Protokoll der Sitzung vom 25.04.2012

Mein Name ist Lisa Schell. Ursprünglich komme ich aus Weinsberg bei Heilbronn. Seit Herbst studiere ich nun Medien- und Kommunikationswissenschaft an der Universität Mann heim.

Als ich gebeten wurde, für heute eine Rede vorzubereiten, machte ich mir zum ersten Mal Gedanken darüber, was Ba den-Württemberg mir persönlich eigentlich bedeutet. Sicher, Baden-Württemberg ist meine Heimat. Ich bin hier aufge wachsen und habe tolle Erinnerungen an Ausflüge in die Wil helma hier in Stuttgart oder das Blühende Barock in Ludwigs burg. Jedes Mal, wenn ich mit dem Zug von meiner Studien stadt zurück nach Hause fahre, wird mir bewusst, aus was für einem schönen Bundesland ich eigentlich komme. Die Stre cke führt eine lange Zeit am Neckar entlang und ist einfach unglaublich schön.

Unbedingt erwähnen muss ich auch mein Lieblingsessen, die schwäbischen Maultaschen,

(Heiterkeit und Beifall)

die für mich einfach zu Baden-Württemberg dazugehören. Ich bezweifle, dass ein anderes Bundesland eine Spezialität hat, die unseren Maultaschen auch nur annähernd das Wasser rei chen kann.

(Heiterkeit und Beifall)

Ich denke auch an meinen Dialekt, wenn ich an Baden-Würt temberg denke. Wenn ich irgendwo außerhalb von Baden

Württemberg unterwegs bin und jemanden schwäbisch spre chen höre, fühle ich mich gleich wie zu Hause.

(Beifall)

Wenn ich an Baden-Württemberg denke, habe ich aber noch ein anderes Gefühl: Ich bin stolz darauf, eine Baden-Würt tembergerin zu sein. Es macht mich stolz, in einem Bundes land zu leben, dem Wertschätzung und Anerkennung entge gengebracht wird und in dem die Menschen gern leben. Es macht mich stolz, zu wissen, dass meine Heimat Persönlich keiten hervorgebracht hat, denen es gelungen ist, die Welt zu verändern.

Mein Lieblingsbuch „Siddhartha“ wurde von Hermann Hes se geschrieben. Die Gedichte von Ludwig Uhland, Justinus Kerner und Eduard Mörike tauchten in der Schule immer wie der im Deutschunterricht auf. Sie werden für mich immer ei ne besondere Bedeutung haben, da ich mit ihnen tolle Erin nerungen an meine Schulzeit verbinde.

Albert Einstein machte nicht nur bahnbrechende Entdeckun gen in der Physik, sondern setzte sich auch vehement für Frie den und Völkerverständigung ein. Ohne ihn wäre unsere Welt eine andere. Ich schätze ihn, weil er Fragen auf den Grund ge gangen ist, ohne sich um die vorherrschenden Meinungen zu kümmern.

Sophie Scholl war intelligent und erkannte, dass das, was zu der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland passierte, falsch war. Obwohl sie wusste, welcher Gefahr sie sich selbst aussetzte, kämpfte sie bis zum Schluss für ihre Überzeugung. Ich bewundere sie sehr für ihren unglaublichen Mut und ihre Unerschütterlichkeit.

Theodor Heuss schaffte es als erster Bundespräsident der Re publik, dass die Weltöffentlichkeit ihre Vorurteile gegenüber Deutschland abbaute und wieder Vertrauen entwickelte. Er sorgte dafür, dass sich die Deutschen mit ihrer eigenen Ge schichte auseinandersetzten und diese aufarbeiteten. Theodor Heuss trug maßgeblich zur Entwicklung Deutschlands bei. Wäre er nicht gewesen, wäre das Deutschland, in dem ich heu te leben darf, sicher ein anderes.

Wenn man bedenkt, dass all diese Persönlichkeiten ihre Wur zeln in Baden-Württemberg haben, finde ich, dass ich zu Recht sagen darf, dass ich stolz darauf bin, ebenfalls eine Ba den-Württembergerin zu sein.

Ich bin 20 Jahre alt. Damit ist Baden-Württemberg genau drei mal so alt wie ich. Für mich ist es unvorstellbar, dass es ein mal eine Zeit gab, in der es das Bundesland Baden-Württem berg nicht gab. Ich würde nie auf die Idee kommen, zu sagen, ich käme aus Baden oder ich käme aus Württemberg.

(Heiterkeit und Beifall)

Es ist für mich selbstverständlich, dass Baden-Württemberg e i n Land ist. Für die Generation meiner Großeltern war das nicht selbstverständlich. Für mich ist es befremdlich, wenn sich meine Oma als Badenerin und nicht als Baden-Württem bergerin bezeichnet.

(Heiterkeit und Beifall)

Meine Generation dagegen kennt es nicht anders. Für uns gibt es nicht Baden und Württemberg oder gar Hohenzollern,

(Heiterkeit)

für uns gibt es nur Baden-Württemberg,

(Beifall – Unruhe)

ein Baden-Württemberg, in dem längst nicht mehr nur Baden er oder Württemberger leben, sondern eine Vielfalt von Bür gern mit den unterschiedlichsten kulturellen Hintergründen und individuellen Meinungen und Einstellungen. Wenn so vie le verschiedene Menschen aufeinandertreffen, sind Spannun gen und Meinungsverschiedenheiten keine Seltenheit. Trotz dem bin ich davon überzeugt, dass ein tolerantes Zusammen leben zwischen allen Bürgern gelingen kann. Ich hoffe, dass in Zukunft auf allen Seiten noch mehr Vorurteile bezüglich Herkunft oder Religion abgebaut werden können, um weiter hin friedlich miteinander zu leben.

Für die Zukunft wünsche ich mir, dass Baden-Württemberg seinen speziellen Charme behält und sich alle folgenden Ge nerationen hier genauso wohlfühlen, wie ich es tue. Ich wün sche mir, dass die Menschen hier eine Heimat haben, in der sie gern leben und arbeiten. Kinder sollen möglichst früh ge fördert werden und eine unbeschwerte Kindheit erleben. Ju gendliche sollen eine gute Ausbildung erhalten, damit sie Chancen auf eine sorgenfreie Zukunft haben. Die Abschaf fung der Studiengebühren zum Sommersemester 2012 war ein erster Schritt in die richtige Richtung.

(Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und der SPD)

Dennoch wäre es schön, wenn noch mehr Gelder in die Bil dung gesteckt würden, um die Ausstattung der Schulen und Universitäten zu verbessern.

(Beifall)

Ich wünsche mir, dass unsere Bürger auch weiterhin ihre Stim me einsetzen, wenn sie sich eine Veränderung wünschen. Bei der letzten Landtagswahl habe ich gesehen, dass selbst un wahrscheinliche Veränderungen möglich sind.

(Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und der SPD)

Ich bin gespannt, wie es mit dieser Veränderung weitergeht und ob die Bürger in Zukunft sogar noch mehr Möglichkei ten haben werden, an politischen Entscheidungen mitzuwir ken.

Letztendlich wünsche ich mir, dass Baden-Württemberg sich auch weiterhin so positiv entwickelt wie bisher, damit ich und alle anderen Baden-Württemberger in einem Land leben kön nen, auf das wir stolz sein dürfen.

Vielen Dank.

(Beifall)

Christoph Wiest: Sehr geehrter Herr Landtagspräsident, Herr Ministerpräsident, Herr Präsident des Bundesverfassungsge richts, sehr geehrte Damen und Herren! Beim 40-Jahr-Jubilä um von Baden-Württemberg war ich gerade ein paar Monate alt und habe von einer vergleichbaren Veranstaltung nichts

mitbekommen. Beim 50-Jahr-Jubiläum war ich mit meiner Grundschulabschlussklasse zu einer Veranstaltung der IHK Ulm eingeladen und durfte ein Schild hochhalten, auf dem stand: „Wir können alles. Außer Hochdeutsch.“

(Heiterkeit)

Heute stehe ich hier und darf davon erzählen, was einen jun gen Baden-Württemberger bewegt.

Seit letztem Oktober studiere ich in Heidelberg Medizin. Das heißt, ich bin gerade ein Jahr, bevor in Baden-Württemberg der doppelte Abiturjahrgang kommt, an die Uni gekommen. Im Zuge des besagten doppelten Abiturjahrgangs wurden Tau sende Studienplätze zusätzlich finanziert. Die Frage, die sich dann stellt, ist, ob auch größere Hörsäle gebaut werden oder ob zusätzlich Plastikgartenstühle für eine Open-Air-Vorlesung bereitgestellt werden.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Die andere Sache sind die Wohnungen. In Heidelberg hat man den Vorteil, dass es die Amerikaner gibt oder, besser gesagt, dass die US-Army sparen muss und dass die leeren Kasernen vom Studentenwerk genutzt werden können. Jetzt gibt es aber nicht in jeder Stadt Amerikaner.

(Heiterkeit und Beifall)

Ein anderes Thema: Zum Medizinstudium gehören 90 Tage Krankenpflegepraktikum. Auf der Station, auf der ich mein Krankenpflegepraktikum gemacht habe, konnte ich manche Patienten mit multiresistenten Keimen kennenlernen. Unge fähr zur selben Zeit habe ich eine Dokumentation über den Umgang mit MRSA in den Niederlanden gesehen. In Holland kommt jeder potenzielle Überträger von MRSA, also fast je der, der neu ins Krankenhaus kommt, zuerst in ein Quarantä nezimmer. Jeder, der mit dieser Person sprechen möchte – egal, ob Arzt oder Besucher –, muss durch eine vorgeschalte te Schleuse, muss sich vermummen und darf erst dann hinein. Auf diese Art und Weise konnte die Zahl der MRSA-Toten in den Niederlanden gesenkt werden. Hierzulande gibt es keine exakte Zahl von MRSA-Toten, weil MRSA in Deutschland nicht als Todesursache auf Totenscheinen vermerkt wird.

In Deutschland kommt man als neuer Patient im Krankenhaus in ein ganz normales Zimmer, oft sogar in ein Zweibettzim mer oder Dreibettzimmer. Erst dann, wenn eine Positivprobe für irgendeinen multiresistenten Keim vorliegt, wird der Pa tient evakuiert. Bis dahin darf er sich überallhin frei bewegen.

Im Frühsommer 2012 wird in Ulm eine neue Chirurgie eröff net, und in wenigen Jahren wird in Heidelberg eine zweite neue große Chirurgie folgen. Ich bin gespannt, ob es in die sen beiden Krankenhäusern mehr von diesen besagten Qua rantänezimmern geben wird.

Außerdem wünsche ich mir für die Zukunft, dass das badenwürttembergische Abitur ebenso anerkannt sein wird, wie es heute der Fall ist.

(Vereinzelt Beifall)

In der achten Klasse konnte ich im Schülerforschungszentrum in Bad Saulgau in einem Projekt für „Jugend forscht“ mitar

beiten und konnte dabei Versuche machen, die später im Phy sikleistungskurs mangels Zeit und mangels Ausstattung nicht möglich gewesen wären.

Dann war ich bei einigen Seminaren der Landeszentrale für politische Bildung, u. a. bei einem Seminar für Schüler aus Baden-Württemberg und Sachsen entlang der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze, wo man an original erhaltenen Grenzzaunanlagen und Selbstschussanlagen vorbeigehen konnte. Schon während der Bundesversammlung 2009 konn ten wir uns dort mit dem heutigen Bundespräsidenten unter halten. Solche Eindrücke sind es, die einem in Erinnerung bleiben, wenn man sich nach dem Abitur hinsetzt und sich überlegt: Was habe ich in den letzten zwölf oder 13 Jahren ge lernt? Solche Möglichkeiten gibt es zwar schon, aber es sind zu wenige.

Schließlich: Meine Mutter ist als Sozialpädagogin für die Sprachförderung von Kindern mit und ohne Migrationshin tergrund verantwortlich. Ich wünsche mir für die Zukunft, dass jedes Kind, das eine Sprachförderung braucht, diese auch bekommt. Ich wünsche mir, dass jeder unabhängig vom finan ziellen und akademischen Hintergrund der Eltern, wenn er es denn möchte, Staatsanwalt, Oberarzt oder Politiker werden kann.