Protokoll der Sitzung vom 18.07.2012

(Zuruf der Abg. Muhterem Aras GRÜNE)

Wenn man das getan hätte, dann könnte der Ministerpräsident hier keine Offenbarungseide leisten, sondern müsste deutlich machen, wie er es hinbekommt, ohne neue Schulden auszu kommen.

Aber das fordert sich in der Opposition leicht. Sie haben wahr scheinlich nicht damit gerechnet, jemals in die Regierungs verantwortung zu kommen, und als Sie dann in die Regie rungsverantwortung kamen, wollten Sie natürlich gestalten. Da haben Sie dann kräftig Geld ausgegeben. Frau Kollegin Aras, es war keine gewaltige Sparleistung, die Sie zu Haus halten ohne Neuverschuldung in den Jahren 2011 und 2012 geführt hat. Der Rechnungshof hat es Ihnen vorgerechnet. Sie haben von Haushaltsresten profitiert, und Sie haben davon profitiert, dass die Steuermehreinnahmen nun wirklich in bei spielloser Weise gesprudelt sind.

(Zuruf: Genau!)

Deshalb konnten Sie zweimal ausgeglichene Haushalte vor legen.

Sie haben jedoch nicht nur die Haushaltsreste ausgegeben und haben auch nicht nur das ausgegeben, was Sie an Steuermehr einnahmen zur Verfügung hatten, sondern Sie haben auch neue strukturelle Belastungen für den Haushalt geschaffen, bei spielsweise durch die Abschaffung der Studiengebühren, bei spielsweise auch durch eine Stellenausweitung in den Minis terien.

Dann haben Sie plötzlich festgestellt, dass Ihnen diese Haus haltsstruktur über den Kopf wächst, weil es – wie ein russi sches Sprichwort sagt – leichter ist, auf einen Baum zu stei gen, als wieder herunterzuklettern. Wenn man bestimmte An sprüche schafft, dann ist es sehr schwer, diese Ansprüche wie der zurückzudrehen. Genau in dieser Situation sind Sie.

Wenn Sie nun tatsächlich glauben, der Bevölkerung weisma chen zu können, die ausgeglichenen Haushalte 2011 und 2012

seien das Ergebnis Ihrer eigenen Sparleistungen, und wenn 2013 und 2014 wieder 3 Milliarden € neue Schulden gemacht werden, dann sei das die Erblast der alten Landesregierung, täuschen Sie sich. Dass diese Rechnung nicht aufgeht, kann sogar jemand durchschauen, der in der Gemeinschaftsschule Mathematik gelernt hat,

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU – Abg. Beate Böhlen GRÜNE: Das ist eine Un verschämtheit!)

Deshalb ist es richtig und notwendig, was die CDU-Fraktion vorschlägt, nämlich dass man die Einhaltung der Landeshaus haltsordnung überprüfbar macht und auch ein Klagerecht schafft. Man kann der alten Landesregierung vorwerfen: Das hättet ihr schon tun können.

(Abg. Andreas Stoch SPD: Exakt!)

Das ist durchaus richtig. Diesen Fehler muss man einräumen. Aber das ist keine Begründung dafür, Herr Kollege Stoch, das jetzt nicht zu machen. Es ist reine Heuchelei, wenn man so ar gumentiert.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr richtig! – Zuruf des Abg. Andreas Stoch SPD)

Wir nehmen zur Kenntnis: Sie wollen nicht sparen, sondern Sie wollen erst dann, wenn das Grundgesetz Sie ohnehin zwingt, nämlich ab dem Jahr 2020, keine neuen Schulden ma chen. Das nehmen wir zur Kenntnis.

Wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass Sie kein Klage recht vor dem Staatsgerichtshof wünschen, wenn Zweifel oder Meinungsverschiedenheiten über die Vereinbarkeit einer Kre ditermächtigung mit § 18 Absatz 3 der Landeshaushaltsord nung bestehen. Ja, Sie wünschen im Grunde die Abschaffung der Landeshaushaltsordnung, weil sie Sie beim Schuldenma chen behindert. Das ist das Problem, das Sie haben. Deshalb wollen Sie nur dann eine Landeshaushaltsordnung, wenn die se ein zahnloser Tiger ist.

Wir halten die begehrte Änderung der Landeshaushalsordnung für gut und richtig – deshalb werden wir dem Gesetzentwurf der CDU-Fraktion selbstverständlich zustimmen –, aber wir nehmen zur Kenntnis, dass das von der CDU vorgebrachte Begehren nicht in Ihrem Interesse liegt. Sie haben die Mehr heit. Sie können den Gesetzentwurf ablehnen, und Sie wer den ihn auch ablehnen, weil Sie neue Schulden machen wol len.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Nun stellt sich die Frage: Wie geht man mit der Thematik wei ter um? Sie machen das Angebot, nun eine Schuldenbremse in der Landesverfassung zu verankern, die dem Grunde nach überflüssig ist, weil sie nur den Status quo bestätigt, der durch das Grundgesetz ohnehin schon vorgegeben ist. Denn die grundgesetzliche Schuldenbremse zwingt uns, mit Wirkung des Jahres 2020 endgültig zu schuldenfreien neuen Haushal ten zu kommen. Insofern macht es wenig Sinn, dies in der Landesverfassung noch einmal zu bestätigen.

Wir sind aber weiterhin verhandlungsbereit. Wir haben, so wie die CDU-Fraktion auch, am ersten Verhandlungstermin teil

genommen. Wenn Sie uns weiter einladen, werden wir auch an weiteren Verhandlungsterminen teilnehmen. Aber ich sa ge Ihnen in derselben Deutlichkeit wie Kollege Herrmann: Es wird keinen Sinn machen, uns vorzuschlagen, in der Landes verfassung sozusagen das noch einmal zu bestätigen, wozu uns das Grundgesetz ohnehin zwingt.

Verhandeln heißt ja, auch wenn man eine Regierung des Ge hörtwerdens bildet, die immer einmal wieder sagt: „Gehört zu werden heißt nicht, dass man auch erhört wird“, dass sich je der bewegt. Verhandeln heißt eben nicht, dass wir zur Verfü gung stehen, um das abzusegnen, was Sie vorhaben. Verhan deln heißt aber möglicherweise auch nicht – das räumen wir durchaus ein –, dass wir bei unserer Position verharren, die da heißt: Nullneuverschuldung sofort. Vielmehr muss man sich irgendwo treffen.

Der Weg, den Kollege Herrmann hier am heutigen Tag ange boten hat, ist auch für uns durchaus gangbar. Wenn Sie uns Vorschläge machen, die in diese Richtung weisen, werden wir uns möglicherweise bei einer Verfassungsänderung treffen, aber sicherlich nicht, wenn es darum geht, etwas noch einmal zu bestätigen, was den Status quo zementiert – immer neue Schulden bis zum Jahr 2020 –, und für eine Zeit, in der Ihnen das Grundgesetz neue Schulden ohnehin verbietet, eine Re gelung in der Landesverfassung zu treffen. Dafür werden wir nicht zur Verfügung stehen.

Wir werden infolgedessen dem Gesetzentwurf der CDU-Frak tion heute zustimmen. Wir nehmen zur Kenntnis, dass wir überstimmt werden, stehen für Verhandlungen weiter zur Ver fügung, sagen aber in aller Deutlichkeit: Verhandeln bedeu tet, dass sich eben nicht nur die Opposition bewegt, sondern auch die Regierung.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Für die Landesregie rung erteile ich Herrn Staatssekretär Rust das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte hat einmal mehr gezeigt, dass wir uns in den Zielen eigentlich einig sind. Wir wollen den Haushalt strukturell sanieren. Das habe ich jetzt von allen Fraktionen gehört. Wir wollen die Schuldenbremse 2020 einhalten. Auch das habe ich von allen Fraktionen ge hört.

Wir wollen auch die verdeckten Schulden aufdecken und ebenfalls in eine Gesamtbetrachtung einbeziehen – das habe ich zumindest zum Teil gehört –; denn zur Wahrheit gehört auch, dass wir nicht nur die Schulden, die im Landeshaushalt stecken, und ein strukturelles Defizit haben. Vielmehr haben wir eben auch verdeckte Schulden. Ich denke hierbei etwa an die Schulden der Tochtergesellschaften, die hundertprozenti ge Landestöchter sind, und deshalb eigentlich auch im Lan deshaushalt und nicht nur in der Bilanz z. B. der Neckarpri ausgewiesen werden könnten. Auch das müssten wir mit ein beziehen.

Mit einbeziehen sollten wir auch – das haben wir ja angekün digt – die verdeckten Schulden in Form von Sanierungsstaus, beispielsweise im Bereich der Landesstraßen oder der landes

eigenen Gebäude, bei denen wir einen immensen Sanierungs stau haben. Wenn ich an die vielen Briefe denke, die ich auch von Abgeordneten der Opposition bekomme, was den Zustand von landeseigenen Gebäuden angeht, dann bestätigt uns das in der Haltung, dass wir auch diese indirekte Verschuldung, die wir im Landeshaushalt haben, aufdecken müssen.

Wir sind uns also in den Zielen einig, wir sind uns aber offen sichtlich nicht einig über den Weg dorthin.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Erlauben Sie mir bitte eine politische Vorbemerkung, bevor ich zum eigentlichen Gesetzentwurf, der heute zu beraten ist, komme. Herr Rülke, Sie haben uns vorgeworfen, dass wir an gesichts unserer sehr restriktiven Haltung schon damals wohl nicht damit gerechnet hätten, an die Regierung zu kommen. Ich muss sagen: Wenn ich jetzt Ihre Äußerungen höre, glau be ich, dass Sie auch nicht damit rechnen, in den nächsten Jahrzehnten wieder an die Regierung zu kommen. Denn wenn man so vorgehen würde, wie Sie es vorschlagen, könnte man keinen verfassungskonformen Haushalt vorlegen.

Wenn Sie unsere Prognosen und das, was Sie jetzt mit der ver mutlich einzuplanenden Neuverschuldung für die Jahre 2013 und 2014 kritisieren, anschauen, werden Sie feststellen: Das sind schlicht Zahlen der Vergangenheit, die wir in die Zukunft projiziert haben. Jetzt können Sie gern das abziehen, was die neue Landesregierung an neuen Programmen, das heißt an zu sätzlichen Ausgaben für den Landeshaushalt, beschlossen hat. Das finde ich sogar legitim, und ich finde es sehr fair, wenn Sie sagen: „Theoretisch kann man sogar die Studiengebühren gegenrechnen.“ Das, glaube ich, haben Sie in der ersten Le sung des Gesetzentwurfs gesagt. Das halte ich für fair, und dieser politischen Diskussion kann man sich auch stellen. Aber Sie werden nie auf die Größenordnung dieses struktu rellen Defizits kommen. Das heißt, auch Sie werden – ich bin gespannt auf diese Debatte –

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Wie haben Sie den ausgeglichenen Haushalt geschafft? – Gegen ruf des Abg. Karl Zimmermann CDU: Mit weniger Einnahmen!)

das beantworte ich Ihnen gleich – in den Haushaltsberatun gen – das prophezeie ich Ihnen; Sie dürfen mir gern das Ge genteil beweisen – keine Änderungsanträge zur Deckung der Summe der Neuverschuldung vorlegen können. Das müssten Sie aber tun. Wenn Sie sagen, Sie würden einen ausgegliche nen Haushalt vorlegen, und der Regierung vorwerfen, dass sie dies nicht tut, dann müssten Sie Änderungsanträge in der Hö he der Neuverschuldung einbringen und sagen, wo Sie sparen würden und wo die Regierung angeblich zu viel ausgibt.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Das wird nicht passieren, denn ich kenne Haushaltsberatun gen. Ich lasse mich aber gern vom Gegenteil überzeugen, und Sie können uns dann gern sagen, wie Sie die über 1 Milliar de € Neuverschuldung – je nachdem, wie viel es wird – dann im Haushalt ausgleichen würden.

Aber nun noch einige Anmerkungen zum Gesetzentwurf. Aus drei Gründen halte ich den Gesetzentwurf heute nicht für um setzbar oder nicht für zustimmungsfähig.

Erstens: Wenn Sie in die Verfassung schauen und sich anse hen, welche Aufgaben der Staatsgerichtshof hat, dann finden Sie dort einen Katalog von Aufgaben. In der Verfassung selbst haben wir einen Katalog von Aufgaben, der drei Punkte um fasst. Es geht immer darum, dass der Staatsgerichtshof ein Ge setz oder eine Verordnung mit der Verfassung vergleicht. Der Staatsgerichtshof ist ausschließlich dazu da, ein Gesetz, eine Verordnung der Landesregierung – im Übrigen auch Gesetze, die der Landtag beschlossen hat – immer in Bezug auf die Ver fassung zu bewerten. Es gibt kein einziges Beispiel dafür, dass der Staatsgerichtshof einmal die Aufgabe hatte, zwei Gesetze – wie Ihren Vorschlag für die Landeshaushaltsordnung und das Haushaltsgesetz – miteinander zu vergleichen. Das gibt es nicht. Das ist nicht Aufgabe des Staatsgerichtshofs. Der Staatsgerichtshof vergleicht immer nur ein Gesetz mit der Ver fassung. Sie würden diese Regel durchbrechen. Das halten wir für nicht im Sinne der Verfassungsväter, die diese Aufgaben des Staatsgerichtshofs festgeschrieben haben.

Auch wenn man in das Gesetz über den Staatsgerichtshof schaut, sieht man: Wir haben in acht Punkten die Aufgaben des Staatsgerichtshofs definiert. Sie kennen sie; da bin ich mir sicher. Auch in diesem Gesetz gibt es keinen einzigen Fall, in dem der Staatsgerichtshof nicht einen Umstand direkt mit der Verfassung vergleicht. Das heißt, Sie würden das Wesen des Staatsgerichtshofs verändern, indem er eben nicht mehr nur für die Verfassung zuständig wäre, sondern dann auch für ei ne Normenkontrollklage oder wie auch immer man das nen nen mag. Das heißt, Sie durchbrechen damit ein System. Wir sagen: Wenn Sie das wollen, müssen Sie zuerst die Landes verfassung ändern, einen Entwurf für die Änderung der Lan desverfassung einreichen; denn das ist ein so tiefer Eingriff in die Aufgaben des Staatsgerichtshofs, dass man das nicht mit einem einfachen Gesetz beschließen kann, sondern dazu die Landesverfassung ändern müsste.

Zweites Argument: Die Verabschiedung des Haushalts und die Haushaltsaufstellung sind das Königsrecht des Parlaments. Da sollte schon ein Verfassungsrang gegeben sein, um dieses Königsrecht des Parlaments zu beschneiden. Es wäre eine Be schneidung des Königsrechts des Parlaments; denn der Staats gerichtshof müsste nach Ihrem Entwurf dann sagen: „Der Haushalt ist ungültig.“ Sie haben noch keine Ausführungen dazu gemacht, was denn passiert, wenn der Staatsgerichtshof feststellt, dass ein Haushaltsplan, ein Haushaltsgesetz nicht der Landeshaushaltsordnung entspricht. Auch das ist system widrig. Man müsste dann den Haushalt aufheben oder zumin dest die Folgen definieren, die es dann hätte. Auch das halten wir für nicht richtig. Die Haushaltsaufstellung ist das Königs recht des Parlaments, und wenn dies eingeschränkt werden soll, dann muss das in die Verfassung.

Jetzt komme ich zum dritten Argument – das ist nämlich ge nau das, was wir wollen –: Wir wollen, dass in der Landes verfassung konkrete Regeln definiert werden. Da kommen wir Ihnen tatsächlich entgegen, Herr Dr. Rülke. Wir wollen näm lich nicht nur das übernehmen, was im Grundgesetz steht, son dern wir wollen das durch einen konkreten Abbaupfad erwei tern, an dem man dann auch die jeweilige Haushaltsaufstel lung messen kann. Ich glaube, das kommt Ihnen entgegen.

Deshalb: Wenn wir dann diese Regel in der Landesverfassung haben, dann haben Sie automatisch das, was Sie wollen. Sie könnten nämlich als Fraktion einen Haushalt vor dem Staats

gerichtshof überprüfen lassen, weil wir dann eine Verfassungs regelung haben, die Sie vor dem Staatsgerichtshof einklagen können. Dann haben Sie im Prinzip das, was Sie wollen.

Das heißt: Ich würde Sie bitten, an der Aufnahme dieser Re gelung in die Landesverfassung mitzuarbeiten. Dann haben Sie nämlich all das, was Sie jetzt mit Ihrem Gesetzentwurf ha ben wollen, ohne die Regel zu durchbrechen, die unsere Ver fassungsväter niedergeschrieben haben, nämlich die, dass der Staatsgerichtshof dafür zuständig ist, ein Gesetz auf seine Ver fassungsmäßigkeit hin zu überprüfen und nicht zwei Gesetze untereinander. Das wäre wesentlich konsequenter und wesent lich stringenter in der Argumentation.

Jetzt gibt es Unkenrufe, die sagen: Die Opposition kann aus politischen Gründen eine Verfassungsänderung gar nicht mit machen; sie muss die Regierung vor sich hertreiben und kann das deswegen politisch gar nicht mitmachen. So weit habe ich den Glauben an das Parlament noch nicht verloren, dass ich diesen Unkenrufen das Wort reden würde. Ich glaube, dass wir in dieser Situation alle gemeinsam an einem guten Kon sens und einem tragfähigen Konsens arbeiten sollten und al le gemeinsam die Landesverfassung so ausstatten sollten, dass Sie zum einen das Klagerecht haben, das Sie zu Recht for dern, und wir zum anderen gemeinsam einen Pfad aufmachen können, wie wir den Haushalt strukturell sanieren können. Ich lade Sie dazu ein und bin weiterhin guter Hoffnung, dass wir das hinbekommen, und hoffe auch, dass sich diese Unkenru fe nicht bewahrheiten.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

In der Allgemeinen Aussprache liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.