Protokoll der Sitzung vom 09.02.2012

Folgerichtig lesen wir dann im Bericht des Ministeriums zum Haushalt – ich zitiere –:

Der Haushalt... ist... geprägt vom Spagat zwischen dem Beitrag zur Haushaltskonsolidierung und der Umsetzung der Energiewende als wesentlicher politischer Schwer punkt unter den Eckpunkten der neuen Landesregierung.

Ich bitte Sie, sich das zu merken: „wesentlicher politischer Schwerpunkt unter den Eckpunkten der neuen Landesregie rung“.

Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns einmal Anspruch und Wirklichkeit gegenüberstellen. Vorab lassen Sie mich ei nen Blick zurück werfen, weil das auch im aktuellen Haus halt eine nicht unerhebliche Rolle spielt.

Kollege Lucha hat Kollegin Gönner gerade bestätigt, keinen schlechten Job

(Minister Rainer Stickelberger: Als Sozialministerin!)

als Sozialministerin gemacht zu haben, wenn ich das richtig verstanden habe. Das ist erfreulich, weil es mittlerweile ein gerissen ist, dass Vertreter der Regierungsfraktionen hier ans Pult treten und sich groß darüber auslassen, was es angeblich alles für Versäumnisse der früheren Landesregierung gegeben habe.

(Zuruf der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU)

Lassen Sie mich dazu sagen, Herr Minister: Sie haben im Frühjahr ein Flaggschiff der baden-württembergischen Lan desregierung übernehmen dürfen. Sie durften ein hervorra gend aufgestelltes Ressort übernehmen, das bundesweit seit vielen Jahren über eine hohe Reputation verfügt,

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Pionierarbeit!)

das in diversesten Fragen als innovativ und konstruktiv in ganz Deutschland anerkannt war, nicht zuletzt auch aufgrund der hervorragenden Arbeit unserer Minister.

(Abg. Alfred Winkler SPD: In Sachen Kernenergie!)

Wenn ich Kollegin Gönner angesprochen habe, soll auch Kol lege Müller nicht unerwähnt bleiben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Hören Sie doch mit der Mär auf, dass Umweltpolitik in Ba den-Württemberg erst im März 2011 angefangen habe.

(Abg. Alfred Winkler SPD: Hervorragend aufgestellt in der Kernenergie!)

Ich nenne Ihnen gern Beispiele. Nehmen Sie das Thema Bo denschutzgesetz. Das Bundesbodenschutzgesetz entspricht praktisch 1 : 1 dem, was hier im Land auf den Weg gebracht worden war. Nehmen Sie das Erneuerbare-Wärme-Gesetz, bei dem uns eine Vorreiterrolle zukommt.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Nicht bei den öffent lichen Gebäuden! – Abg. Alfred Winkler SPD: Aus stieg aus dem Ausstieg!)

Ich könnte das noch fortsetzen.

Und jetzt: „Der Wechsel beginnt.“

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Ja!)

Schauen wir uns den Wechsel doch einmal etwas genauer an. Blicken wir in den Bericht des Ministeriums zum Haushalt. Darin lesen wir zunächst:

Mit Wirkung vom 12. Mai 2011 erfolgte... die Abgabe der Aufgabenbereiche Verkehr und Straßenwesen... und die Abgabe des Bereichs Naturschutz und Landschaftspflege... Ebenso übergegangen sind der Aufgabenbereich des verkehrsbezogenen Lärm- und Immissionsschutzes... Zu gegangen sind die Aufgabenbereiche Energiewirtschaft...

Damit nicht genug: Im Juni 2011 gab es mit einer nochmali gen Änderung der Abgrenzung der Geschäftsbereiche noch einen Nachschlag bei der Abgabe:

Der gebietsbezogene Immissionsschutz, Lärmschutz so wie der Aufgabenbereich Flächenmanagement... wurden... übertragen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich frage Sie: Sieht so die Stärkung eines zentralen Bereichs der Politik, der Umweltpo litik im Land Baden-Württemberg aus?

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Nein! – Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Ja!)

„Nein“ muss die Antwort lauten.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Wir haben dazu versucht, Licht in das Dunkel zu bringen,

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Sehr gut! Licht im Tunnel ist immer gut!)

aber die Antwort aus dem Staatsministerium war in diesem Punkt nicht wirklich ergiebig. Sehen Sie es mir nach, dass ich die Vermutung habe, dass hier vor allem der Koalitions- und Ministerarithmetik Rechnung getragen wurde und dazu zum Teil sachfremd Zuständigkeitsbereiche – ich denke etwa an den Immissionsschutz – aus dem Ministerium herausgebro chen worden sind.

(Zuruf des Abg. Jürgen Walter GRÜNE)

Warum erwähne ich das? Ich erwähne das, Herr Minister Un tersteller, weil Sie Minister für Umwelt, Klima und Energie wirtschaft sind. Es erfüllt mich etwas mit Sorge, wenn Sie z. B. bei Ihrer Pressekonferenz in dieser Woche nur noch als Minister für Energie bezeichnet werden.

Sie sind der Sachwalter. Sie sind dafür verantwortlich, dass die Umweltpolitik insgesamt Eingang in die Landespolitik fin det. Ich sehe mit großer Sorge, dass außerhalb des Energiebe reichs, in dem Sie unbestritten aktiv sind, Ihr Profil zu wün schen übrig lässt. Ändern Sie das! Die Umweltpolitik hat es verdient.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Es gibt einen weiteren Punkt, den ich ausgesprochen ärger lich finde. Wir sind der Haushaltsgesetzgeber und sollen dar über entscheiden, welche Mittel Ihnen für Ihre Arbeit zur Ver fügung stehen. Deswegen haben wir einen Anspruch darauf, in den Berichten der Ministerien vollständig informiert zu werden und Gegenüberstellungen zu bekommen, mit denen wir etwas anfangen können.

Unter dem lapidaren Hinweis auf die vorgenommenen Neu abgrenzungen der Geschäftsbereiche lese ich im Bericht Ih res Hauses zu diesem Haushaltsplanentwurf, dass auf eine Ge genüberstellung der Zahlen der Vergangenheit und der Zah len von heute verzichtet wird, weil die Vergleichbarkeit feh le.

Herr Minister, dieses Parlament ist in der Lage, sich sein Ur teil darüber, was wie vergleichbar ist, selbst zu bilden. Ich fin de es sehr bedauerlich, dass Sie an dieser Stelle keinen voll ständigen Bericht vorgelegt haben.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Jür gen Walter GRÜNE: Da muss er selbst lachen!)

Jetzt wollen wir aber nicht nur kritisieren. Das Ergebnis der Haushaltsberatungen ist, dass wir in vielen Bereichen dem zu stimmen können, was Sie vorgelegt haben. Ich will beispiel haft die Erhöhung der Mittel für den Altlastenfonds um 5 Mil lionen € erwähnen. Mir sei allerdings der kleine Hinweis er laubt, dass die Grünen bei der Beratung des Staatshaushalts plans für 2009 mit dem Antrag 10/5, Drucksache 14/3610, mal eben 13 Millionen € mehr für diesen Zweck gefordert haben. Dies vielleicht als kleines Einsprengsel zum gestrigen Vortrag des Ministerpräsidenten, was die seriöse Oppositionsarbeit anbelangt.

Halten wir also fest: Es gibt viele Bereiche, bei denen wir oh ne Weiteres mitgehen können. Bei diesen Bereichen werden wir auch zustimmen.

Jetzt kommen wir aber zu Ihrem „wesentlichen Schwerpunkt“, zur Energiewende. Dabei wollen wir uns vor Augen halten, dass wir es mit einem Rekordhaushalt zu tun haben: ein Vo lumen von über 38 Milliarden €, mehr als 4 Milliarden € zu sätzlich. Was uns unter der semantischen Maske des Wortes „Verdopplung“ verkauft wird, sind zusätzliche Mittel in Hö he von 10 Millionen €. Ich frage Sie, Herr Minister: Ist das wirklich die wesentliche Schwerpunktsetzung in der Politik des Landes Baden-Württemberg vor dem Hintergrund der Energiewende? Wir meinen: nein.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Weil wir um die Nöte der Haushaltskonsolidierung wissen, haben wir nicht einfach zusätzliche Mittel gefordert. Vielmehr haben wir das berücksichtigt, was die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Frau Kollegin Sitzmann, gestern angesprochen hat: Kann denn der Staat alles selbst machen? Nein, natürlich nicht. Es ist aber wichtig, dass der Staat und auch das Land eine Handschrift zeigen und die Investitionstätigkeit anregen.

Dazu haben wir Ihnen im Rahmen der Haushaltsberatungen verschiedene Vorschläge gemacht – zu den einzelnen Anträ gen im Bereich des Klimaschutzes wird Herr Kollege Mack noch etwas sagen –, wie Sie weitere Anreize setzen könnten, damit auch die anderen Beteiligten die Energiewende voran bringen können. Das ist von den Regierungsfraktionen unter Hinweis auf die Haushaltslage leider samt und sonders abge lehnt worden.

Wir müssen uns noch einmal vor Augen halten, dass wir ein Gesamtvolumen von zusätzlich 15 Millionen €, basierend auf unserem solide durchgerechneten Haushaltskonzept, vorschla gen. Dabei finde ich es dann schon interessant, Herr Kollege Stober, dass allein die SPD in der vergangenen Legislaturpe riode 15 Millionen € mehr nur für den Bereich Altbau gefor dert hat. Die Grünen haben das damals noch getoppt mit ei ner Mehrforderung von 26 Millionen € für „KlimaschutzPlus“. Ich glaube, daran kann man schon sehr deutlich erken nen, dass wir hier dagegen mit Augenmaß und Vernunft Vor schläge unterbreitet haben, damit die Klimawende wirklich den Platz in der Landespolitik bekommt, den sie verdient.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Lachen des Abg. Jürgen Walter GRÜNE)

Lassen Sie mich noch einige Worte zur Gesetzeskultur in Ih rem Haus sagen.

(Abg. Peter Hauk CDU: Ein spannendes Thema!)

Wir haben nun einen relativ quälenden Vorgang, was den Er lass des Landesplanungsgesetzes anbelangt. Ich habe mich da in der Vorbereitung noch einmal schlaugemacht. Lange wur de der 1. Januar 2012 als Zieldatum genannt. Jetzt hören wir, dass es wohl im Mai so weit sein soll. Auf der anderen Seite sehen Sie nach wie vor Übergangsfristen in dem Gesetzent wurf vor, wonach die bisherige Regelung, auf die sich dann die Beteiligten einzustellen haben, im September 2012 aufge hoben werden soll. Sie hören selbst von den Betroffenen, dass das angesichts der schwierigen Materie nichts mehr mit einer vernünftigen Übergangsfrist zu tun hat. Ändern Sie das, ar beiten Sie an diesem Punkt nach.