Im Gegensatz zu Ihnen können wir auf entsprechende Initia tiven verweisen, beispielsweise für deutliche Mittelerhöhun gen für den sozialen Mietwohnungsbau. Ich bin Ihnen aber auch deshalb dankbar, weil wir jetzt einmal auf zwei, drei ak tuelle Mythen eingehen können.
Mythos 1: Die Landesregierung hätte einen Verkauf der LBBWImmobilien an das Konsortium unter Führung der Stadt Stutt gart trotz eines um 30 Millionen € höheren Konkurrenzange bots erzwingen können. Hier zeigt die Stellungnahme der Lan desregierung deutlich auf, dass nach EU-Auflagen und nach Recht und Gesetz sowie im Rahmen eines fairen, transparen ten und diskriminierungsfreien Verfahrens der Gesellschaft eine alternative Verkaufsentscheidung für den Vorstand und den Aufsichtsrat nicht möglich war.
Alles andere wäre rechtlich hoch fragwürdig gewesen. Herr Kollege Löffler, ich wundere mich, dass ich als Nichtjurist Ih nen das hier an dieser Stelle erklären muss.
Mythos 2: Der Schutz der Mieterinnen und Mieter kann zwin gend durch einen Verkauf an das Stuttgarter Konsortium ge währleistet werden. Wenn man allein einmal einen Blick auf die Zusammensetzung dieses Konsortiums wirft, insbesonde re was das starke Engagement der R+V Versicherungsgruppe angeht, muss man auch hier feststellen: Wirtschaftliche Erwä gungen werden nicht außen vor bleiben können.
Gerade auch was den Aspekt angeht, wie sehr man sich – wie soll ich sagen? – als Mieterin oder als Mieter auf die Stuttgar ter kommunale Wohnungspolitik verlassen kann – Kollegin Aras hat das ausgeführt –, sind Mietsteigerungen um 60 % bis 70 % nicht gerade Ausdruck dafür, dass in der Stuttgarter kommunalen Wohnungswirtschaft nur soziale Gesichtspunk te eine Rolle spielen.
Der Vorsitzende des Mieterbunds, Rolf Gaßmann, hat nicht ohne Grund im März 2012 hieran massive Kritik geübt.
Zuletzt Mythos 3: Ausgerechnet die CDU sei Anwalt der In teressen der LBBW-Mieterinnen und -Mieter. Rufen wir uns doch einmal die Debatte, die vor einem Jahr noch vor dem Regierungswechsel stattfand, in Erinnerung. Die SPD-Frak tion hat damals ausdrücklich auf die hohe Verantwortung des
Landes für die Interessen der rund 60 000 Mieterinnen und Mieter hingewiesen und die Sorgen und Ängste der Menschen problematisiert. Die Reaktion Ihres damaligen Finanzminis ters war bezeichnend. Mit der Aussage, man solle sich nicht als – ich zitiere – „Schützer der Entrechteten“ darstellen, wur de das Anliegen der SPD abgekanzelt. Inhaltlich klare Aussa gen Ihrerseits blieben Mangelware.
Ich beglückwünsche die Kolleginnen und Kollegen der CDU, dass sie seitdem die Bedeutung von Mieterschutz im Zusam menhang mit dem Verkauf der LBBW-Immobilien erkannt ha ben.
Ihrer Glaubwürdigkeit, Herr Löffler, hätte es aber gutgetan, wenn Sie das auch vor einem Jahr deutlicher zum Ausdruck gebracht hätten.
So fällt nämlich das Jeremia-Zitat vom falschen Propheten auf einen selbst zurück. Ich sage Ihnen mit Blick auf die Aussa ge zu den „30 000 Silberlingen“: Wenn die Hölle unter der Er de liegt, dann entspricht das ungefähr dem geografischen Ni veau Ihrer politischen Rhetorik heute.
(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Das ist ja unglaublich! – Zuruf von der CDU: Welche Arroganz!)
Erstens: Die Finanz- und Wirtschaftskrise führt die LBBW in eine Schieflage. Staatliche Unterstützung wird notwendig.
Zweitens: Die Auflagen der EU-Kommission aus dem Beihil feverfahren verlangen einen Verkauf der LBBW-Immobilien.
Drittens: Im Rahmen dieses Verfahrens hatte das Konsortium bestehend aus der Stadt Stuttgart und der R+V Versicherung ein entsprechendes Angebot unterbreitet, welches trotz einer Möglichkeit zur Nachbesserung nicht erhöht wurde.
Viertens: Das Angebot des PATRIZIA-Konsortiums lag um 30 Millionen € höher. Entsprechend konnte nach Recht und Gesetz nicht anders zugeteilt werden.
Fünftens: Die Anteilsstruktur des PATRIZIA-Konsortiums, u. a. mit Pensionsfonds und einer württembergischen Spar kasse, lässt eher den Schluss zu, dass hinter dem Engagement in der Tat langfristige Interessen stehen.
Sechstens: Die vereinbarte Sozialcharta gewährleistet einen Mieterschutz, der deutlich über den rechtlichen Standard hi nausreicht. Entsprechend haben sich die Reaktionen auch be ruhigt. Diese Sozialcharta wurde unter Beteiligung der Stadt Stuttgart im LBBW-Aufsichtsrat verabschiedet.
Siebtens – das ist uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemo kraten wichtig –: Der Schutz der Beschäftigten ist ebenfalls berücksichtigt.
Ich werde an dieser Stelle meine Rede mit einer klaren Aus sage – auch mit Blick auf die Käufergruppe – abschließen: Wir werden sowohl auf Landesebene als auch auf kommuna
ler Ebene weiterhin ein waches Auge haben. Das Engagement der SPD für diese 60 000 Mieterinnen und Mieter wird mit dem Vollzug des Kaufvertrags nicht enden.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Kollege Sckerl, ob ich zum Obermieterschützer taugen würde, weiß ich nicht recht. Je denfalls bin ich mir sicher, dass ich Sie nicht unbedingt gern als Mieter hätte.
Ich bin dem Kollegen Löffler dankbar, dass er die Frage der Aufklärung noch einmal in den Vordergrund gerückt hat. Ich denke – Herr Minister, Sie werden ja anschließend Stellung nehmen –, dass es schon wichtig ist, diesem Haus noch ein mal sehr klar darzulegen, wann wem was rechtsverbindlich vorgelegen hat.
Zunächst – das unterscheidet uns, Herr Kollege Löffler – kann ich keinen Skandal bei diesem Verkauf erkennen. Ich glaube auch nicht, dass man angesichts der Größenordnung dieses Geschäfts von 1,4 Milliarden € sagen kann, 30 Millionen € seien Peanuts. Wenn dies der Fall wäre, hätte man möglicher weise auch dem weniger Bietenden den Zuschlag geben kön nen. In Zeiten, in denen Bundespräsidenten wegen 700 € zu rücktreten, muss man schon darauf achten, das Geld zusam menzuhalten. Da kann der Aufsichtsrat und auch der Vorstand der LBBW nicht einem anderen Bieter den Zuschlag geben.
Es ist also aus unserer Sicht nicht erkennbar, dass PATRIZIA nicht hätte zum Zuge kommen dürfen. Es ist aus unserer Sicht auch nicht erkennbar, dass PATRIZIA die notwendigen sozi alen Standards und die Mieterrechte nicht im Auge hatte. Sie schreiben in Ihrem Antrag auch: Es droht die Angst vor Um wandlung, Eigenbedarfskündigungen und deutlichen Miet steigerungen. Sie haben nicht geschrieben: „Es drohen Um wandlungen, Eigenbedarfskündigungen und deutliche Miet steigerungen.“ Sie, Herr Kollege Löffler, haben zu Recht da rauf hingewiesen, dass es relativ unwahrscheinlich ist, dass Fondsmanager von Heuschrecken – wenn sie es denn wären – Eigenbedarf bei solchen Mietwohnungen ankündigen.
In einem allerdings hat die CDU-Fraktion recht, denn auf Sei te 53 des Koalitionsvertrags von Grün-Rot steht:
An potenzielle Käufer haben wir die Erwartung, dass sie bereits Erfahrungen auf den baden-württembergischen Wohnungsmärkten gesammelt und sich als verlässliche Partner der Kommunen engagiert haben.
Wenn man den Verlauf des Ganzen betrachtet und wenn man auch Ihre Rechtfertigungen des Verlaufs des Ganzen betrach
tet, dann muss man schon die Frage stellen: Mit welcher Kom petenz haben Sie Ihren Koalitionsvertrag abgeschlossen?
Die Blauäugigkeit und Inkompetenz beim Aufsetzen dieses Koalitionsvertrags macht schon deutlich, mit welch bedenk licher Schieflage Sie in die Regierungsverantwortung in Ba den-Württemberg hineingewankt sind, meine Damen und Her ren.
Es gibt also eine Absage an angebliche Heuschrecken, die sich aber nicht als Heuschrecken herausstellen – möglicherweise.
Man möge sich einmal vorstellen, was Sie hier erklärt hätten, insbesondere die Damen und Herren von der Sozialdemokra tie, wenn es umgekehrt gelaufen wäre, wenn eine schwarzgelbe Landesregierung PATRIZIA den Zuschlag gegeben hät te. Man möge sich vorstellen, wie Sie sich dann hier als Rä cher der Enterbten gebärdet hätten. Da hätten Sie dann den Schulterschluss zum Mieterbund und zu Herrn Gaßmann ge sucht. Nun ist es aber so, dass Sie sich plötzlich mit dieser Entscheidung auf Konfrontationskurs zum Mieterbund befin den.
Es ist aber positiv, dass die Landesregierung lernt. Man be tont die Notwendigkeit eines diskriminierungsfreien Verkaufs und bezieht sich sogar ausdrücklich auf Stellungnahmen der vorherigen Landesregierung, nämlich auf die Drucksache 14/7463.
Offensichtlich haben Sie also zwar den Rollentausch vorge nommen, in Frontstellung zum Mieterbund, aber wenigstens waren Sie so klug, sich nicht auf die eigene, in geringem Maß vorhandene, Kompetenz zu stützen, sondern auf die Kompe tenz der vorherigen Landesregierung. Ich habe den Eindruck: Je länger Sie regieren, desto deutlicher wird, dass dies auch notwendig ist.