Meine Damen und Herren aus den Regierungsfraktionen, Ih re Kollegen in Berlin entziehen sich der Diskussion. Sie ver hindern die Debatte im dafür zuständigen Bundestag. Sagen Sie uns einmal, was Sie Ihren Kollegen in Berlin mit auf den Weg gegeben haben.
Sagen Sie uns einmal, was Sie vor diesem Hintergrund jetzt mit dieser Debatte im Stuttgarter Landtag bewirken wollen.
Sagen Sie uns doch einmal, was für ein familienpolitisches Bild Sie haben. Dazu nehmen Sie keine Stellung, weder hier noch in Berlin.
Wollen Sie die Familien, die ihre Kleinkinder selbst betreu en, weiterhin stiefmütterlich behandeln? Warum wollen Sie diesen jungen Familien diese Unterstützung vorenthalten?
Haben Sie sich angeschaut, wie die Betreuung in den Famili en überhaupt geleistet wird? Ich sage Ihnen klipp und klar: Es gibt keine Standardfamilie, und deshalb kann es auch keine Standardbetreuung geben.
Es ist auch nicht Aufgabe des Staates, Frau SchneidewindHartnagel, ein einziges Betreuungsmodell und ein einziges Erziehungsmodell einseitig zu favorisieren. Die Familien ent scheiden selbst, wie sie ihre Kinder betreuen wollen. Kein Staat kann ihnen vorschreiben und schreibt ihnen vor, ob und wann sie ihre Kinder in die Krippe zu geben haben.
Die Union hat ganz klare Vorstellungen von Familienpolitik. Wir wollen die Wahlfreiheit, und dazu brauchen wir ein Ne beneinander von verschiedenen Maßnahmen. Dazu gehören ein Ausbau der Kinderkrippen, eine Unterstützung von Fami lien, die diesen Krippenplatz nicht in Anspruch nehmen, Bil dungsangebote für junge Familien und nicht, wie es angedacht ist, Kürzungen beim Programm STÄRKE. Dazu gehören auch nicht Kürzungen beim Landeserziehungsgeld.
Wir sollten dabei auch nicht vergessen, dass zwei Drittel der Familien ihre Kleinkinder – es geht um Kleinkinder, um Ba bys, um Kinder unter drei Jahren – selbst betreuen. Hören Sie doch bitte auf, uns als altmodisch oder unmodern zu bezeich nen.
Sie diffamieren damit nicht die CDU, sondern Sie diffamie ren damit die Familien, die diesen Lebensweg gewählt haben.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Ich bin jetzt schon etwas überrascht über die Aussagen, die von Kollegin Brunnemer in dieser Vehemenz – mit der For derung nach dem Betreuungsgeld – geäußert wurden. Ich ha be im vergangenen Jahr auch von Ihrer Partei andere Äuße rungen gehört, mit denen erstmals auch eine Distanz zum Be treuungsgeld aufgebaut wurde. Doch erst vor Kurzem hat sich Herr Hauk dazu geäußert, das Betreuungsgeld zu unterstüt zen. Aber das geht doch an der Realität in Baden-Württem berg völlig vorbei. Ein Betreuungsgeld einzuführen, das auf der einen Seite Geldleistungen anbietet, ohne dabei auf der anderen Seite eine echte Wahlfreiheit anzubieten, während das Angebot an Kinderkrippenplätzen derzeit bei 20 % liegt und das Ausbauziel von 34 % noch weit entfernt ist, das kann doch wirklich nicht Ihr Ernst sein.
Wenn man hierbei noch berücksichtigt, dass der reale Bedarf in vielen Städten nicht bei 34 %, sondern bei 50 bis 60 % liegt, dann wird noch eine ganz andere Situation deutlich. Bei der 2008 eingeführten Regelung eines Rechtsanspruchs auf einen Betreuungsplatz war ein Punkt, dass beispielsweise die Tages elternvereine zu einem Anteil von etwa 30 % diese Betreu ungsleistung mit übernehmen. Dieser Anteil kann aber von den Tageselternvereinen überhaupt nicht geleistet werden. Die Zahlen in den vergangenen Jahren zeigen eine Konstante von ausgebildeten Tagespflegern, die diese Betreuung auch in den kommenden Jahren nicht werden übernehmen können. So ha ben die Kommunen einen viel größeren Auftrag und Aufwand, letztendlich diese Betreuungsplätze zur Verfügung zu stellen.
Diese Situation ist nicht neu. Ich bin selbst seit drei Jahren El ternbeirätin im Kindergarten meiner Kinder. Ich bin nicht die erste Elternbeirätin im Kindergarten, die fordert, dass man bei spielsweise die Ganztagsangebote ausbaut, dass man flexib lere Öffnungszeiten anbietet oder dass die Betreuung der un ter Dreijährigen endlich eingeführt wird. Das sind Punkte, die Eltern in Baden-Württemberg seit Jahren fordern, bei denen unter der vorherigen Landesregierung keinerlei finanzielle oder politische Unterstützung geleistet wurde.
Lassen Sie mich in die Historie zurückgehen. 2010 hat Ihr da maliger Finanzminister Stächele in einer Aktuellen Debatte sogar den Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz infrage gestellt. Das kann doch damals nicht Ihr Ernst gewesen sein. Auch das, was ich heute zur Stärkung des Betreuungsgelds gehört habe, macht mich wirklich fassungslos. Wenn Sie un terstellen, dass damit eine echte Wahlfreiheit gegeben wird, dann müssen Sie auch beim Bund dafür sorgen, dass die Mit tel für die Investitionen bei den Kommunen tatsächlich aus reichen, um am Ende diese Krippenplätze zur Verfügung zu stellen. Dieses Engagement vermisse ich.
Wenn Ausgaben von 1,1 Milliarden € im zweiten Jahr des An laufs des Betreuungsgelds keine finanziellen Auswirkungen
beim Bund haben, dann habe ich noch viel größere Wünsche, um die Bildungsgerechtigkeit in Baden-Württemberg und in Deutschland zu stärken. Wenn 1,1 Milliarden € keine Rolle spielen, dann haben wir noch ganz andere Punkte. Aber wir haben ja vorhin bei der EnBW-Debatte schon gesehen, dass die Sichtweise der Realität hinsichtlich der Finanzen etwas auseinandergeht.
Ich möchte noch einen Punkt anführen. Die Kritik am Betreu ungsgeld ist keine einseitige Kritik, die aus den Oppositions parteien im Bund kommt. Die Kritik am Betreuungsgeld wird aktuell im Bildungsbericht geäußert, sie wird von der OECD geäußert.
Das habe ich genau gelesen. Aber wenn in einem Punkt aus dem OECD-Bericht herauskommt, dass die Frauen durch ein Betreuungsgeld gehindert werden, ins Erwerbsleben zurück zukehren,
dann müssen wir doch wirtschaftspolitisch auch in BadenWürttemberg feststellen: Wir verstärken dadurch vielleicht den Fachkräftemangel und nicht unser Engagement dafür, Frauen wieder in den Beruf zurückkehren zu lassen.
Sie sagen, man habe Vergleichsquoten aus den Ländern ge nommen, die das Betreuungsgeld für über Dreijährige anbie ten.
Aber das wird dieselben Auswirkungen haben wie bei den un ter Dreijährigen. Das Elterngeld endet nach einem Jahr, und dann haben die Frauen eigentlich die Anforderung, wieder in den Beruf zurückzukehren. Aber wenn sie dann Betreuungs geld bekommen, überlegen sie es sich und werden eben nicht in allen Fällen in den Beruf zurückgehen.
Zum Abschluss möchte ich noch sagen: Wer einen Rechtsan spruch auf Betreuungsplätze ausgibt – das tut der Bund seit 2008 –, der muss dann auch dafür Sorge tragen, dass die nö tigen Investitionen getätigt werden können. Wenn die Mittel im Investitionsprogramm des Bundes nicht gestärkt werden, werden wir in Baden-Württemberg dieses Ziel im nächsten Jahr nicht erreichen,
und die Kommunen werden mit einigen Klagen zu rechnen haben. Diese Klagen können sie dann gern an die CDU wei terleiten, die in diesem Bereich nicht ausreichend engagiert war. Wir und die grün-rote Landesregierung haben im vergan genen Jahr mit dem Pakt mit den Kommunen unseren Anteil geleistet. Jetzt sind Sie an der Reihe.
(Abg. Claus Schmiedel SPD: Jetzt aber mal ehrlich! Raus mit der Sprache! – Gegenruf des Abg. Dr. Hans- Ulrich Rülke FDP/DVP: So ehrlich wie Sie immer!)
Wie immer. – Herr Präsi dent, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht sollten wir bei diesem Thema weniger die Emotionalität als vielmehr die jenigen in den Mittelpunkt stellen, um die es tatsächlich geht: Das sind die Jüngsten in unserer Gesellschaft.
Ich möchte zunächst der SPD für die erneute Gelegenheit dan ken, die Position der FDP/DVP zum Betreuungsgeld darzule gen. Da die letzte Aktuelle Debatte, die die SPD zu diesem Thema beantragt hat – es wurde gerade erwähnt –, erst zwei Monate zurückliegt, will ich mich im Wesentlichen darauf be schränken, das zu wiederholen, was Kollege Jochen Hauß mann damals als Position der FDP/DVP vorgetragen hat. Denn Wesentliches hat sich an unserer Position nicht geän dert.
Das Betreuungsgeld ist zumindest in der geplanten Form im wahrsten Sinn des Wortes kein liberales „Kern“-Anliegen. Wir würden in dieser Frage sicherlich anders entscheiden, wenn wir im Bund allein regieren würden.