Sehr geehrte Frau Prä sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich ist das Wetter heute besser geeignet, um in den Neckar zu springen, als über die Neckarschleusen zu sprechen. Aber ich darf der Regierungskoalition für den Antrag danken.
Die erste Resolution, die mich erreicht hat, nachdem ich in den Landtag gewählt wurde, war die Resolution des Stuttgar ter Gemeinderats im April 2011, in der man die Abgeordne ten des 15. Landtags eindringlich gebeten hat, sich mit dem Thema Neckarschleusenausbau zu beschäftigen.
Ich habe einmal nachgeschaut. Im Jahre 2001 gab es eine Kleine Anfrage der FDP/DVP, die sich auch mit der Bundes wasserstraße Neckar beschäftigt hatte. Die schwarz-gelbe Landesregierung hatte schon damals Geld in die Hand genom men, um den Güterumschlag im Hafen Stuttgart zu verbes sern, und hat seinerzeit die Containerumschlagsanlage mitfi nanziert. Die Inbetriebnahme dieser Anlage war das entschei dende Kriterium, um den Linienverkehr nach Rotterdam und Amsterdam einzurichten. Man hat also schon damals Geld in die Hand genommen.
Wir haben das im Juli 2011 gleich zum Anlass genommen, ei nen Antrag zum Ausbau der Neckarschleusen zu stellen, den wir auch im Verkehrsausschuss besprochen haben. Wir haben seinerzeit einen einstimmigen Beschluss zum Ausbau der Ne ckarschleusen gefasst. Alle Fraktionen haben dem damals zu gestimmt.
Es gab hierzu einige Wochen später einen Antrag der Frakti on der CDU. Jetzt liegt uns ein Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion GRÜNE zum gleichen Thema vor. Ich neh me es vorweg: Dem Beschlussteil können wir zustimmen, weil er auf dem aufsetzt, was wir im Beschlussteil des Antrags vom Juli 2011 beantragt hatten.
Die Landesregierung hat in ihrer Stellungnahme zu unserem Antrag geschrieben, dass man alternative Bewertungsmaßstä be unterstützt, die vom Bundesverkehrsministerium gesetzt werden. Es geht also nicht nur um die Gütertonnage, sondern auch um die Bedeutung der Wasserstraße und um die wirt schaftliche Vernetzung, die Vernetzung der Wirtschaftsräume. Gerade für den mittleren Neckarraum halten wir dies für sehr wichtig; denn entscheidend ist nicht nur die Tonnage, sondern auch die Vernetzung in der Fläche, als Wirtschaftsraum. Kol lege Binder hat dies soeben noch einmal dargestellt.
Wir haben über ein Gutachten nun auch die Information be kommen, dass der Neckar bis Plochingen in der höchsten Ka tegorie zu sehen ist und dass er Bestandteil des transeuropäi schen Verkehrsnetzes ist.
Verkehrsminister Hermann hat mitgeteilt, dass er grundsätz lich eine Priorisierung vorsieht und begrüßt. Ein entsprechen der Beschluss wurde einstimmig gefasst. Wir wären allerdings irritiert – auch Sie haben sicherlich alle das Schreiben des Ba den-Württembergischen Industrie- und Handelskammertags sowie die Schreiben der Stadt Stuttgart, des Oberbürgermeis ters von Heilbronn und des Landrats des Landkreises Esslin gen erhalten – und möchten in diesem Zusammenhang um ei ne Klarstellung, auch durch den Verkehrsminister, bitten: Wenn die Priorisierung dazu führen würde, dass man im Ne bennetz oder auch im Hauptnetz oder in der Kernzone nur noch saniert und nicht mehr ausbaut, wäre das nicht das, was hier über alle vier Fraktionen hinweg seinerzeit besprochen wurde.
Wir würden daher einfach gern den Sachstand erfahren. Der Kollege Schwehr hat gesagt, das sei insoweit unstrittig.
Hierzu hätten wir aber gern weitere Informationen vom Ver kehrsminister. Es geht nicht an, zu sagen: „Aus bestimmten planerischen oder wirtschaftlichen Gründen machen wir eine Prioritätenliste“, und diese Prioritätenliste führt dann dazu, dass man in Plochingen und Stuttgart nur noch saniert und nicht mehr ausbaut. Das wäre sicherlich nicht im Sinne unse rer Vorstellungen.
Ich habe es gesagt: Wir werden dem Beschlussteil zustimmen. Wir regen noch an – hierzu gab es auch schon eine Resoluti on der Stadt Stuttgart –, dass man, auch im Sinne der Ökolo gie, das Thema Fischtreppen mit berücksichtigt. Entsprechen
des gilt für das Thema Denkmalschutz sowie natürlich auch für das Thema Tourismus, etwa bezüglich der Passagierschif fe.
In der Zeitung konnte man lesen, dass Grüne und FDP bei die sem Thema gemeinsam Druck machen. Dies kommt ja nicht so häufig vor. Wenn das so ist, dann muss dies in Sachen Ne ckarschleusen tatsächlich Engagement freisetzen.
In diesem Sinn bitten wir den Verkehrsminister, hier noch ein mal mit Nachdruck auch auf Berlin einzuwirken.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir diskutieren jetzt innerhalb relativ kurzer Zeit schon zum zweiten Mal sehr grundsätzlich über den Ausbau der Neckarschleusen und über die Sanierung und den Ausbau des Transportwegs Neckar überhaupt. Das tun wir zu Recht; denn ich glaube, fraktionsübergreifend besteht Konsens, dass wir in den nächsten Jahren auf jeden Fall mit einem Wachs tum bei den Gütertransporten rechnen müssen. Wenn wir nicht wollen, dass alles Wachstum im Güterverkehr auf die Straße kommt, dann müssen wir die vorhandenen anderen Wege, die umweltfreundlich sind, etwa die Schiene oder die Wasserstra ße, nutzen, pflegen, modernisieren und ausbauen.
Das ist vor allem im Bereich der Binnenwasserstraßen von Bedeutung; denn hier können wir – anders als in anderen Be reichen – sagen, dass die Kapazitäten größer sind als die ak tuell zu verzeichnende Auslastung. Die Nutzung des Neckars war in den vorangegangenen Jahrzehnten deutlich höher; der relative Anteil an Transportgütern war höher. Das muss uns zu denken geben.
Wir müssen also alle Anstrengungen unternehmen, damit wir hier in Zukunft mehr erreichen und damit wir Verkehrswachs tum auch auf die Binnenschifffahrtswege bringen. Das ist das erklärte Ziel dieser Koalition; das haben wir auch so verein bart.
Wir haben außerdem festzustellen – diese Debatte haben wir im Zusammenhang mit den Straßen vielfach schon geführt –: Die Infrastrukturmaßnahmen des Bundes sind drastisch un terfinanziert, und zwar in allen Bereichen, im Wasserstraßen bereich, im Schienenbereich und im Straßenbereich. Sie sind in so erheblichem Maß unterfinanziert, dass inzwischen auch der Bund anfängt, Priorisierungen vorzunehmen.
Priorisierungen hat er bislang allerdings nicht im Bereich der Schiene oder der Straße vorgenommen, sondern er hat hier mit zunächst im Bereich der Wasserstraßen begonnen, und zwar in einer Form, die die Länder und die auch uns in Ba den-Württemberg provoziert hat. Denn es war der Bund, der vor etwa einem Jahr einen Vorschlag vorgelegt hat, wonach die Wasserstraße Neckar so abgestuft worden wäre, dass der Ausbauplan, wie er 2007 zwischen der damaligen Landesre gierung und der Bundesregierung vereinbart worden war, komplett infrage gestellt worden wäre.
Jetzt muss ich ein Wort an die Opposition richten. Gute Op position zeichnet sich schon auch dadurch aus, dass man auf den Richtigen schießt.
Heute haben Sie wieder gesagt: „Das ist unser gemeinsames Projekt. Wir wollen kein Schwarzer-Peter-Spiel betreiben.“ Da muss ich sagen: Das ist leicht gesagt, wenn man selbst ge rade den Schwarzen Peter hat – klick, klick, klick: Peter Ram sauer. Er hat nämlich den Vorschlag der Priorisierung ge macht. Er hat den Vorschlag gemacht, dass man drastisch ab baut und die Schleusen nicht ausbaut, dass man den einstigen Vertrag aufgibt. Und was tun Sie? Sie schießen ständig gegen den Landesverkehrsminister, obwohl Ihre Parteien in Berlin an der Regierung sind und dort sozusagen genau an dem ge dreht wird, was Sie einst anders vereinbart hatten.
Bei der letzten Debatte hatte ich direkt vor meinem Wortbei trag mit Herrn Ramsauer telefoniert. Er hat mir damals die Zusage gegeben: „Wir verlängern die Schleusen bis Heil bronn, und wir sanieren intensiv weiter. Dann sehen wir wei ter.“ Damals hat er noch nicht klar gesagt, was der Bund vor hat.
In der Zwischenzeit habe ich als Minister mehrfach an den Bundesverkehrsminister geschrieben, eben auch in Ihrem Auf trag, im Auftrag des Parlaments. Es gab dazu ja mehrere Äu ßerungen und Beschlüsse. Ich habe außerdem darauf hinge wiesen, dass wir zwar Verständnis für eine Priorisierung ha ben, dass das aber nicht bedeuten kann, dass man das zulas ten einer Gesamtsanierungs- und -ausbaupolitik am Neckar macht.
Ich habe immer gesagt: Ich halte es nicht für klug, am oberen Neckar lange Schleusen zu bauen, während man sie im unte ren Bereich noch nicht hat. Man soll von unten nach oben bau en und die Sanierungspolitik mit einer Ausbaupolitik verbin den.
Allerdings habe ich auch immer gesagt, dass ich angesichts knapper Mittel völlig einsehe, wenn nicht beide Schleusen kammern verlängert werden, sondern wenn jeweils eine sa niert und verlängert wird, und das auf der ganzen Strecke. Später kann man dies dann bei der zweiten Schleusenkammer nachholen. Gegebenenfalls könnte es dann auch sein, dass in den hochfrequentierten Teilen beide Schleusenkammern sa niert werden und in den anderen Teilen eine Schleusenkam mer saniert wird. Man sollte aber zumindest durchgehend die Chance haben, mit langen Schiffen durchzukommen. Das war übrigens auch der klare Konsens in der Koalition; das haben heute auch alle Rednerinnen und Redner bestätigt. Wir haben uns die ganze Zeit in diesem Sinn beim Bund eingesetzt.
Jedoch habe ich bis heute vom Bundesverkehrsminister trotz mehrerer Anfragen und Briefe dazu keine konkrete Antwort bekommen. Allerdings – das ist gerade zitiert worden – hat der Bundesverkehrsminister gestern im Verkehrsausschuss des Bundestags seine neue Konzeption vorgestellt – ohne dass wir informiert worden wären. Wir haben schriftlich noch nichts
darüber. Auf Umwegen haben wir das jetzt eingeholt. Ich bin schon erstaunt, was in diesem Plan steht, und ich bin auch er staunt, wie Sie, Herr Abg. Schwehr, das deuten.
Dort steht nämlich, dass es künftig ein Netz A und ein Netz B gibt. Das Netz A umfasst Schifffahrtswege mit einem Güter verkehr von über 5 Millionen t pro Jahr und das Netz B Schiff fahrtswege mit einem Güterverkehr von unter 5 Millionen t pro Jahr. Und es steht drin: Nur wenn man im Netz A ist, hat man Anspruch auf einen Ausbau im Sinne der Verlängerung, und bei Netz B gibt es Erhaltungssanierung.
Ausbauinvestitionen, die die Wasserstraßenrelation durchgehend größeren Schiffseinheiten öffnen, werden künftig lediglich in der höchsten Kategorie (A) vorgenom men werden.
Bei Ersatzinvestitionen in der Kategorie B werden aller dings die Ausbauparameter der Kategorie A beachtet.
Der Erhalt des Wasserstraßennetzes hat höchste Priori tät. Ausbaumaßnahmen werden auf die Wasserstraßen der Kategorie A beschränkt.
Ich werde auch sofort nachfragen, ob Ihre Interpretation stimmt. Aber ich muss Ihnen sagen: Das riecht doch sehr da nach, dass nur bis Heilbronn ausgebaut wird und dass danach allenfalls saniert wird. Dagegen werden wir uns wehren.