Protokoll der Sitzung vom 23.05.2012

Deswegen, Herr Minister, möchte ich Sie ermutigen, hier ei nen Schritt weiterzugehen und durchaus den Mut zu haben, sich nicht nur hinter datenschutzrechtlichen Bedenken, die vorhanden sind, zu verschanzen, sondern nach Lösungen zu suchen.

Das Landeskriminalamt – dies habe ich Ihrer Stellungnahme entnommen – befürwortet dieses Instrumentarium. Wir arbei ten heute noch mit Fahndungsplakaten wie schon im Wilden Westen. Damit hat man Billy the Kid gesucht. Auch heute noch gibt es diese Plakate, die in Behörden und anderswo aus gehängt werden. Ich glaube, wir müssen etwas mehr mit der Zeit gehen, und im Kampf gegen die Kriminalität muss jedes legale Mittel erlaubt sein.

Meine Damen und Herren, die Niedersachsen hatten in der Tat ein Problem mit dem Datenschutz. Das darf man nicht auf die leichte Schulter nehmen. Ein Problem bei Facebook ist die unbefristete Speicherung und vor allem der Server in den USA, der keinen Zugriff von Deutschland aus möglich macht und sich damit unserem Datenschutzrecht entzieht.

Die Niedersachsen haben einen Weg gefunden, den sie jetzt ausprobiert haben und der wohl erfolgreich ist, indem sie bei Facebook nur einen Link auf ihre eigene Seite haben und das dort nach deutschem Datenschutzrecht rechtssicher gestalten können.

Ich möchte das ausdrücklich begrüßen und Sie, Herr Minis ter, auffordern: Nehmen Sie in Abstimmung mit den anderen Bundesländern und auf Bundesebene – nächste Woche ist In nenministerkonferenz – dieses Thema auf. Beim Thema Fahn dungsmöglichkeiten geht es nicht um massenhafte Fahndun gen, sondern etwa um Kindesentführungen – die Beispiele ha be ich vorhin genannt – oder andere Fälle schwerster Krimi nalität. Nutzen wir diese Möglichkeiten. Ich glaube, das Land Baden-Württemberg sollte den Mut haben, in einen Modell versuch einzusteigen. Die Niedersachsen haben es uns vorge macht. Da waren sie uns jetzt einmal eine Nasenlänge voraus; früher waren wir immer vorn. Ich möchte Sie, Herr Minister, ermuntern: Gehen Sie voran, seien Sie mutig. Nicht nur Be denken erheben, sondern auch Lösungen suchen; dann sind wir dort auf einem guten Weg.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Sehr gut. Eine Punktlan dung.

Das Wort für die Fraktion GRÜNE erteile ich Frau Abg. Häff ner.

Sehr geehrte Frau Landtags präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrtes Publikum! Herr Blenke, wenn ich richtig informiert bin, hat Niedersachsen die Fahndung per Facebook eingestellt. Ich denke, der Innenminister kann das, was ich gerade gesagt ha be, nachher noch kurz bestätigen bzw. widerlegen. Ich meine, dass es eingestellt worden ist, weil es sehr kritisch war, über Facebook zu fahnden.

Die Nutzung des Internets nimmt stetig zu. Das erleben wir alle in unserem eigenen Alltag. Erleichtern die sozialen Netz werke die Kommunikation in der Bevölkerung? Sollte sich auch die Polizei dieses Mediums annehmen?

Zunächst zur Vorgeschichte: Das Polizeipräsidium Stuttgart hat während des Einsatzes am 30. September 2010 im Um gang mit den neuen Medien wie Twitter und Facebook keine Erfahrung gehabt und wurde von diesen Medien, insbesonde re durch die Geschwindigkeit der Nachrichten, enorm über fordert. Die S-21-Gegner konnten sich innerhalb kürzester Zeit im Netz verabreden und austauschen. Ferner konnten Meldungen – ob diese nun der Wahrheit entsprachen oder auch nicht – im Netz verbreitet werden. Dies führt generell zu ei ner Meinungsbildung.

Im besagten September verfügte die Polizei lediglich über die klassischen Medienwege – mein Kollege von der SPD ist be reits darauf eingegangen – wie Pressemitteilungen und Inter views; diese wurden lediglich über Zeitungen, Fernsehen und Radio vermittelt. Die Polizei wurde von der Schnelligkeit des Informationsaustauschs über das Internet regelrecht überrannt.

Unter Polizeipräsident Züfle wurden im Rahmen der Einsatz vorbereitungen für die Räumung des Schlossgartens und den Abriss des Südflügels neue Wege beschritten. Ein neuer Teil der Vorbereitungen für die Einsatzmaßnahmen war die Be schäftigung mit den sozialen Netzwerken Facebook und Twit ter. So wurde bei der Stabsstelle Öffentlichkeit eine Gruppe „Social Media“ eingerichtet. Dies ist auch ein Ergebnis aus den polizeiinternen Nachbereitungen zum Polizeieinsatz vom 30. September 2010 – ein bisher einmaliges Pilotprojekt des Polizeipräsidiums Stuttgart.

Über diesen Weg konnte die Polizei während ihrer Vorplanun gen, aber auch in der Zeit des laufenden Einsatzes für Trans parenz in der Öffentlichkeit sorgen. Die Bevölkerung konnte sich informieren, Fehlmeldungen wurden zeitnah kommen tiert, Zeitplanungen wurden einer breiten Masse von Internet nutzern zeitgleich mitgeteilt. Diese Art der Pressearbeit zeigt, dass die Polizei auf diese Weise deeskalierend auf Demonst ranten und Projektgegner einwirken kann.

Die Zahlen, die das Innenministerium in der Stellungnahme zu dem Antrag geliefert hat, belegen, wie viele Personen sich über das Internet informieren und welches Interesse hierfür bei der Bevölkerung besteht. So suchten in der Woche der Räumung des Schlossparks und der Fällung dortiger Bäume stündlich 320 Menschen die Seite des Präsidiums auf.

Nach Abschluss der Einsatzmaßnahme zu Stuttgart 21 wird in Facebook das landesweite Pilotprojekt des Polizeipräsidi ums Stuttgart weitergeführt, insbesondere mit den Schwer punkten Prävention und Nachwuchsgewinnung. Die Presse mitteilungen werden ebenso auf dem Plateau gespiegelt, also in Facebook veröffentlicht.

Das alles hört sich wie ein Segen an. Doch der Fluch der Sa che ist nicht fern. Die Inhalte der Facebook-Seite liegen auf einem polizeieigenen Server, und dies aus datenschutzrecht lich guten Gründen. Das Innenministerium hat in seiner Stel lungnahme ebenfalls Argumente hierzu geliefert.

Einmal im Netz, immer im Netz. So stellen wir Grünen uns klar gegen eine Fahndung in Facebook. Die Persönlichkeits rechte würden hierbei mit Füßen getreten. Wie ein Blutschwamm im Gesicht bleibt das an jeder Person, nach der dort gefahn det wird, hängen – egal, ob sie später bewiesen schuldig ist oder nicht. Denn zum Zeitpunkt der Fahndung ist eine Schul digkeit noch keineswegs belegt, eine virtuelle Verfolgung je doch bereits im Gang.

Ich möchte darauf eingehen – mein Kollege hat vorhin ein Beispiel hierzu gebracht –, wie positiv in Facebook über Ver haltensmaßnahmen, die man sich selbst auferlegt, diskutiert werden kann. Aber genauso wird hier bei einer Fahndung dis kutiert bzw. werden Mitteilungen gegeben. Jede Mitteilung, die bei der Polizei eingeht, kann sich auch als Spur entwi ckeln. Das heißt, dieser Mitteilung muss nachgegangen wer den. Nehmen wir einmal an, es sind etwa 400 Eingänge, die dann täglich von der Polizei bearbeitet werden. Noch Mona te und Jahre später ist jederzeit eine Reise in die Vergangen heit eines hiervon betroffenen Menschen möglich.

Facebook und Twitter sind durchaus taugliche Mittel in Be zug auf die Öffentlichkeitsarbeit, hierbei insbesondere mit den Schwerpunkten Prävention und Nachwuchsgewinnung. Bei der Nachwuchsgewinnung ist es aber für die Polizei zurzeit schwierig, für die Werbung tatsächlich polizeieigenes Perso nal zu bekommen, Leute, die bereit sind, sich für die Werbung in Facebook ablichten zu lassen, da die Leute befürchten, spä ter wiedererkannt zu werden, und dadurch auch ihrer Karrie re, z. B. als verdeckter Ermittler, selbst im Wege stehen.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Von Parkschützern wie dererkannt zu werden!)

Fragen, die noch zu beantworten sind, lauten: Auf welcher Ebene der Präsidien soll dieses Medium angesiedelt sein? Wie viel Personal benötigt diese Einrichtung? Im Polizeipräsidi um Stuttgart waren es drei Personen. Nehmen wir einmal die zwölf Präsidien. Dann binden wir schon 36 Personen. Welche finanziellen Mittel brauchen wir dazu?

Dem Ganzen steht der Landesdatenschutzbeauftragte skep tisch gegenüber. Wir, die Politik, sind gefordert, Antworten zu geben, und dies in Verantwortung gegenüber der ganzen Bevölkerung.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Für die Fraktion der FDP/ DVP erteile ich Herrn Abg. Dr. Goll das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Ich glaube, dass wir uns bei diesem Punkt über vieles einig sind: dass die Polizei mit Methoden arbeiten sollte, die zeitgemäß sind; dass man die Möglichkei ten ausnutzen sollte, in bestimmte Kommunikationskreise hi neinzukommen, gerade um auch an die Jugend heranzukom men. Ich glaube, wir sind uns einig, dass das bei Stuttgart 21 in segensreicher Weise gelungen ist.

Trotzdem würde ich auch gern, wie die Kollegin Häffner es gerade eben im Ansatz getan hat, ein bisschen Wasser in den Wein schütten. Ich sage aber vorher: Ich bin schon dafür, dass die Polizei dieses Mittel einsetzt.

Nun ist aber zu Recht der Datenschutzbeauftragte, der heute hier ist, genannt worden. Da darf man schon einmal daran er innern, dass die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder noch im November des letzten Jahres die öffentlichen Stellen einstimmig davor gewarnt haben, solche Plattformen zu nutzen. Warum? Weil die dort eingestellten Daten keines wegs sicher sind. Dies gilt übrigens nicht nur für die Daten derer, nach denen gefahndet werden soll, sondern auch für die Daten von jedem, der sich an dem Spiel beteiligt.

Sosehr ich Sie hinsichtlich des Einsatzes moderner Methoden bei der Polizei unterstütze, muss ich mich bei diesem Thema doch ein bisschen am Kopf kratzen: Wir warnen unsere Kin der davor, von solchen sozialen Netzwerken allzu viel Ge brauch zu machen, indem wir ihnen sagen: „Vorsicht, eure Da ten sind nicht sicher geschützt, und was ihr da hineinschreibt und womit ihr präsent seid, ist vielleicht jahrzehntelang ohne jeden Schutz irgendwo im All.“ Diese Bedenken können wir jetzt nicht zugunsten einer gewissen Euphorie, dass die Poli zei da ein neues Mittel hat, einfach beiseitelassen.

Ich möchte Ihnen schon im Klartext noch einmal die Sicht weise des Datenschutzbeauftragten näherbringen, der eine Stadt kritisiert hat, die eine eigene Fanpage bei Facebook er öffnet hatte. Herr Klingbeil schreibt:

weil die flott sein wollten –

aber gedankenlos...

Und er schreibt weiter:

... so sollten sich gerade öffentliche Stellen ihrer Vorbild funktion bewusst sein und darauf achten, dass sie nur sol che sozialen Netzwerke in ihre Internetauftritte einbinden bzw. dass sie selbst nur solche Netzwerke zur Kommuni kation und Außendarstellung nutzen, die die geltenden Standards nach europäischem und deutschem Daten schutzrecht einhalten.

Jetzt kommt der entscheidende Satz:

Es kann nicht sein, dass die Bürgerinnen und Bürger, die sich auf den Seiten öffentlicher Stellen informieren wol len, mit ihren Daten dafür bezahlen.

Also mit den Daten, die sie bei mangelhaftem Schutz darin eingeben.

Darauf kommt es an. Es wäre kurios, wenn wir selbst mithil fe der öffentlichen Stellen solche Netzwerke, bei denen wir gleichzeitig zu Recht den mangelnden Datenschutz beklagen, attraktiver machen würden.

Was kommt am Ende heraus? Ich darf auf den Anfang zurück kommen. Ich bin dafür, dass Gebrauch davon gemacht wird, auch wenn es aufwendig ist. Man muss eine solche Seite im mer attraktiv halten. Das macht natürlich Arbeit.

Ich sehe den Einsatz eher punktuell bei größeren Bedrohun gen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung – Beispiel Stutt gart 21 –, also in den Fällen, in denen eine Abwägung, die man vornehmen muss, ergibt, dass es trotz Risiken und Ne benwirkungen besser ist, das Mittel zu nutzen, als es bleiben zu lassen. Vielleicht kann man auch in Bezug auf Warnungen vor bestimmen Delikten, die gerade aktuell sind, bei denen die Jugendlichen in Fallen tappen, in der Abwägung sagen: Es ist besser, auf diesem Weg zu informieren, auch wenn wir uns der Einwände gegen diese Kommunikationsformen in da tenschutzrechtlicher Hinsicht bewusst bleiben sollten.

Das wäre meine Ergänzung zu den positiven Ausführungen meiner Vorrednerin und der Vorredner.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Gall das Wort.

Werte Frau Präsidentin, ge schätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag trägt die Über schrift „Polizeipräsenz im Internet“. Da kann man schon ein mal in Erinnerung rufen, dass die Polizei in den zurückliegen den Jahren stets im Internet präsent gewesen ist. Sie war auf der Höhe der Zeit und ist das auch heute noch. Die Polizei bei uns in Baden-Württemberg ist seit mittlerweile 15 Jahren im Internet präsent. Denken Sie an die Plattform „Polizei BadenWürttemberg“. Heute würde man im Web sagen: „Version 1.0“. Präsentiert werden dort neben vielen Informationen über die Polizei selbst spezielle Angebote, insbesondere was die Themen Jugend und Verkehr anbelangt. Präsentiert werden auch präventive Maßnahmen und Themen, die mit der Fahn dung zusammenhängen.

Von besonderer Bedeutung dieser Internetpräsenz war in den zurückliegenden Jahren auch immer – ich finde, sogar sehr er folgreich – das Thema „Nachwuchsgewinnung für unsere Po lizei“. Wir sehen an der Zahl der Zugriffe auf diese Internet plattform, dass sie sehr gefragt ist. Bis zu 17 000 Zugriffe täg lich sprechen schon dafür, dass diese Plattform als Informati onsmedium auch als attraktiv und interessant empfunden wird.

Kommunikationsangebote für die Bürgerinnen und Bürger waren auch schon immer Bestandteil dieses Angebots.

Nicht vergessen möchte ich in diesem Zusammenhang auch die Internetwache, die es seit vielen Jahren gibt und die beim Landeskriminalamt angesiedelt ist. Dort können Anzeigen er stattet und Mitteilungen abgerufen werden. Dort kann Kon takt zum Thema Verkehr, zum Thema Kriminalitätsbekämp fung aufgenommen werden. Immerhin über 6 000 Menschen