Protokoll der Sitzung vom 19.04.2012

(Abg. Heribert Rech CDU: Aha!)

Jeremia hat nicht ohne Grund vor falschen Propheten gewarnt. Herr Minister, warum sagen Sie dem Parlament nicht die gan ze Wahrheit?

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: So ist es!)

Sie haben im Insolvenzfall Schlecker Hoffnungen bei Men schen geweckt und enttäuscht. Sie haben für 30 Millionen Sil berlinge 60 000 Mieter verraten und OB Schuster der Lüge bezichtigt. Herr Minister, glauben Sie ernsthaft, dass Sie noch tragbar sind?

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Das hatte etwas von Karneval! – Gegenruf des Abg. Jörg Fritz GRÜNE: Da hast du recht!)

Das Wort für die Frakti on GRÜNE erteile ich Frau Abg. Aras.

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Die Landesbank Baden-Württemberg musste im Rahmen einer Beihilfeauflage ihren Wohnungsbe stand verkaufen. Sie hat dies über eine Ausschreibung ge macht. In einem mehrstufigen Verfahren, bei dem der Auf sichtsrat der Bank beteiligt war, wurden einige Bieter, darun ter reine Finanzinvestoren, ausgeschieden, andere zugelassen. Unter den Zugelassenen waren, wie hier bekannt ist, ein kom munales Konsortium, das Baden-Württemberg-Konsortium unter der Führung der Stadt Stuttgart, und die Investorengrup pe PATRIZIA, hinter der Versicherer, Pensionsfonds und bei spielsweise die Sparkasse Göppingen standen.

Sie wissen, dass das Baden-Württemberg-Konsortium in der ersten Stufe des Bieterverfahrens ein indikatives Angebot ab gegeben hat, das um einige Hundert Millionen Euro höher war als das Angebot von PATRIZIA. Bei der verbindlichen Ange botsabgabe reduzierte das Baden-Württemberg-Konsortium sein Angebot um ca. 300 Millionen € ohne erwähnenswerte Gründe, die man nachvollziehen könnte.

Da die LBBW das Ziel hatte, möglichst – wenn es irgendwie ging – an das Baden-Württemberg-Konsortium zu verkaufen, hat sie, um ihm noch eine Chance zu geben, das Baden-Würt temberg-Konsortium so weit beraten, dass es immer wusste, woran es ist, und beiden Bietern eine Fristverlängerung um sechs Wochen eingeräumt. Aber dies hat im Endeffekt nichts genutzt, weil das Angebot von PATRIZIA um 30 Millionen € höher lag.

Insoweit war dies ein sehr bedauerlicher, aber normaler Ab lauf einer Ausschreibung.

Die Sozialcharta, an die sich beide Bieter, sowohl PATRIZIA als auch das Baden-Württemberg-Konsortium, halten muss ten und die der Ausschreibung zugrunde lag, bietet den Mie tern weit mehr als den gesetzlichen Mieterschutz. Sie bietet ihnen auch mehr Schutz als der Mieterschutz, den es bisher unter der LBBW gab.

So weit also kein Skandal, keine soziale Katastrophe.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Der Skandal, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist das, was folgte. Der Fraktionsvorsitzende der CDU im Stuttgarter Ge meinderat war schnell damit bei der Hand, den Schuldigen

auszumachen: Es waren die grün-rote Landesregierung und deren Mitglieder im Aufsichtsrat der LBBW.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Ein guter Mann! – Zuruf des Abg. Peter Hauk CDU)

„Grün-Rot opfert Mieterschutz zugunsten des Kapitals“ – so wird Herr Kotz in der „Stuttgarter Zeitung“ vom 15. Februar zitiert. OB Schuster und sein Stadtkämmerer Föll schlugen in die gleiche Kerbe. Herr Föll wird noch einige Tage zuvor in derselben Zeitung zitiert, er werde alles tun, damit das kom munale Konsortium zum Zuge komme. So weit, so gut.

Wenn Herr Föll es wirklich ernst gemeint hätte, dann hätte er das Angebot des kommunalen Konsortiums nur um 30 Milli onen € anheben müssen. Dann wäre der Zuschlag selbstver ständlich an die kommunale Seite erfolgt. Die Vollmacht und die Ermächtigung dazu hatte er.

(Widerspruch bei der CDU)

Der Gemeinderat hatte nämlich mehr Geld bewilligt als ur sprünglich geplant, damit er mehr freie Hand hat. Aber das hat er nicht gemacht. Warum eigentlich nicht?

(Zurufe von der SPD: Hört, hört!)

Wusste er vielleicht gar nicht, dass es sich um einen Unter schied von nur 30 Millionen € handelte? Bei einem Gesamt volumen von 1,4 Milliarden € sind 30 Millionen € doch ein relativ kleiner Betrag.

(Zurufe von der CDU)

Doch, er wusste es, meine Damen und Herren. Es hat mehr als einen Hinweis an das kommunale Konsortium gegeben, dass der Unterschied gering ist und dass er nur bei 30 Millio nen € lag. Er wusste sogar noch mehr. Er wusste, dass das An gebot der Stadt, nämlich eine eigene, weiter gehende Sozial charta, auf das Ergebnis des Bieterverfahrens keine Auswir kung haben konnte. Grundlage des Verfahrens war nämlich die Sozialcharta, der der Aufsichtsrat der Bank zugestimmt hatte, und zwar einstimmig, also auch mit der Stimme des Oberbürgermeisters, Herrn Schuster. Herr Schuster hatte ge nau diese Sozialcharta, nachdem sie im September 2011 be schlossen worden war, zunächst öffentlich für positiv erklärt, und jetzt kritisiert er, nachdem PATRIZIA die Wohnungen be kommen hat, genau diese Sozialcharta, bei der er mitgestimmt hat.

(Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU: Er hat nicht mitge stimmt!)

Jetzt spielt er auf einmal den weißen Ritter der Sozialmieter.

Über die Motive, warum keine 30 Millionen € mehr draufge legt wurden, kann man nur spekulieren. Hat hier jemand zu hoch gepokert? War es nur eine Panne? War es Unvermögen? Ging es hier einer CDU-Seilschaft nicht um Sozialwohnun gen, sondern nur darum, der grün-roten Landesregierung ans Schienbein zu treten?

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Widerspruch bei der CDU – Oh-Rufe von der CDU – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Was für ein kläg liches Menschenbild haben Sie!)

Noch ein Vorgang, der endgültig klarmacht, wie vonseiten der CDU gearbeitet wurde: Kurz nach der von Ihnen inszenierten Dolchstoßlegende gegen Grün-Rot

(Abg. Thaddäus Kunzmann CDU: Jetzt hörtʼs aber auf mit so einem Geschwätz! „Dolchstoßlegende“!)

bei den LBBW-Wohnungen kündigt Herr Föll an, dass die städtische Wohnungsbaugesellschaft SWSG die Mieten in Stuttgart-Hallschlag um über 60 % erhöhen werde. Ich benen ne nur Luxussanierungen, lieber Kollege Löffler. Schon ein mal etwas davon gehört?

(Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU: Ja, habe ich!)

Gegenüber dem Mieterverein sagte er in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des SWSG-Aufsichtsrats, dass damit die Struktur verbessert werden solle. Ich nehme an, er meinte die Sozialstruktur, also Mieter, die sich nur eine geringere Miete leisten können, raus, und andere Mieter rein. Bei den LBBWWohnungen klagt Herr Föll über mangelnde Sozialstandards beim Verkauf an eine Investorengruppe. Bei der SWSG betä tigt er sich selbst als Mietheuschrecke...

(Glocke der Präsidentin)

Ich bitte Sie, zum Ende zu kommen.

... – sofort – zum Nachteil der Mieterinnen und Mieter der Wohnungsgesellschaft.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der eigentliche Skandal ist, dass OB Schuster und Herr Föll Fakten an die Öffentlichkeit gebracht haben, aber die Öffentlichkeit – weil sehr viel nicht öffentlich war – keine Möglichkeit hatte, sich über diese ver traulichen Unterlagen zu informieren.

(Zuruf von der SPD: So ist es!)

Das ist der eigentliche Skandal.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Der Verkauf der Wohnungen an PATRIZIA entspricht nicht unseren Wünschen. Wir hätten uns auch gewünscht, das Ba den-Württemberg-Konsortium hätte sie bekommen. Aber ein Skandal ist es nicht.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Karl Zimmermann CDU: Skandal ist, dass Sie von Seil schaften reden! Unmöglich!)

Für die SPD-Fraktion er teile ich Herrn Abg. Dr. Fulst-Blei das Wort.

Manchmal tut die Wahrheit weh.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Wieso? Haben Sie Schmerzen, Herr Kollege?)

Manchmal, wenn ich Ihnen zuhöre, kommen die Schmer zen hoch.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Weil die Wahrheit wehtut!)

Aber ich bedanke mich bei Ihnen, dass Sie uns die Gelegen heit geben,

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sie meinen Herrn Gaßmann!)

die herausragende Bedeutung der Mieterinteressen für die neue Landesregierung hier noch einmal zu unterstreichen.

(Abg. Tanja Gönner CDU: Thema SPD-Wahlkampf!)