Sehr geehrte Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen, verehrtes Publikum! Herzlichen Dank, liebe CDU, dass Sie diese Große Anfrage gestellt haben. Frauengesundheit ist in der Tat ein wichtiges Thema, nicht nur am Tag vor dem Internationalen Frauentag.
Ich werde diese Gelegenheit nutzen, darüber zu sprechen, was wir mit „Frauengesundheit“ meinen. Ist Gesundheit insgesamt nicht mehr als die Abwesenheit von Krankheit? Wenn wir da rüber sprechen, wie Gesunderhaltung insgesamt durchgesetzt und umgesetzt werden kann, müssen wir auch fragen: Wo müssen wir politisch ansetzen, wo müssen wir Initiativen er greifen, wo muss Gesundheitspolitik ansetzen?
Ich glaube – da bin ich mit meiner Kollegin Frau Engeser und mit vielen anderen Frauen, die hier heute schon gesprochen haben, einer Meinung –, dass Frauengesundheit insgesamt le bensweltorientiert ist, dass es eben nicht nur darauf ankommt, auf die Medizin zu setzen, sondern dass es letztendlich dar auf ankommt, wie die Lebensumstände sind, wie die Arbeits bedingungen sind, wie die Work-Life-Balance ist, von der auch heute Morgen hier in der Debatte über die Arbeitsbedin gungen immer wieder die Rede war. Es geht doch letztend lich darum, genau hinzuschauen, wie die Lebenswelten von Frauen sind, wie die Lebenswelten von Männern sind und wo wir was brauchen, um diesen ganzen Zusammenhang einmal insgesamt zu bedenken.
Da möchte ich gern einmal beim Beginn des Lebens anfan gen, bei den Geburten. Es geht doch wirklich darum, dass wir auch einmal hinschauen und fragen: Müssen wir denn immer die maximale medizinische Versorgung in Anspruch nehmen? Eine maximale Versorgung brauchen wir. Aber brauchen wir auch das Maximale in der Medizin? Frau Engeser hat es eben schon angesprochen: Die Kaiserschnittrate liegt bei uns mitt
lerweile bei 30 % plus x. Das halte ich für eine ziemlich be denkliche Entwicklung. Wir haben mittlerweile eine Entwick lung, bei der man sagen kann: Geburten und Schwangerschaf ten werden pathologisiert, sind gar nicht mehr natürlich.
Da geht es doch darum, dass wir dort politisch ansetzen, in dem wir sagen: Geburt und Schwangerschaft gehören zum Le ben dazu und sind ein natürlicher Vorgang.
(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der CDU, der SPD und der FDP/DVP – Abg. Karl-Wil helm Röhm CDU: Jawohl! Bravo!)
Wir müssen doch die Frauen darin bestärken, dass es genau um diesen natürlichen Vorgang geht. Unser politischer Hand lungsansatz ist, den Beruf der Hebamme zu stärken.
Wir haben alle noch im Kopf, dass im vergangenen Jahr die Hebammen massiv auf die Straße gegangen sind, weil sie da rum fürchteten, dass ihre Berufstätigkeit überhaupt nicht mehr ausgeübt werden kann, weil sie extrem hohe Haftpflichtprä mien zahlen müssen, bei denen kein Mensch weiß, wie sie ge genfinanziert werden. Da brauchen wir eine Bundesratsiniti ative, da brauchen wir das Zusammengehen von Bund und Land, um dafür zu sorgen, dass die Hebammenleistungen Pflichtleistungen nach dem SGB V werden, sodass die Prämi en übernommen werden, und dass die Hebammen insgesamt in ihrer Tätigkeit gestärkt werden, damit sie überhaupt zur Verfügung stehen, wenn Frauen ihre Kinder auf natürlichem Weg zur Welt bringen wollen.
Wir wollen auch noch darüber hinausgehen, wenn es darum geht, im Rahmen unserer regionalen Gesundheitskonferen zen, die wir jetzt auf den Weg bringen wollen, dafür zu sor gen, dass die unterschiedlichen im Gesundheitsbereich täti gen Berufsgruppen zusammengefasst werden, um eine Ge sundheitsversorgung in der Region auf den Weg zu bringen, und sicherzustellen, dass die Hebammen in der Begleitung von Schwangeren, in der nachgeburtlichen Versorgung, aber z. B. auch in der Versorgung von Familien mit kleinen Kin dern eine besondere Rolle spielen.
Eine Möglichkeit dafür könnte sein – eine Klinik, die das macht, gibt es, glaube ich, bereits in Heilbronn –, hebammen geführte Geburtsstationen einzurichten. Das wäre, finde ich, ein richtig guter Ansatz. Den werden wir, die grün-rote Re gierungskoalition, aufgreifen und unterstützen. Das ist ein zentraler Punkt.
Wir haben eben schon einiges dazu gehört, wie es mit der me dizinischen Forschung aussieht. Auch da müssen wir, finde ich, deutlich mehr tun. Das Institut für Frauengesundheit in Tübingen ist angesprochen worden. Ich finde, es muss viel stärker in diese Richtung gedacht werden, und die medizini sche Fachausbildung muss deutlich in diese Richtung erwei tert werden. Frauengesundheit und Frauendiagnostik müssen
Selbstverständlichkeiten sein, damit Ärzte, die ausgebildet worden sind, ganz schnell begreifen, dass bestimmte Symp tome, die Frauen haben, die eingeliefert werden, unter Um ständen Symptome für Herzinfarkte sein können. Denn hier weisen Frauen und Männer völlig unterschiedliche Sympto me auf.
Bis jetzt sind die Diagnostik und die Medikamentierung auf Männer ausgerichtet. Auch da müssen wir neue Wege gehen. Das Institut für Frauengesundheit ist eine gute Möglichkeit dafür. Wir brauchen aber auch noch andere Ansätze. Wir müs sen die Reform der Ausbildung der Ärztinnen und Ärzte in diese Richtung viel stärker angehen. Die Tatsache, dass es un ter den Medizinern immer mehr Frauen gibt, bestärkt mich auch ein bisschen und macht mich hoffnungsfroh, dass dieser Ansatz in Zukunft etwas stärker forciert wird.
Daneben gibt es noch zahlreiche weitere Themen; Sie haben das angesprochen. Diese Themen sind auch alle in der Gro ßen Anfrage erwähnt. Wir haben viel zu tun – das kann man nicht anders sagen –, aber ich bin sehr optimistisch, dass wir auf diesem Gebiet in den nächsten vier Jahren einen ordent lichen Schritt weiterkommen.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Kol leginnen und Kollegen! Das Thema Frauengesundheit war bis vor gut 13 Jahren kaum wissenschaftlich untersucht worden. Im Jahr 1999 hat die damalige rot-grüne Bundesregierung mit der Familienministerin Christine Bergmann hierzu einen ers ten sehr wichtigen Ansatz vorgelegt. Die Studie „Verbundpro jekt zur gesundheitlichen Situation von Frauen in Deutsch land“ sollte eine Bestandsaufnahme der unterschiedlichen Ent wicklungen in West- und Ostdeutschland aufzeigen und hat das sehr, sehr dezidiert gemacht. Ich kann Ihnen nur empfeh len, das einmal nachzulesen; darin sind sehr viele Handlungs ansätze enthalten.
Hintergrund für diese Studie war die Tatsache, dass sich – das ist auch heute mehrfach gesagt worden – Frauen und Männer in ihren Krankheiten sehr stark unterscheiden, ihre Arbeits- und Lebensbedingungen ebenfalls sehr unterschiedlich sind und vor allem der Bereich „Familie und Beruf“ ein wichtiger Faktor bei der Beurteilung von Frauengesundheit ist.
Die körperlich-biologischen Unterschiede – das heißt die Be reiche Schwangerschaft, Geburt, Klimakterium sowie auch hormonelle Faktoren – müssen einfach auch in der Beurtei lung stärker berücksichtigt werden. Hinzu kommt, dass Frau en auch sensibler mit ihren Beeinträchtigungen umgehen. Sie reagieren anders auf körperliche und psychische Beeinträch tigungen, und sie haben in der Regel auch ein etwas stärker ausgeprägtes Bewusstsein für Präventivmaßnahmen.
Dies sind nur ein paar Punkte von sehr vielen, die man im Be reich Frauengesundheit betrachten sollte.
Wichtig ist – auch das ist heute schon gesagt worden –, dass man sich vor allem an der realen Lebenswelt der Frauen ori
entiert. Da gibt es viele Punkte. Ich habe einige herausgegrif fen, die ich für sehr wichtig halte. Zu nennen sind die Dop pelbelastung durch Familie und Beruf sowie der Einfluss der sozialen und der finanziellen Situation – Frauen in prekären Beschäftigungen, alleinerziehend, allein verdienend, allein le bend, mit Kindern und ohne Kinder, mit der Pflege Angehö riger, mit körperlich und psychisch belastender Arbeit, mit Be nachteiligung in vielen Formen. Da gibt es die Frage nach den frauenspezifischen Arbeitsbedingungen, da gibt es die Diffe renzierung zwischen dem ländlichen Raum und den Ballungs räumen, den städtischen Bereichen, die Differenzierung unter Migranten und die Situation von Frauen mit Behinderungen.
Dass Frauen anders krank sind, dass andere Gründe für ihre Erkrankungen vorliegen können und dass man viele Beson derheiten in der Diagnostik und der Behandlung zu beachten hat, steht allerdings in Widerspruch zu der Tatsache, dass die medizinische Forschung und die medizinischen Standards nach wie vor sehr stark an Männern orientiert sind und auch die Erprobung von Medikamenten noch immer überwiegend an Männern erfolgt, ohne mögliche Auswirkungen auf die Frauen zu berücksichtigen.
Diese Aspekte führen natürlich auch zu einem besonderen Ri siko bei Frauen. Um eine evidenzbasierte Medikamentenbe handlung zu bekommen, müssen beide Geschlechter gleich wertig in die Forschung einbezogen werden. Das heißt, wir haben einen großen Nachholbedarf auf dem Gebiet der Erfor schung geschlechtsspezifischer Nebenwirkungen.
Die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der CDU-Fraktion liefert sicher viele interessante Aspekte und Antworten zur Frauengesundheit. Erfreulich ist auch, dass sei tens des Ministeriums viele Antworten zu Aspekten gegeben wurden, die gar nicht in der Fragestellung enthalten waren,
An erster Stelle ist als häufigste Krebserkrankung der Brust krebs zu nennen. Hier sind – das wurde heute schon zu Recht gesagt – die Aktivitäten des Landfrauenverbands zum Brust krebsscreeningprogramm sehr zu loben. Sie wirken sich nach Aussage des Ministeriums sehr positiv aus. Die aktuelle Un terschriftenkampagne wird auch vom Deutschen Gewerk schaftsbund und anderen Kooperationspartnern unterstützt. Hier wird der Präventivgedanke hervorragend umgesetzt.
Alarmierend ist, dass Frauen stärker vom sogenannten Burnout-Syndrom betroffen sind. Hier ist die Zahl der Betroffenen mittlerweile doppelt so hoch wie bei Männern. Dabei kann man sicherlich zugrunde legen, dass die Doppelbelastung durch Familie und Beruf ein sehr wichtiger Faktor ist.
Erfreulich ist, dass es bei den Mutter-/Vater-Kind-Kuren end lich mehr Klarheit in der Bewilligungspraxis geben wird. Da mit wird dem gesetzlichen Anspruch auf eine Kur, der seit 2007 besteht, endlich Genüge getan. Wir begrüßen es, dass es Ende dieses Jahres eine neue Evaluierung der Bewilligungs praxis geben wird.
Wenn wir über Frauengesundheit sprechen, müssen wir auch eine Differenzierung nach den unterschiedlichen Lebenssitu ationen vornehmen und danach eine Bewertung machen. Die
Landesregierung geht bei der Beantwortung der Großen An frage immer wieder auf die verschiedenen Lebenssituationen ein, die als Ursachen für die Erkrankungshäufigkeit bei Män nern und Frauen wirken können. Dabei wird immer wieder deutlich, dass die finanzielle Situation und vor allem der So zialstatus eine wichtige Rolle für die gesundheitliche Situati on von Frauen spielen, vor allem im direkten Geschlechter vergleich.
Im Hinblick auf die unterschiedlichen Faktoren für Frauenge sundheit müssen wir den Ergebnissen der Studie „Gesundheit in Deutschland aktuell“ aus dem Jahr 2009 große Bedeutung zumessen, vor allem im Hinblick auf die psychischen Erkran kungen. Der Zusammenhang zwischen sozialem Status und psychischer Gesundheit ist erschreckend, aber leider im Er gebnis vorhersehbar. Dass das Risiko einer seelischen Belas tung bei einem niedrigen Sozialstatus 2,6-mal höher ist als bei einem hohen Sozialstatus, muss uns in der Tat zum Nachden ken anregen. Denn Armut macht krank, und hier sind vor al lem Frauen extrem betroffen, besonders wenn sie die alleini ge Verantwortung für die Familie haben und zudem das allei nige Familieneinkommen erwirtschaften müssen.
Meine Damen und Herren, an der Biologie können wir nichts ändern, aber als Entscheidungsträger in der Politik können wir einige Settings machen. In der Antwort des Ministeriums auf die Große Anfrage finden wir einige sehr, sehr gute Ansätze, wie wir politisch handeln können.
Sehr geehrte Frau Prä sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehr ten Damen und Herren! Wir begrüßen es, dass das wichtige Thema Frauengesundheit umfassend und differenziert disku tiert wird. Die Große Anfrage der CDU-Fraktion und die sehr ausführliche Antwort der Landesregierung sind lesenswert, und ich kann wirklich nur empfehlen, diese Unterlagen durch zulesen.
Die FDP/DVP-Landtagsfraktion hat im Juni 2009 einen Se niorenkongress mit dem Thema „Männer altern anders – Frau en auch“ durchgeführt. Auch dabei war deutlich geworden, wie wichtig eine geschlechterdifferenzierte und geschlechter gerechte Betrachtungsweise ist. Für die FDP als Partei, die sich sehr intensiv auch für die Bürgerrechte einsetzt, ist es ei ne Selbstverständlichkeit, dass jeder Mensch so behandelt wird, wie es seiner Individualität entspricht.
Beim Thema Frauengesundheit fiel mir zunächst das im Ver gleich zu Männern größere Risiko der Raucherinnen im Hin blick auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen auf. Darüber hinaus wird auf die Rolle der körpereigenen Hormonproduktion im Hinblick auf Erkrankungsrisiken Bezug genommen. Hier ist das stark ansteigende Herzinfarktrisiko nach der Menopause zu nennen.
Mich hat bei der Lektüre der Großen Anfrage und der dazu ergangenen Antwort allerdings gewundert, dass nirgends et was zu den Belastungen und Risiken durch Schwangerschafts
verhütung mittels der Antibabypille ausgesagt wird. Auch die ses Thema muss verantwortungsvoll aufgegriffen werden.
Interessant sind auch die Ausführungen zum Kaiserschnitt – darauf wurde bereits mehrfach hingewiesen – und zu dem im Vergleich zu einer normalen Geburt höheren Sterblichkeitsri siko. Inzwischen kommt bereits ein Drittel aller Neugebore nen durch Kaiserschnitt zur Welt; begründet wird dieser An stieg mit dem steigenden Alter der Gebärenden und mit dem gewachsenen Sicherheitsbedürfnis sowie mit dem Hinweis auf verschiedene weitere Faktoren, die auch von meinen Vor rednerinnen bereits angesprochen wurden. Ein Nebeneffekt, der sich aus dieser „Wahlfreiheit“ für die Frauen ergibt, sind die steigenden Kosten. Mit einer Fallpauschale in Höhe von 2 400 € liegen die Kosten für einen Kaiserschnitt um rund 40 % über den Kosten für eine normale Entbindung.
Während einer Schwangerschaft nimmt die werdende Mutter natürlicherweise zu, und danach gelingt es ihr hoffentlich auch wieder, ihr vorheriges Gewicht zu erreichen. Damit komme ich zum Stichwort Übergewicht. Die Zahlen hierzu muten sehr bedenklich an. Der Nationalen Verzehrsstudie 2006 zufolge sind bundesweit 50,6 % der Frauen übergewichtig, 21,1 % gelten sogar als adipös. In Baden-Württemberg liegen die ent sprechenden Zahlen bei 48,4 bzw. 16,4 %.
Dabei ist Übergewicht d e r Risikofaktor schlechthin für eine Diabeteserkrankung. Wohl keine Krankheit wird derart unterschätzt wie Diabetes. Im Rahmen der Gesundheitsstra tegie Baden-Württemberg muss hier mehr geleistet werden. Die Zentren für Bewegungsförderung wie auch das Projekt „Gesund aufwachsen und leben in Baden-Württemberg“ sind wichtig. Wenn sich bislang lediglich 15 Städte und Gemein den in Baden-Württemberg aktiv hieran beteiligen, so ist das viel zu wenig.