Protokoll der Sitzung vom 23.05.2012

(Zuruf von der CDU)

Zwischen diesen zwei Polen musste ein Weg gefunden wer den.

Wir haben unter den Projektpartnern in einem Schreiben ge nau vereinbart, was der Rahmen des Dialogs ist. Da steht ein deutig: Der Kostendeckel muss akzeptiert werden. Die Grund bedingungen müssen insofern akzeptiert werden, als derjeni ge, der einen weiteren Vorschlag macht, der Mehrkosten aus

löst, auch zur Finanzierung etwas beitragen muss. Alle müs sen wissen, dass der S-21-Vertrag gilt, dass also dann, wenn man eine neue Lösung vorschlägt, die Projektpartner davon überzeugt werden müssen, dass sie diesen neuen Weg im Kon sens mitgehen. Insofern sind der Diskurs und der Dialog of fen und zugleich eben auch begrenzt, und man stößt mit sei nem neuen Vorschlag immer an den alten Vertrag; man muss quasi die Projektpartner mitnehmen.

Diese öffentliche Debatte hat sicherlich von Anfang an auch das Dialogverfahren belastet; denn wenn Sie auf der einen Seite in der Zeitung lesen können: „Eigentlich kannst du gar nichts mehr entscheiden“, und auf der anderen Seite kommen andere und sagen: „Eigentlich geht es ganz grundsätzlich um etwas anderes“, dann finden das natürlich viele Leute abschre ckend und fragen sich: Was kann ich da noch bewegen? Lohnt es sich, da sozusagen Stunde für Stunde zu verbringen, um mitzuwirken?

Jetzt zu dem Verfahren selbst: Die Projektpartner haben sich gemeinsam für ein bestimmtes Konzept entschieden. Wir – Stadt, Region, Bahn und wir – haben uns gemeinsam für Herrn Weitz entschieden. Da war übrigens der Verkehrsminister nie dabei, sondern das ist immer auf Arbeitsebene gelaufen. Wir wollten bewusst die politische Ebene herausnehmen, haben bewusst auf Sachlichkeit gesetzt.

In dieser Runde ist der jetzige Moderator, der nun in der Kri tik steht, gemeinsam ausgesucht worden. Mit ihm verbunden war übrigens auch das spezielle Dialogkonzept, bei dem der Kerngedanke war, dass neben den „Aktivbürgern“ und den Engagierten, den Gemeinderäten und den Bürgermeistern, den Oberbürgermeistern auch eine Zufallsgruppe beteiligt sein soll, also Menschen, die nicht per se an diesem Projekt inter essiert sind oder schon kompetent sind, sozusagen eine offe ne Bürgerschaft.

Ich möchte an dieser Stelle sehr deutlich sagen: Es ist heute in der Zeitung – in der „Stuttgarter Zeitung“ und auch in der Berichterstattung anderer Zeitungen – so getan worden, als würden die Bürger bei diesem Dialog fehlen. Das ist nicht wahr; vielmehr haben sich viele Bürger mit großem Engage ment sogar in den Prozess hineingedrängt, und wir mussten sozusagen eine Art Numerus clausus machen, damit nicht al le darin sind, die sowieso schon engagiert sind. Denn zu die sem Konzept gehört eben auch, dass ein Teil der bisher noch nicht festgelegten und engagierten Bürger dazukommt. Die ses Konzept haben alle mitgetragen.

Jetzt zur Verantwortlichkeit und zum Verfahren: Wir haben uns innerhalb der Regierung verständigt. Mein Haus hat die vorbereitende Arbeit geleistet, auch was die Variantenprüfung anbelangt, die Absprache mit der Bahn: Wir beraten auch in inhaltlichen Fragen. Den Prozess selbst leitet federführend das Staatsministerium bzw. die Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung. Wir unterstützen sie dabei, die Pro jektpartner unterstützen sie dabei, und ab dem Zeitpunkt, zu dem der Moderator gefunden wurde, hat natürlich auch der Moderator eine Eigenverantwortung übernommen.

Jetzt muss der Moderator mit den Beteiligten einen Weg fin den. Das bisherige Verfahren, das jetzt so in der Kritik steht, ist ein Verfahren, das mit vielen gemeinsam gefunden wurde.

(Abg. Peter Hauk CDU: Aber nicht die Einladungs liste! Eine Woche!)

Es zeichnet sich halt ab, dass manchmal manche über das schimpfen, was man gemeinsam gefunden hat und bei dem sie auch dabei waren.

Jetzt kommen wir noch zu einzelnen Punkten, z. B. dazu, dass die Einladung zu kurzfristig erfolgt sei. Selbstverständlich war sie kurzfristig. Aber die Einladung kam nicht aus meinem Haus, und sie war zu kurzfristig. Das hat aber auch damit zu tun gehabt,

(Abg. Peter Hauk CDU: Staatsministerium!)

dass die Bahn und die Vorbereitungsgruppe noch immer dar auf gesetzt hatten, dass es mit der Einladung bestimmte Ma terialien zu verschicken gäbe; man hat sich darauf jedoch nicht verständigt. Die Gruppe selbst hat also auch dazu beigetra gen, dass sich die Frist immer weiter verkürzt hat. Ich will da jetzt nicht weiter ins Detail gehen.

(Abg. Thaddäus Kunzmann CDU: Das heißt, alle sind schuld, nur Sie nicht!)

Ich glaube nur, wenn wir jetzt mit dem Tenor herangehen: „Es funktioniert da nicht, also lassen wir es sein“, dann würden wir deren Anliegen einer verstärkten Bürgerbeteiligung einen ganz schlechte Dienst erweisen. Wenn wir wollen, dass es mehr Bürgerbeteiligung gibt, dann, glaube ich, müssen wir ei ne Konsequenz ziehen: Bürgerbeteiligung braucht Zeit. Der Zeitdruck von außen hat der Sache geschadet. Auch dadurch sind solche Termine zustande gekommen, weil eben die Bahn gesagt hat: Ihr müsst vor der Sommerpause fertig sein. So sind eben auch frühe Termine zustande gekommen, wie etwa jetzt der vor Pfingsten.

Wir brauchen mehr Zeit, und wir müssen bei Verfahren, die neu sind, auch davon ausgehen, dass sie nicht auf Anhieb funktionieren. Jetzt gibt es einen zweiten Anlauf, Bürgerin nen und Bürger zu gewinnen, und ich bin mir sicher: Es wird gelingen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Herr Minister, bleiben Sie bitte am Mikrofon.

Für die CDU-Fraktion erteile ich Frau Abg. Razavi das Wort.

Herr Minister, Sie haben gerade ausgeführt, dass Sie im Vorfeld des Filderdialogs sehr eindeu tig auf die vertraglichen Bestandteile hingewiesen und klar gesagt hätten, dass der Vertrag einzuhalten sei. Ich habe zwei Fragen.

Zum Ersten: Welche Prämissen gelten für Sie für den Filder dialog? Und ganz konkret: Ist für Sie die Gäubahnanbindung an den Flughafen verhandelbar? Dazu bitte ich um eine ganz klare Antwort.

Die zweite Frage: Sie sind gerade auf den Zeitrahmen, den Zeitplan des Filderdialogs eingegangen, der bis zum 7. Juli abgeschlossen sein soll. Gilt dieser Termin für Sie, und wer den Sie ihn auch weiter einhalten?

Zunächst zu den Prämissen: Wie ich schon im Ver kehrsausschuss ausgeführt habe, gilt: Wenn für den Filderdi alog alle Prämissen, die als Grundlage für die bisherigen Pla nungen gesetzt waren, weiter gelten, wenn an keiner Prämis se etwas geändert wird, dann ist es ein Dialog für fast nichts. Denn dann können Sie fast nichts mehr ändern. Sie müssen also in gewisser Weise auch dazu bereit sein, dass die eine oder andere Prämisse infrage gestellt wird. Ich habe im Zu sammenhang mit der Gäubahn und der Flughafenanbindung immer gesagt – diese Auffassung wird inzwischen weitgehend auch von vielen Experten, auch von der Bahn, geteilt –: Es ist eine Krux, dass man gesagt hat: „Auch alle Gäubahnzüge müssen direkt zum Flughafen fahren.“

Ich sage nicht, das Gäu müsste gar nicht an den Flughafen an gebunden sein, sondern ich sage nur: Wenn man alle Züge di rekt anbindet, dann hat man zwangsweise eine Konstruktion dergestalt, dass man mit der Fernbahn auf eine S-Bahn-Tras se muss. Das ist ein Grundproblem. Wissen Sie: Seit 30 Jah ren wird in der ganzen Bundesrepublik der Nahverkehr, der S-Bahn-Verkehr, vom Fernverkehr getrennt. Wir geben Mil liarden aus, um diese beiden Systeme zu trennen, weil sie nicht zusammenpassen. In Stuttgart hingegen geben wir Mil lionen aus, um die bereits getrennten Systeme wieder zusam menzuführen.

Deshalb habe ich gesagt: Wir wollen über andere Lösungen nachdenken, um den Fernverkehr und den S-Bahn-Verkehr nicht auf derselben Trasse fahren zu lassen. Wir wollen eine gute Flughafenanbindung – wohlgemerkt eine bessere als der zeit –, aber das muss nicht über den Weg einer Direktanbin dung geschehen.

Insofern halte ich das für verhandelbar. Ich weiß aber genau: Wenn einer der Projektpartner Nein sagt, wenn die Stadt sagt: „Machen wir nicht“, wenn der Flughafen sagt: „Wollen wir nicht“, wenn die Region sagt: „Machen wir nicht“, dann ist das Ding gestorben. So einfach ist das. Jeder Vorschlag in die sem Dialogprozess, der von irgendeinem der Projektpartner blockiert wird, ist tot. Deswegen kommt es sehr auf Überzeu gungskraft und Konsens an. Das haben wir auch in das Papier hineingeschrieben; das müssen alle Beteiligten wissen. Es kommt nicht darauf an, tausend Ideen zu haben, sondern es kommt darauf an, dass man den Projektpartnern die bessere Idee vorlegt und sie davon überzeugt.

Jetzt zum Terminkalender: Ich halte dies für schwer realisier bar. Aus den Kreisen der Beteiligten sagen mir alle: So wird es nicht funktionieren. Je mehr Zeitdruck ihr von außen er zeugt, desto weniger wird es funktionieren. Deswegen werde ich mich mit der Führung der Bahn und auch mit den anderen Projektpartnern zusammensetzen und darüber diskutieren, ob wir an diesem Zeitfenster ein wenig rütteln können. Denn wir, die Landesregierung, haben von Anfang an gesagt: Wir wol len, dass dieser Prozess so schnell wie möglich zustande kommt. Es hat leider sehr viel länger gedauert, als wir ur sprünglich geplant hatten. Wir wollten klar und eindeutig vor der Sommerpause fertig sein. Das halte ich noch immer für ein sinnvolles Ziel.

Wenn es aber nicht geht, wenn damit sozusagen der Dialog schon zerstört wird, bevor er beginnt, weil das in der Zeit ein fach nicht umsetzbar ist, wie man jetzt am aktuellen Beispiel

sieht – Stichwort: „Noch vor Pfingsten schnell einen Termin machen“ – –

(Abg. Nicole Razavi CDU: Da sind Sie selbst schuld! Das ist Ihre Baustelle!)

Nein, da sind wir nicht selbst schuld.

(Abg. Nicole Razavi CDU: Natürlich!)

Das Verfahren hat sich nicht wegen der Regierung in die Län ge gezogen. Das muss man einmal ganz klar sagen. Grund war, dass viele Beteiligte mitgemischt haben, vor allem sol che, die vielleicht auch schon früher einen positiven Beitrag dazu hätten leisten können, dass es klappt.

(Abg. Nicole Razavi CDU: Sie sind doch Herr des Verfahrens! – Abg. Thaddäus Kunzmann CDU: Seit wann haben Sie gewusst, dass Pfingsten ist?)

Für die Fraktion GRÜ NE erteile ich Herrn Abg. Schwarz das Wort.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE löst beim Versuch, das Saalmikrofon höherzustellen, das Mikrofon vom Mikrofonständer. – Heiterkeit)

Sie können Ihr Glück am nächsten Mikrofon versuchen. Wir haben noch mehr Saalmikrofone.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE begibt sich zu ei nem Saalmikrofon im Bereich der Fraktion der CDU. – Zurufe und Heiterkeit)

Das ist für mich gar kein Problem. Ich rede auch aus den Reihen der CDU-Fraktion zum Herrn Minister.

(Zurufe)

Es ist das Thema „Filderdialog und Gäubahnführung“ ange sprochen worden. Uns würde interessieren: Wie sieht es beim Thema Notfallkonzept aus? Wir haben aus Unterlagen der DB Netz erfahren, dass die alte Gäubahntrasse über Stuttgart-West weiterhin für ein Notfallkonzept zur Verfügung gestellt wer den soll. Unseres Erachtens ist es auch sinnvoll, das vorzuse hen. Können Sie dazu etwas sagen?

Uns beschäftigt in diesem Zusammenhang auch immer wie der die Frage des Schienengüterverkehrs. Die Fragen von Herrn Kollegen Haußmann und Frau Kollegin Razavi haben sich allein auf den Personenverkehr bezogen. Uns interessiert aber auch, wie man den Schienengüterverkehr von Süden her abbilden kann.

Im Zusammenhang mit der Gäubahn kommt bei uns immer wieder gerüchteweise an, dass die DB Fernverkehr gedenke, Fernverkehrszüge auf der Gäubahn auszudünnen. Momentan wird hier mit alten Schweizer Wagen gefahren.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Die sind nicht schlecht! – Zuruf von der CDU: Keine Schwei zerfeindlichkeit!)

Können Sie etwas dazu sagen, wie die Situation hier aussieht?

Die Schweizer Bahnen helfen den deutschen Bahnen aus. Das muss man ganz klar sagen. Die DB hat große Mühe, diese Strecke überhaupt zu bedienen, weil zum einen ihre Nei tec-Züge nicht immer verfügbar waren und weil sie zum an deren diese Strecke als nicht sehr rentabel ansieht, weshalb die Bürgermeister und Landräte in den Regionen auch immer wieder für diese Strecke kämpfen müssen, damit die DB dort überhaupt einen bestimmten Standard erfüllt.

Ich glaube, an diesem Punkt wird deutlich, dass die Debatte, dass man prinzipiell mit einem Direktzug von Zürich zum Flughafen Stuttgart fahren könnte, eine abstrakte Debatte ist. Denn wenn man das zwar prinzipiell kann, aber kein Zug fährt, weil es sich nicht rechnet, hat man nichts gewonnen.

(Zuruf des Abg. Thaddäus Kunzmann CDU)

Der Punkt ist, dass wir bisher keinen gesicherten Stundentakt haben und es auch nicht sicher ist, dass nur Fernzüge den Flughafen anfahren. Insofern kommt es entscheidend darauf an: Was bestellt das Land? Was bieten wir an? Da könnten wir sehr wohl mit Regionalzügen und S-Bahn-Zügen über unse re Bestellung für eine gute Versorgung des Flughafens, für ei ne optimale Anbindung des Flughafens sorgen. Ich bitte Sie, das zu berücksichtigen. Wenn man über die Anschlüsse spricht, dann muss man über die reale Bedienqualität sprechen, nicht über die abstrakte Möglichkeit, dass man da fahren kann.