Damen und Herren, das ist ganz einfach.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Walter Heiler SPD)

Dann erhöhen Sie in einer Zeit wie dieser auch noch den Grunderwerbsteuersatz. Nach dem Motto „Linke Tasche, rechte Tasche“ ziehen Sie den Menschen das Geld aus der Ta sche. Sie sagen, Sie geben es ein Stück weit als Wohltaten an die Kommunen weiter, belasten aber in Wahrheit junge Fami lien. Denn wahr ist doch auch: Die Betreuung für Kinder un ter drei Jahren verlangt einen Elternbeitrag, der deutlich hö her ist. Schauen Sie sich doch einmal an, wo beispielsweise in Tübingen die Regelsätze liegen: zwischen 255 € und 343 €; das ist der Elternbeitrag gemäß dem Regelsatz.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Hört, hört! – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Ui! In Tübin gen!)

Der ist noch sozial gestaffelt; bei geringerem Einkommen ist der Regelsatz nach unten gestaffelt.

(Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Sozial gestaffelt!)

Aber das sind doch die Regelsätze. Damit, meine sehr verehr ten Damen und Herren, ist sozial gerechte Politik nicht zu be gründen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Dass nicht nur die Studierenden, die aus Baden-Württemberg kommen, sondern auch Studierende aus ganz Deutschland wissen, dass die Qualität unserer Hochschulen gut ist, und dass sie auch bereit sind, dafür Geld in die Hand zu nehmen, zeigt doch erneut – es gab in unserem Land einen Zuwachs an Studenten allein im laufenden Wintersemester um 15 % –: Junge Menschen sind bereit, für gute Qualität Geld zu zahlen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: So ist es!)

Ein weiteres Beispiel: Sie verzichten – Sie verkünden es noch groß – auf die Einführung eines Lebensarbeitszeitkontos für die Beamten. Wir haben das Lebensarbeitszeitkonto nicht pri mär deshalb erfunden, um Geld einzusparen; das stand damals in der Spardiskussion als struktureller Einsparbeitrag, der so wieso nur begrenzt ist.

(Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: So, so! Das steht aber in der Haushaltsplanung! 60 Millionen € stehen drin!)

Vielmehr haben wir es in erster Linie erfunden, weil wir in Baden-Württemberg auch die Arbeitszeit unserer Mitarbeite rinnen und Mitarbeiter an die Rahmenbedingungen, die sich im Laufe des Berufslebens verändern, anpassen wollten. Wir wollten mehr Flexibilität.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja!)

Aber aus der größeren Flexibilität ergibt sich im Zweifelsfall über einen gewissen Zeitraum hinweg auch eine strukturelle Einsparung. Natürlich ist es, wenn man dies vorhat, geboten, die Möglichkeit einer solchen strukturellen Einsparung auch im Haushalt zu nutzen. Das ist doch ganz klar.

(Abg. Muhterem Aras GRÜNE: Das war doch der einzige Grund!)

Sie haben daraus am Ende gar nichts gemacht. Im Endausbau hätte dies zu Einsparungen in Höhe von 160 Millionen € füh ren können; diese Möglichkeit haben Sie einfach nicht ge nutzt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, noch etwas ande res nutzen Sie nicht. Da Sie immer von strukturellen Defizi ten sprechen, frage ich Sie: Wo bleibt denn die Umsetzung Ih rer Ankündigungen, und wo bleibt die Umsetzung der in der vergangenen Legislaturperiode getroffenen Beschlüsse des Landtags zum Thema Länderfinanzausgleich?

(Zuruf des Abg. Walter Heiler SPD)

Was folgt denn aus der Ankündigung des Ministerpräsiden ten, eine neue Kommission auf Bundesebene einzurichten? Denn wenn wir nicht mehr so viel in den Länderfinanzaus gleich einzahlen müssten, würde das in der Tat den Fundus schaffen, aus dem tatsächlich strukturelle Mehreinnahmen er wirtschaftet werden könnten.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Zuruf des Abg. Claus Schmiedel SPD)

Herr Kollege Schmiedel, die Regierung ist jetzt nicht mehr erst 100 Tage im Amt, sondern mittlerweile ein Dreiviertel jahr. Wenn man solche Ankündigungen macht, hätte ich schon erwartet, dass man nach einem Dreivierteljahr auch einmal Taten sieht. Es ist nicht das erste Mal, dass Sie als Tiger ge startet sind und als Bettvorleger landen.

(Abg. Martin Rivoir SPD: Oje, jetzt kommt das!)

Wenn man solche Ankündigungen macht, dann hätte ich schon erwartet, dass man zumindest erste Schritte auf dem Weg dort hin unternimmt. Der Ministerpräsident hat hierzu einmal An kündigungen gemacht. Er hat bislang drei Mal im Plenum ge sprochen; dabei ging es zwei Mal um Stuttgart 21. Abgesehen von seinen Äußerungen in der Regierungserklärung hat er hierzu bislang noch nichts gesagt. Von all den Ankündigun gen ist nichts, aber auch gar nichts übrig geblieben.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Im Gegenteil: Sie machen die Mitarbeiterinnen und Mitarbei ter des Landes zu den alleinigen „Sparschweinen“.

(Widerspruch bei der SPD – Zuruf: Was?)

Wenn es ein Gesamtpaket gegeben hätte und wenn Sie struk turell etwas getan hätten, hätte vermutlich auch der Beamten bund Baden-Württemberg ein Stück weit Verständnis für die Maßnahmen gehabt. Aber die einzige „strukturelle Tat“, die Sie in Bezug auf Einsparungen machen – die einzige! –, sind strukturelle Kürzungen im Umfang von 30 Millionen € bei den Beamten – neben dem Verschieben der tariflichen Ge haltserhöhungen, das nur eine einmalige Einsparung darstellt. Das ist die einzige strukturelle Tat, die Sie vollbringen.

Ich erinnere in diesem Zusammenhang übrigens an einen An trag des Kollegen Schmiedel vom Anfang dieses Jahres, in dem gefordert wurde, das für den öffentlichen Dienst erziel te Tarifergebnis 1 : 1 auf die Beamten zu übertragen.

(Vereinzelt Beifall – Oh-Rufe von der CDU – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So schafft man Vertrau en!)

So viel zum Thema „Ankündigungen und Wirklichkeit“.