Die Mannheimer Hochschulen ziehen also Studierende aus genau diesen Ländern an, in denen es keine Studiengebühren gibt.
Auch sonst stellen wir im Land fest: Der Anteil der Studie renden, die in anderen Bundesländern die Hochschulreife er langt haben, beträgt immerhin 29 %.
Doch all diese Tatsachen lassen Sie, werte Kolleginnen und Kollegen von den Grünen und der SPD, nicht gelten. Ihre Ar gumentation, die Sie sich zur Abschaffung der Studiengebüh ren zurechtgelegt haben, steht also nicht nur auf wackligen
Beinen, sondern sie ist mehrfach widerlegt und aus meiner Sicht allein mit ideologischen Motiven zu begründen.
Kommen wir zu den Kosten. Die „Stuttgarter Zeitung“ schrieb am 9. Dezember 2011 zu den Studiengebühren zu Recht:
Herr Kollege Hauk hat heute Morgen das Thema „Kindergar tengebühren in der Universitätsstadt Tübingen“ angesprochen. Ich möchte es an dieser Stelle noch einmal sagen. Sie monie ren die Tatsache, dass ein Beitrag von 500 € pro Semester für mögliche Studierende ein Grund sei, davon abzusehen, ein Studium in Baden-Württemberg aufzunehmen. In Tübingen zahlen Sie für den Kindergarten eine Regelgebühr zwischen 343 € und 424 € im Monat.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Da habe ich auch ein Einsehen! Das ist ein Unterschied! – Gegenrufe von der CDU: Aha!)
Ja. – Gemessen an den durchschnittlichen Anfangsgehältern von Akademikern und der Tatsache, dass der Arbeitsmarkt im mer mehr hoch qualifizierte Fachkräfte sucht, sind 500 € pro Semester sicherlich ein finanziell zu meisternder Beitrag.
Wenn – das ist leider absehbar – in den kommenden Jahren keine Steuermehreinnahmen in Höhe von 1,8 Milliarden € mehr in den Landeshaushalt fließen, werden Sie, meine Da men und Herren von den Regierungsfraktionen, nicht umhin kommen, sich über die Zukunft der Hochschulfinanzierung Gedanken zu machen.
Wir fordern Sie daher auf: Stellen Sie sicher, dass auch in den kommenden Haushaltsjahren, unabhängig von der dann aktu ellen Haushaltslage, genügend Mittel für die Hochschulfinan zierung, für die Verbesserung von Studium und Lehre zur Ver fügung gestellt werden. Wir werden deshalb Sie, die Regie rung, in unserem Entschließungsantrag „Einrichtung eines Hochschulpakts“ auffordern, den Hochschulen vollständige Planungssicherheit in Bezug auf die sogenannten Qualitätssi cherungsmittel zu gewähren.
Praktizieren Sie doch endlich Ihr Lieblingsmotiv der Nach haltigkeit, und handeln Sie jetzt auch in Bezug auf die Hoch schulfinanzierung nachhaltig, und zwar über die aktuelle Kas senlage hinaus.
Noch eine Entwicklung stellen wir in unserem Land fest – die Nähe zu Rheinland-Pfalz und Hessen habe ich eingangs er wähnt –: Die Nähe zu unserem Nachbarn Schweiz ist gerade für unseren akademischen Nachwuchs eine immer attraktive re Gelegenheit, nach dem Studium schnell ein gutes Nettoge halt zu beziehen. Annähernd jeder vierte Medizinstudent an der Universität Freiburg spielt mit dem Gedanken, nach sei
nem Studium in der Schweiz zu arbeiten und sein Einkom men dort zu versteuern. Deshalb, meine Damen und Herren von Grün und Rot, frage ich Sie: Was sagen Sie dem jungen Handwerker, der seine Meisterprüfung selbst bezahlen muss, was sagen Sie der Krankenschwester, die das Studium des Arztes mitfinanziert, zu genau dieser Entwicklung?
(Abg. Claus Schmiedel SPD: Wieso darf der Sohn des Handwerkers nicht studieren? Seit wann gibt es ein Studierverbot für Handwerkersöhne? So ein Quatsch!)
Der Gesetzentwurf, den Sie vorgelegt haben, enthält zu unse rem großen Bedauern nicht einmal für den Fall des sogenann ten Langzeitstudenten eine Ausnahme von der Befreiung von Studiengebühren.
Sie schaffen mit dem vorliegenden Gesetzentwurf keinerlei Anreize, ein Studium schnell und zügig zu beenden. Sie schaf fen keine Anreize, um die späteren akademischen Besserver diener an ihrer eigenen Ausbildung finanziell zu beteiligen.
Stattdessen verteilen Sie mit der Kompensation von Studien gebühren großzügig Gelder aus dem Landeshaushalt und un terliegen dem Irrglauben, dies sei im Ergebnis auch noch so zial gerecht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich abschlie ßend auf die Tatsache eingehen, dass die kirchlichen und pri vaten Hochschulen durch die Abschaffung der Studiengebüh ren vor gewaltigen Herausforderungen stehen.
Das Hochschulwesen in unserem Land ist ähnlich wie das Schulwesen dadurch gekennzeichnet – deshalb ist es so er folgreich –, dass wir über einen ausgewogenen Mix aus staat lichen, kirchlichen und privaten Bildungseinrichtungen ver fügen. Wir fordern Sie auf – und unterstreichen das mit unse rem zweiten Entschließungsantrag, den wir heute einbringen –: Sorgen Sie auch bei den privaten und den kirchlichen Ein richtungen für einen fairen und ausreichenden Mittelaus gleich.
Zur Jungfernrede des Herrn Kollegen Deuschle, der mit dem Ende seiner Rede ei ne Punktlandung vollbracht hat, muss man wirklich sagen: ei ne tolle Leistung!
Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, sehr geehr te Damen und Herren, Frau Ministerin, liebe Studierende in Baden-Württemberg, die heute per Livestream zuschauen und die auf diversen Studiengebührenabschaffungspartys diesen historischen Tag mitfeiern werden!
(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Dr. Diet rich Birk CDU: Die Party ist bald vorbei, wenn Sie das Geld so hinauswerfen!)
Hochschulbildung ist ein gesellschaftliches Allgemeingut und liegt damit in der Verantwortung aller Beteiligten und insbe sondere in der Verantwortung der Regierungen. Das besagt die erste Aussage in der Erklärung der UNESCO-Welt-Hoch schulkonferenz. Das wird unter Punkt 2 erläutert. Um den komplexen Problemstellungen der heutigen Welt und zukünf tigen globalen Herausforderungen begegnen zu können, kommt der Hochschulbildung auch eine soziale Verantwor tung zu.
Hochschulbildung ist damit der Schlüssel unserer Gesellschaft für die Zukunft, mit dem wir die Türen zur Wissensgesell schaft mit den notwendigen Lösungskompetenzen öffnen kön nen.
Ich greife diese UNESCO-Erklärung heute hier auf, weil wir in Baden-Württemberg mit dem heutigen Tag einen weiteren wichtigen, geforderten und richtigen Schritt in diese Richtung gehen. Heute verabschieden wir im Parlament endlich einen Gesetzentwurf zur Abschaffung der Studiengebühren.
Damit wird diese Landesregierung ihrer sozialen Verantwor tung gerecht, einer Verantwortung, der sich die schwarz-gel be Regierung immer entzogen hat.
(Lachen des Abg. Peter Hauk CDU – Abg. Peter Hauk CDU: Eine soziale Verantwortung? Das schlägt doch dem Fass den Boden aus! – Gegenruf des Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Das Fass hat schon längst gar keinen Boden mehr!)
Mit der Abschaffung der verbindlichen Grundschulempfeh lung, mit dem Ausbau der Kleinkindbetreuung und jetzt mit der Abschaffung der Studiengebühren öffnen wir den Weg für eine neue Bildungsgerechtigkeit und für Bildungsqualität. Dieses Verständnis der gesellschaftlichen Bedeutung von Hoch schule ist Teil eines gesamtheitlichen Bildungsverständnisses.
Erstens: Jeder Mensch hat ein individuelles Recht auf Bil dung; das gehört zur sozialen Gerechtigkeit.
Zweitens: Unsere Gesellschaft braucht jeden gut ausgebilde ten Menschen; das gehört zur sozialen Verantwortung.
Und drittens: Ein gebührenfreies Studium ist auch eine Frage der volkswirtschaftlichen Vernunft. Bei anhaltendem Fach kräftemangel, den Sie sicherlich nicht bestreiten werden, brau
chen wir in Baden-Württemberg mehr denn je gut ausgebil dete Hochschulabsolventen. Vor diesem Hintergrund ist jeder und jede Einzelne, der oder die wegen finanzieller Hürden kein Studium aufnimmt, einer oder eine zu viel.
Wir brauchen alle Talente und alle Begabungen. Niemand darf auf dem Bildungsweg verloren gehen. Das ist wichtig für den Einzelnen, aber auch für die Gesellschaft; es ist also ein All gemeingut.
Damit ist wohl auch die Frage beantwortet, die uns in der ers ten Lesung des Gesetzentwurfs gestellt wurde, nämlich die Frage: Wem tut die Gebührenfreistellung im Studium eigent lich gut? Die Antwort lautet ganz klar: Uns allen. Denn alle profitieren davon, dass wir die Entscheidung für ein Studium erleichtern, indem wir die finanziellen und damit auch die psy chologischen Hürden solcher Gebühren endlich abschaffen.