Protokoll der Sitzung vom 18.04.2012

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Heiler, auch von dieser Stelle aus im Namen der SPD-Fraktion herzlichen Glück wunsch. Ich dachte zuerst, Sie wären noch einmal Vater ge worden. Sei’s drum.

(Heiterkeit)

Der SPNV hat sich im Bundesland Baden-Württemberg seit der Bahnreform hervorragend entwickelt. Das haben wir im mer anerkannt. Er war und ist eine Erfolgsgeschichte. Diese Regierung hat klar erklärt, dass sie diese Erfolgsgeschichte weiterführen will und weiterführen wird. Das ist ein klar er klärter Wille.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU und der Grünen – Zuruf der Abg. Nicole Razavi CDU)

Daran können Augenblicksmeinungen eines Journalisten oder Zitate nichts ändern. Das ist im Koalitionsvertrag so veran kert. Sie können sich darauf verlassen – die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes auch –, dass wir an dieser Stelle einmal mehr unsere Glaubwürdigkeit unter Beweis stellen werden.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Winfried Mack CDU: Wenn Sie es sagen, glauben wir Ihnen!)

Wir waren in diesem Bundesland jahrelang in einer sehr kom fortablen Situation,

(Abg. Peter Hauk CDU: Beim bestehenden Vertrag!)

nämlich dadurch, dass wir mehr Geld erhalten haben, als wir für Schienenleistungen ausgeben mussten. Wir hatten etwa 70 Millionen € für verkehrsnotwendige, aber nicht zwingend aus Regionalisierungsmitteln zu bezahlende Leistungen zur Verfügung. Das war eine ganz tolle Sache.

An dieser Stelle stellt sich die Frage – ich komme nachher noch darauf zurück –, ob man hier nicht Umverlagerungen in der Finanzierung vornehmen sollte. Es zeigt sich, dass dies

notwendig ist, weil das bisherige System reformbedürftig ist. Der Kollege hat es erwähnt: Die Dynamisierung um jährlich 1,5 % reicht hinten und vorn nicht mehr aus, um die gestiege nen Kosten für Trassen, für Stationen, für Energie aufzufan gen.

(Vereinzelt Beifall bei den Grünen)

Dieser Trend besteht nicht erst seit dem letzten Herbst, son dern es gab ihn schon in Zeiten Ihrer Regierung. Deswegen stellt sich für uns die Frage, ob es verantwortungsbewusst war, diese ca. 70 Millionen € dauerhaft oder mittel- und langfris tig über Verträge an Aufgaben zu binden, bei denen man sich im Einzelnen nun wirklich fragen kann, ob es nicht sogar ei ne Zweckentfremdung von Regionalisierungsmitteln ist,

(Beifall der Abg. Andreas Schwarz und Andrea Lind lohr GRÜNE)

wenn man der Stadt Stuttgart über den Verkehrslastenaus gleich eine Querfinanzierung für das Theater oder Sonstiges zukommen lässt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Da müssen wir schon einmal intensiv nachfragen, ob wir die einzelnen Leistungen so beibehalten wollen, ob wir sie kün digen oder deren Finanzierung durch andere Quellen ersetzen.

Zum anderen möchte ich an dieser Stelle auf eine gewisse Wi dersinnigkeit hinweisen. Wir finanzieren aus Regionalisie rungsmitteln die Bahnhofsförderprogramme, den Strecken ausbau und anderes mehr.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: So ist es!)

Es ist gut, dass wir das machen. Aber es ist doch absurd, durch diese Mittel Aufgaben zu finanzieren, die der Bund oder die DB haben, nämlich Strecken auszubauen und Bahnhöfe zu modernisieren. Da schickt uns der Bund über die Regionali sierungsmittel Geld, damit wir Verkehr betreiben, aber wir ste cken dieses Geld in Bahnhöfe und geben auf diese Weise das Geld dem Geldgeber zurück. Es ist doch eine Absurdität des Föderalismus, Geld durch die Bürokratie zu schleusen, um es nachher dem Geldgeber wieder zurückzugeben.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Das kann und darf nicht Zweck der Regionalisierungsmittel sein. Diese müssen in allererster Linie dazu dienen, dass die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes über die Schiene trans portiert werden.

(Zuruf von der SPD: Auf der Schiene!)

Wir werden unsere Kraft dafür einsetzen, dass dem so ist.

(Beifall des Abg. Andreas Schwarz GRÜNE)

Der Streit darüber, ob man das zwei Monate früher oder spä ter auf das politische Tapet bringt, ist müßig. Denn die Rah menbedingungen werden sich dadurch nicht ändern.

(Abg. Peter Hauk CDU: Die haben sich auch nicht geändert! – Gegenruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD: Doch!)

Es ist Aufgabe der von uns gestellten Regierung, in der ver bleibenden Zeit bis zur Neuausschreibung, bis 2016, hierzu eine Lösung anzubieten. Darauf gehe ich in der zweiten Run de noch näher ein.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Claus Schmiedel SPD: Sehr gut!)

Für die Fraktion der FDP/DVP spricht Herr Kollege Haußmann.

Sehr geehrter Herr Prä sident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Thematik, die wir heute diskutieren, ist nicht neu. Wir haben dieses Thema am 21. September letzten Jahres im Verkehrsausschuss bei der Beratung eines Antrags von Abgeordneten der SPD zu den Stationspreisen diskutiert. Schon in dieser Gesprächsrunde hatte der Verkehrsminister darauf hingewiesen, dass er davon ausgehe, dass die Mehrkosten für 2012 20 Millionen € betra gen.

(Abg. Peter Hauk CDU: Aha!)

Das ist im Bericht über die Beratungen nachzulesen.

(Abg. Peter Hauk CDU: Aha!)

Insofern ist unverständlich, was in den letzten sechs Monaten gemacht wurde. Am 26. März dieses Jahres ist eine Presse mitteilung veröffentlicht worden zu Punkten, die heute auch schon angesprochen wurden, die auch bekannt sind: die Sta tionspreise, die angehoben wurden, die durch den Wegfall des Regionalfaktors höheren Trassenpreise, die Beteiligung bei den Energiepreissteigerungen. Ferner wurden schon der be stehende Verkehrsvertrag und die Angebotsausweitung ange sprochen. Dann reitet man immer wieder auf dem Thema Stuttgart 21 herum, aber wenn ich einmal alle diese Themen zusammennehme – da kann sicherlich auch die neue Regie rung gar nicht viel dafür –,

(Beifall des Abg. Andreas Schwarz GRÜNE)

dann ist klar: Das alles war schon bekannt; die Probleme und die Themen sind bekannt. Insofern ist es einfach nicht ver ständlich, was man in den letzten sechs Monaten in dieser Hinsicht getan hat.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Ich bin dem Kollegen Haller dankbar, dass er am 23. März der dpa gemeldet hat und darauf eingegangen ist – ich darf zitie ren –:

In Kenntnis aller Rahmenbedingungen schreit Hermann kurz vor dem Abgrund: Hilfe, wir fahren in den Abgrund!

Der Minister hätte nach Ansicht des SPD-Verkehrsexperten Hans-Martin Haller früher eingreifen müssen.

(Zuruf: Guter Mann!)

Dem ist nichts hinzuzufügen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Da hat er recht, der Herr Haller!)

Herr Kollege Schwarz, Sie haben auf den Koalitionsvertrag hingewiesen. Dafür bin ich Ihnen ausdrücklich dankbar. Sie haben im Koalitionsvertrag festgeschrieben, Sie wollten das Programm ausweiten, den Nahverkehr nicht einschränken. Sie haben aber auch hineingeschrieben, dass Sie bereit sind, Haus haltsmittel aus dem Land Baden-Württemberg einzusetzen. Also haben Sie indirekt schon den entscheidenden Hinweis gegeben: Eine Einschränkung wäre im Grunde genommen ein Bruch des Koalitionsvertrags. Sie haben jetzt ausdrücklich be schrieben, dass Sie keine Reduzierungen wollen. Dafür ganz herzlichen Dank.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Haller wird sich durchsetzen!)

Es gibt Handlungsbereiche – das wurde auch in der Verkehrs ausschusssitzung vom Verkehrsminister angesprochen –, bei denen man auf die Deutsche Bahn und auf den Bund einwir ken möchte. Dafür haben Sie auch die Unterstützung der Frak tionen. Es gibt einige Themen, was die Unabhängigkeit der Infrastruktursparten anbelangt, bei denen die Fraktionen des Landtags von Baden-Württemberg Sie unterstützen. Aber wir wollen heute schon hören, wie es mit dem Nachtragshaushalt aussieht, in welchem Umfang Sie Mittel für die Jahre 2012 und 2013 bereitstellen.

Es wird auch immer wieder auf den Vertrag hingewiesen, und dabei hört es sich an, als wären Sie der Meinung, bis zum Jahr 2016 sei es noch weit hin. Wenn man aber weiß, wie lange ei ne Ausschreibung dauert – eine solche EU-weite Ausschrei bung dauert etwa ein Jahr, und dann braucht man mindestens sechs Monate Zeit für die Prüfung –, und angesichts dessen, wie lang derzeit die Bestellzeiten bei den Wagenherstellern sind, dann mache ich mir schon Sorgen, ob wir denn diesen Zeitplan einhalten können. Bombardier hat derzeit Lieferzei ten von zwei bis drei Jahren für Wagenmaterial. Insoweit wol len wir schon konkret hören, wie es zeitlich weitergeht.

Ein chinesisches Sprichwort sagt: Wer am Brunnenrand war tet, bis das Wasser aus der Tiefe kommt, der verdurstet.

(Heiterkeit des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/ DVP)