Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung des Antrags fünf Minuten und für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.
Verehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Landesregierung hat die Mittel für den kommunalen Straßenbau nach dem Entflech tungsgesetz gekürzt: statt 60 % nur noch 40 %, statt heute 99 Millionen € ab 2014 nur noch 65 Millionen € jährlich. Das heißt, Sie nehmen dem kommunalen Straßenbau bis zum Aus laufen des Entflechtungsgesetzes im Jahr 2019 234 Millio nen € oder insgesamt 30 % weg.
Der kommunale Straßenbau war bis 2019 im Wesentlichen durchfinanziert. Bewilligungen, Zusagen und Anträgen in Hö he von ca. 800 bis 820 Millionen € – glaubt man den Zahlen, die Sie, die Regierung, selbst geliefert haben – standen Mit tel in Höhe von 800 Millionen € gegenüber.
Nehmen Sie zur Kenntnis: Im kommunalen Straßenbau geht es schon lange nicht mehr nur um Ortsumfahrungen. Es geht um die Beseitigung von Bahnübergängen, um den Ausbau bzw. die Sanierung von Gemeinde- und Kreisstraßen oder um die Sicherheit im Straßenverkehr, und das alles oft genug ver bunden mit Maßnahmen zur Ortsentwicklung. Diese Maßnah men würgen Sie jetzt ohne Not ab.
Nun kommt hinzu, dass Sie ab 2014 die Förderkonkurrenz verschärfen. Sie nehmen den Lärmschutz als Förderkriterium hinzu. Dagegen ist nichts einzuwenden – aber das geht nicht, wenn das aus einem Topf finanziert werden muss, den Sie vor her eingedampft haben. So ist es kein Wunder, dass die kom munalen Landesverbände dagegen Sturm laufen. Ändern Sie Ihre Entscheidung nicht, wird über das hinaus, was heute be reits bewilligt ist, nur noch wenig gehen. Deshalb ist es natür lich konsequent, dass Sie in diesem und im nächsten Jahr kei ne neuen Bewilligungen ausstellen.
Fazit: Durch Ihre Entscheidung werden viele – auch kleine – Projekte im kommunalen Straßenbau, Entlastungs- und Si cherheitsmaßnahmen, Maßnahmen zur Stadtentwicklung jetzt nicht mehr umgesetzt werden. Diese Politik, meine Damen und Herren, lehnen wir ab.
Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen! Ich will noch ein paar Worte zum An trag der CDU sagen. Ich denke, wir müssen drei Grundprin zipien beachten, wenn wir über Verkehrspolitik in BadenWürttemberg reden.
Erstens: Wir müssen CO2-Emissionen reduzieren, weil der Verkehr noch immer über ein Viertel der CO2-Emissionen in unserem Land verursacht. Also müssen wir den Schwerpunkt auf umweltorientierte Mobilität setzen.
Drittens, Herr Kunzmann, müssen wir sehen, dass die Ver kehrspolitik in der Pflicht steht, für die Bürgerinnen und Bür ger, aber auch für Unternehmen ein intaktes Verkehrsnetz und eine lebenswerte Umwelt aufrechtzuerhalten.
Herr Kunzmann, Sie haben die Entflechtungsmittel angespro chen. Hier sehe ich auf lange Sicht tatsächlich Probleme. Im Jahr 2013 läuft die verkehrliche Zweckbindung der Entflech tungsmittel des Bundes aus, und 2019 will der Bund gar kei ne Entflechtungsmittel mehr über das GVFG bereitstellen. Wenn wir also heute den Aufschrei tätigen wollen, dann müs
Sie kritisieren, dass wir künftig 60 % der Mittel für den Um weltverbund zur Verfügung stellen. Da verweise ich Sie auf eine Studie im Auftrag des Verbands Deutscher Verkehrsun ternehmen und der Länder aus dem Jahr 2009 – ich nehme an, dass auch die frühere Landesregierung dabei war –, die einen Bedarf an Reinvestitionen in die Infrastruktur von U-Bahnen, Stadtbahnsystemen und S-Bahn-Systemen von bundesweit 550 Millionen € offengelegt hat. Diese Studie des Büros In traplan hat auch aufgezeigt, dass Betriebseinschränkungen und Streckensperrungen bei U-Bahnen, Stadtbahnen und Stra ßenbahnen im Raum stehen, wenn diese Finanzierungslücke nicht geschlossen wird. Herr Kunzmann, das kann auch die CDU nicht wollen. Daher besteht hier Handlungsbedarf.
(Beifall des Abg. Manfred Lucha GRÜNE – Abg. Thaddäus Kunzmann CDU: Aus dem Entflechtungs gesetz wird doch nicht der laufende Verkehr finan ziert! Das sind Ausbaumaßnahmen! Das betrifft doch nicht den laufenden Verkehr!)
Wir werden den Mittelumschwung hin zum Umweltverbund für Ausbauten im öffentlichen Nahverkehr auf den Weg brin gen.
Dass dies nichts Neues ist, hat die SPD-Fraktion schon im Jahr 2010 aufgezeigt. Damals ging es hier um das Landesgemein deverkehrsfinanzierungsgesetz – vom Grundsatz her in Ord nung. Die SPD hat damals richtigerweise beantragt, dass die Hälfte der Mittel für den Umweltverbund und den ÖPNV zur Verfügung gestellt werden können. Es war doch völlig klar, dass SPD und Grüne den Schwerpunkt auf den Ausbau der In frastruktur im Rahmen des Umweltverbunds legen werden.
(Abg. Thaddäus Kunzmann CDU: Deshalb dürfen wir es trotzdem kritisieren! – Gegenruf von der SPD: Das ist etwas anderes!)
Wenn Sie jetzt auf die Straßen zu sprechen kommen, dann möchte ich hierzu einfach einmal den einer Unionspartei an gehörenden Bundesverkehrsminister zitieren. Er bringt in ei nem Schreiben an die Landesregierung von Baden-Württem berg zum Ausdruck:
Bei der Verwendung der zusätzlichen Mittel entsprechen Ihre Vorschläge auch meinen Zielvorstellungen, dass mit dem Geld vorrangig im Bau befindliche Neu- und Aus bauabschnitte an Autobahnen verstärkt
Das heißt, der Bund bestätigt, dass wir in Baden-Württemberg mit unseren Zielen des Erhalts, der Sanierung der Infrastruk tur und des Ausbaus des umweltorientierten Verkehrssystems auf dem richtigen Weg sind.
Herr Präsident, meine Da men und Herren! Das GVFG war über Jahre hinweg – und ist es heute nach wie vor – ein bewährtes Instrument zur Finan zierung des Verkehrs in den Kommunen. Der Topf war über Jahre hinweg gut gefüllt, manchmal besser gefüllt als die Töp fe zur Finanzierung der eigenen Straßenbaumaßnahmen. Es war ja das Dilemma, dass wir, das Land, zum Teil „Kürmaß nahmen“ für die Kommunen fördern sollten, aber für unsere eigenen Maßnahmen das Geld gefehlt hat. Ich erinnere nur noch einmal daran: Das Land wollte seinerzeit für die Stutt garter Kulturmeile, also eine Verkehrsbehinderungsmaßnah me, über 70 Millionen € im Etat des GVFG einstellen. Das ist glücklicherweise gescheitert.
Aber nochmals: Es dient Maßnahmen, die letztlich sinnvoll sind. Ich brauche nicht zu wiederholen, dass wir auf den In dividualverkehr nicht verzichten können.
Aber viele Kommunen, gerade Großstädte, können doch ihre Verkehrsprobleme über den Individualverkehr gar nicht mehr bewältigen. Es ist nun einmal Aufgabe der Politik, Vorhande nes nicht einfach linear fortzuschreiben – sonst könnten wir das Parlament auflösen –, sondern alternativ zu handeln. Des wegen gibt es die CDU, die Grünen und die Roten. Wir sind der Meinung, dass wir an dieser Stelle den Hebel umlegen mussten, damit die Kommunen ihre Instrumente in die Hand nehmen können.
(Abg. Winfried Mack CDU: Die FDP gibt es auch noch! – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Die Qualität haben Sie vergessen! Die FDP ist auch noch da!)
Tatsächlich, die FDP gibt es auch noch. Danke, dass Sie mich daran erinnern. Ich bitte um Nachsicht. Ich gelobe Bes serung, lieber Kollege.
Mit dieser Neuorientierung bieten wir die Chance, Radwege zu bauen und den ÖPNV auszubauen. Wir sind der Meinung, diesbezüglich auf dem richtigen Weg zu sein. Wir wollen nicht warten, bis wir über Gerichtsurteile, z. B. zum Feinstaub etc., wieder gezwungen werden, zu handeln. Wir wollen nicht re aktiv handeln, sondern den Städten aktiv und verantwortungs bewusst ein Instrument zur Verfügung stellen, mit dem sie ih re Verkehrsprobleme lösen können.