Protokoll der Sitzung vom 14.03.2012

Ich möchte zum vorliegenden Gesetzentwurf in aller Kürze auf drei Punkte eingehen:

Erstens: Die Fristen wurden bereits angesprochen. Man hat nun eine viermonatige Fristverlängerung vorgenommen. Es gibt jedoch Stellungnahmen vonseiten des Gemeindetags, de nen zufolge auch diese Frist noch zu knapp bemessen sei. Es wird gesagt: Wir haben eine Planungszeit von 18 Monaten. Es gibt andere Rückmeldungen von Kommunen, die sagen, 18 Monate seien nicht erforderlich, aber die Frist müsste min destens bis in das dritte Quartal 2013 hineinreichen.

Der zweite Punkt ist die Kompetenzverlagerung. Die Situati on der Konkurrenz der Genehmigungswege, die bisherige so genannte Schwarz-Weiß-Lösung mit den Vorrang- und Aus schlussgebieten, soll geändert werden. Die Regionalverbän de können Vorranggebiete für die Windenergienutzung aus weisen, und die Kommunen können ihrerseits in ihren Flä chennutzungsplänen Flächen für Windkraftstandorte darstel len, die eine regelhafte Ausschlusswirkung für andere Flächen des Gemeindegebiets haben.

Ganz wichtig ist, dass jede Anlage immer und grundsätzlich immissionsschutzrechtlich zu genehmigen ist, damit der Na tur-, der Arten- und der Lärmschutz, auch mit den entspre chenden Abstandsgrenzen, umgesetzt werden. Der Vorteil die ser Form ist die zusätzliche Entscheidungskompetenz in den Kommunen im Sinne der Subsidiarität und dadurch eine hö here Flexibilität und Eigenverantwortlichkeit der Kommunen. Der Nachteil ist – Kollege Groh hat dies bereits sehr ausführ lich dargestellt –: Die Parallelplanung birgt die Gefahr wider sprechender Konzeptionen und ist ein Verstoß gegen das Ge genstromprinzip. Mögliche Folge ist, dass eine Konkurrenz zwischen den Regionalverbänden und den Kommunen ent steht. Dies kennen wir bereits aus anderen Bundesländern, wo es zum Teil erhebliche Kompetenzrangeleien und auch Strei tereien zwischen den Regionalverbänden und den Kommu nen gibt, obwohl nach dem Baugesetzbuch ein interkommu nales, materielles Abstimmungsgebot besteht.

Die Alternative, die vom Landkreistag oder auch vom Schwarz waldverein vorgeschlagen wird, ist die Beibehaltung der Pla nungskompetenz durch die Regionalverbände unter der Be rücksichtigung des Gegenstromprinzips, das heißt, unter Be rücksichtigung der Mitsprache- und Beteiligungsrechte der

Kommunen. Der Vorteil wäre, dass die bestehenden Windre gionalpläne fachlich fundiert und auch entsprechend weit fort geschritten sind und dass der dreistufige Ansatz von Vorrang-, Vorbehalts- und Ausschlussgebieten, das sogenannte SchwarzWeiß-Grau-Modell, schnelle, effiziente und ganzheitliche In strumente bereitstellt. Wir würden damit unkoordinierte Stand ortausweisungen vermeiden.

Quantitative Vorteile der von der Landesregierung beabsich tigten Aufteilung der Planung für die Windenergienutzung so wie hieraus entstehende Vorteile für mögliche Investoren sind aus unserer Sicht nicht ersichtlich. Die amtliche Begründung sagt dazu nichts aus. Der Planungs- und Investitionssicherheit wäre es vielmehr dienlich, wenn die Planungen bei den Regi onalverbänden verblieben. Die entscheidende Frage, die sich für unsere Fraktion stellt, ist: Was trägt wesentlich dazu bei, dass man die Ziele bezüglich der Windenergienutzung schnel ler erreichen kann?

Dritter und letzter Punkt ist das Thema Bürgerbeteiligung. Zu Abschnitt A – Allgemeiner Teil – steht in der Begründung des Gesetzentwurfs – ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin –:

Dieses Ziel kann nur durch eine Kombination verschie dener Maßnahmen und unter Einbeziehung, Unterstüt zung und Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger erreicht werden.

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kol legen, wenn etwas einer gründlichen Bürgerbeteiligung be darf, dann der Bau von Windrädern vor der eigenen Haustür. Die Änderung des Landesplanungsgesetzes sieht hier aber kei ne Novellierung der Bürgerbeteiligung vor. Das entspricht nicht dem heutigen Anspruch dieser Politik des Gehörtwer dens, vor allem dann, wenn die Masten 140 m hoch oder noch höher werden.

Als Liberale freuen wir uns, wenn die Wirtschaft oder auch Bürgergesellschaften und Bürgergenossenschaften investie ren. Aber wir wollen die Menschen mehr beteiligen. Deswe gen zum Abschluss der Vorschlag, nicht nur wie bisher ledig lich eine öffentliche Einsichtnahme während der Öffnungs zeiten zu machen, sondern in das Gesetz grundsätzlich eine öffentliche Bürgerinformation und Anhörung als Pflicht hin einzunehmen.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr gut!)

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr gut!)

Meine Damen und Her ren, es liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Die Ausspra che ist damit beendet.

Ich schlage vor, den Gesetzentwurf Drucksache 15/1368 zur weiteren Beratung federführend an den Ausschuss für Verkehr und Infrastruktur und mitberatend an den Ausschuss für Um welt, Klima und Energiewirtschaft sowie den Ausschuss für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz zu überweisen. – Es erhebt sich kein Widerspruch. Damit ist es so beschlossen und Punkt 6 der Tagesordnung erledigt.

Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf:

Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des In nenministeriums – Seelsorge und psychologische Betreu ung bei der baden-württembergischen Polizei – Drucksa che 15/908

Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Be gründung des Antrags fünf Minuten und für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.

Das Wort zur Begründung erteile ich für die SPD-Fraktion Herrn Abg. Heiler.

Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen, liebe Kollegen! Der Beruf des Polizeibeamten ist ein be sonderer Beruf. Polizistinnen und Polizisten sind bei ihrer täg lichen Arbeit regelmäßig besonderen psychischen Belastun gen ausgesetzt.

Lassen Sie mich mit einer ganz persönlichen Erfahrung be ginnen. Heute exakt vor vier Wochen – es war etwa die glei che Uhrzeit wie heute; es war Aschermittwoch – wurde ich in meiner Eigenschaft als Bürgermeister zu einer Stelle auf un serer Gemarkung gerufen, an der sich ein Selbstmord abge spielt hat. Ein Mann hatte sich vor den Zug geworfen. Als ich zur Unglücksstelle kam, waren bereits Polizeibeamte unseres Postens und des Reviers vor Ort; die Kriminalpolizei kam ge rade dazu. Anwesend waren auch die Feuerwehr und das DRK. Für mich war und ist so etwas gottlob nichts Alltägli ches, aber für unsere Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten und Hilfsorganisationen ist das leider der Alltag.

Ich habe mich mit den Beamtinnen und Beamten unterhalten, wie man so etwas verkraftet. Sie haben mir erklärt, es gebe noch wesentlich Schlimmeres, beispielsweise Unglücksfälle oder Sexualstraftaten mit Kindern. In diesen Fällen ist die Be lastungsgrenze absolut erreicht. Ich habe mich gefragt: Wie kann man so etwas eigentlich aushalten?

Ich bin der Landesregierung daher sehr dankbar, dass sie in ihrer Stellungnahme sehr deutlich gemacht hat, wie wichtig psychologische Betreuung und Polizeiseelsorge sind.

Ich will mich deshalb zu Beginn bei all denjenigen bedanken, die als Polizeipsychologen oder Polizeiseelsorger einen über aus wertvollen Dienst leisten. Herzlichen Dank dafür.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Es sind aber nicht nur solche schlimmen Ereignisse, die eine psychologische Beratung notwendig machen. Es gibt auch persönliche Krisen: Probleme mit Vorgesetzten, Probleme in der Familie und in der Partnerschaft, Probleme mit Kollegen –

(Vereinzelt Heiterkeit)

so etwas ist natürlich auch in anderen Berufen der Fall –, aber natürlich auch besonders gefährliche und belastende Einsatz situationen. Dies sind die häufigsten Anlässe für Beratungs gespräche.

Ich will aber noch zu einem anderen Thema kommen. Wirft man einen Blick in die Geschichte und sucht nach der Her kunft des Begriffs „Polizei“, so ist dessen Ursprung im Alt

griechischen zu finden. „Polis“ bedeutet nichts anderes als „Stadt“. Die Römer übernahmen diesen Begriff. Im ersten und zweiten Jahrhundert wurde dies zum Modewort für die ge samte öffentliche Verwaltung.

Bereits damals hatten diejenigen, die den Staat repräsentier ten und schützten, einen schweren Stand. Der römische Dich ter Juvenal brachte dies in seiner Empörung über den Sitten verfall seinerzeit folgendermaßen zum Ausdruck: „Quis cus todiet ipsos custodes?“ – Wer überwacht die Wächter?

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Die Pres se!)

Das ist eigentlich eine recht zynische Frage. Sie lässt sich aber im Hinblick auf unseren Antrag – um auf ihn zurückzukom men – auch anders stellen. Denn „custodire“ steht im Latei nischen nicht nur für „wachen“, sondern auch für „hüten“. Al so übersetzen wir die Frage anders: Wer behütet die Wächter? Das gilt gerade in Zeiten, in denen der Respekt vor der Staats gewalt und damit auch vor den Polizistinnen und Polizisten immer geringer zu werden scheint.

(Beifall bei der SPD und der CDU sowie Abgeord neten der Grünen und der FDP/DVP – Abg. Karl-Wil helm Röhm CDU: So ist es! Jawohl!)

Die Gewerkschaft der Polizei in Hamburg führt z. B. die Ak tion „Auch Mensch – Polizei im Spannungsfeld“ durch. Be gründet wurde der Schritt zu dieser Initiative wie folgt – ich zitiere –:

Die körperliche, aber auch die verbale Gewalt gegenüber Beamten hat in den vergangenen Jahren erheblich zuge nommen.... Sowohl bei Großeinsätzen als auch im Alltag begegne Beamten eine Gewaltbereitschaft, die bisher nicht bekannt war.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Da müssen Sie nicht nach Hamburg gehen!)

Diese Aussage stammt von Uwe Koßel, dem Vorsitzenden der GdP in Hamburg, zitiert im „Hamburger Abendblatt“ vom 29. Februar 2012.

Auch in Baden-Württemberg ist eine Zunahme der Gewalt ge gen Polizisten zu verzeichnen. Im Jahr 2010 gab es 1 406 Wi derstandsdelikte gegen Polizeibeamte, bei 1 267 leicht und schwer verletzten Polizisten; 2008 waren es nur 700 Verletz te gewesen.

Der „Stern“ hat am 7. März 2012 berichtet, dass sich die Zahl der tätlichen Übergriffe gegen Bundespolizeibeamte in den letzten fünf Jahren mehr als verdoppelt hat. Der SPIEGEL ONLINE – das passt genau in das Gesamtbild – hat am 7. März 2012 darauf hingewiesen, dass auch Aggressionen, sprich tätliche Angriffe, gegen Bahnmitarbeiter deutlich zu genommen haben. Allein im letzten Jahr gab es 750 tätliche Angriffe gegen Bahnmitarbeiter.

Was will ich damit sagen? Wir müssen einen mangelnden Respekt beklagen, und es gibt keine Achtung mehr vor der Staatsgewalt. Eine psychologische Betreuung ist, denke ich, gerade aus diesem Grund notwendig. Es gilt deshalb meines Erachtens auch, die Ursachen zu bekämpfen. Denn psycholo

gische Betreuung ist zumeist nicht präventiv, sondern stellt eine Nachbereitung dar.

Die Hemmschwellen der Menschen bei verbalen Angriffen und tätlichen Angriffen sind gesunken. Dabei stellt nicht nur die niedrige Hemmschwelle ein Problem dar, sondern auch der Verlust von Vertrauen in die Polizei.

In den Augen mancher Beteiligter wird die Polizei als Stell vertreter für das gesehen – ich überspitze jetzt völlig und sehr bewusst –, was den Feind darstellt.

Doch die Doppelfunktion, meine Damen und Herren, die die Polizei in der Gesellschaft tatsächlich innehat, wird selten ge sehen. Sie schützt und wahrt die Ordnung im Staat, sie schützt und wahrt aber auch die Unversehrtheit der Bürgerinnen und Bürger, oft auch derjenigen, die keinen Respekt vor ihr haben.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: So ist es!)

Ich denke, dies ist der größte Zwiespalt, der sich bei dieser Thematik zeigt. Viele Menschen vertrauen nicht mehr denen, die für ihre Sicherheit sorgen sollen. Polizisten müssen sich mit Bürgern auseinandersetzen, die sie tätlich angreifen, be schimpfen und bespucken. Auf der anderen Seite ruft dersel be Bürger nach einem Unglück einen Polizisten, der ihm hel fen und ihm respektvoll begegnen soll. Dann wissen alle – auch die größten Egoisten – plötzlich wieder, was sich gehört, allerdings nur dann, wenn der andere, nämlich der Polizeibe amte, in der Bringschuld ist. Dies müssen wir in unserer Ge sellschaft ändern.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Die Menschen vertrauen ebenfalls nicht mehr dem Organ, das in ihrem Sinn und zu ihrem Wohle Entscheidungen treffen soll, nämlich der Politik. Dieser Vertrauensverlust gegenüber der Politik bringt natürlich auch den Verlust des Vertrauens in die staatlichen Organe mit sich. Insofern ist es elementare Auf gabe der Politik, das Vertrauen der Menschen zurückzugewin nen. Ich denke, der Bundespräsident in spe, Herr Dr. Gauck, hat gestern u. a. dies sehr eindrucksvoll im Foyer des Land tags zur Sprache gebracht.

Alles in allem müssen wir dahin kommen, dass die Polizei in der Öffentlichkeit wieder den Respekt erfährt, der ihr als Hü ter von Ordnung und Gesetz gebührt. Denn schließlich ist Ordnung das halbe Leben, und Respekt ist die andere Hälfte.