Unstrittig ist auch: Wir sind Europäer, und wir alle profitieren von Europa. Nach Berechnungen der Kreditanstalt für Wie deraufbau hat Deutschland durch die Mitgliedschaft in der Währungsunion allein in den Jahren 2009 und 2010 einen
Wachstumsvorteil zwischen 2 % und 2,5 % erreicht. Dies ent spricht einer Summe von etwa 50 bis 60 Milliarden €.
Wir profitieren aber nicht nur wirtschaftlich von Europa, son dern wir profitieren auch von der Völkerverständigung sowie von Frieden und Stabilität. Beides hat uns Europa gebracht.
Die CDU ist der Ansicht, dass wirtschaftliche Hilfen für Grie chenland gemeinsam mit Maßnahmen zur Völkerverständi gung dringend geboten sind. In aller Kürze möchte ich eini ge mögliche Handlungsfelder ansprechen:
Wir könnten beispielsweise eine engere Zusammenarbeit im Bereich der Ausbildung suchen. Die Griechen könnten von unserem dualen System lernen. Gut ausgebildete junge Men schen sind gute Fachkräfte, und gute Fachkräfte schaffen mehr Wertschöpfung als schlecht ausgebildete Fachkräfte.
Es liegt auf der Hand, dass angesichts der demografischen Entwicklung Europa um seiner globalen Wettbewerbsfähig keit willen auf diesem Gebiet und auf anderen Gebieten zu ei ner ganz neuen grenzübergreifenden Zusammenarbeit finden muss.
Ein anderes Handlungsfeld stellen Know-how-Partnerschaf ten dar. Das ist ein völlig neuer Weg in Europa. – Jetzt dürfen Sie gleich klatschen.
Bundeskanzlerin Merkel hat im Jahr 2010 eine Vereinbarung mit dem damaligen griechischen Ministerpräsidenten über ei ne Intensivierung der freundschaftlichen Zusammenarbeit in der Krise getroffen.
Das Neue hierbei ist die Zusammenarbeit zwischen Gemein den, Landkreisen, der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft weit über traditionelle Städtepartnerschaften hinaus.
Kreativität, Wissen und Erfahrungen werden in einem neuen Ansatz ausgetauscht. Das stimuliert Investitionen, das be schleunigt die Realisierung von Projekten, und das spart viel Geld für Beratung, denn es erfolgt ein direkter Wissens- und Erfahrungstransfer.
Der Nordschwarzwald ist auf dem Weg zu einer Know-howPartnerschaft mit Kreta. Viele andere Regionen sind auch da bei, sich zusammenzufinden.
Der Präsident des baden-württembergischen Gemeindetags, Roger Kehle, hat jüngst in Kavala in Nordgriechenland vor nicht weniger als 260 Bürgermeistern und Wirtschaftsvertre tern eine, wie ich meine, beeindruckende Rede gehalten. Durch diese Begegnung werden viele Weiterbildungsmaßnahmen bei baden-württembergischen Kommunen entstehen. Hier kann mit ganz wenig Geld ganz viel bewegt werden.
Ein paar Beispiele für weitere Handlungsfelder sind die Fi nanzierung von Langzeitberatern – z. B. des Senior Experten Service –, der Weiterbildung, der Sprachausbildung und die Finanzierung von Beratungsstellen, z. B. des Landkreistags, des Städtetags oder des Gemeindetags, vor Ort in Griechen land. Die Landesregierung kann sich in Gespräche mit Kam mern, Verbänden, der Arbeitsagentur und unseren Regionen koordinierend einbringen.
Ich habe vernommen, dass der Landtagspräsident alle deutschgriechischen Vereine und die bereits aktiven Kommunen nach der parlamentarischen Sommerpause zum Informationsaus tausch einladen möchte. Das ist eine tolle Maßnahme. Genau so etwas brauchen wir.
Ich möchte, dass wir aus dieser Krise eine Chance machen. Die Griechen benötigen Hoffnung. Schauen wir nicht zu, wie die Stimmung hier im Land gegenüber den Griechen und die Stimmung bei den Menschen in Griechenland sinkt. Europa hat dies nicht verdient.
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie Abge ordneten der Grünen und der SPD – Abg. Dr. Fried rich Bullinger FDP/DVP: Sehr schön!)
Meine Damen und Herren, es gibt gute Ansätze, um etwas be wegen zu können. Wenn die kommunale Ebene – eingebun den und unterstützt durch die Initiative der Bundeskanzlerin – diese Handlungsbereitschaft einbringt, dann muss das Land einfach seinen guten Willen zeigen.
Die Stabilisierung des Euro geht uns alle an. Hier geht es um die Verantwortung für Europa als Ganzes, und das ist eine gemeinsame Aufgabe von allen politisch Verant wortlichen in Bund und Ländern.
Das ist richtig. Dazu müssen, werden und können wir auch et was tun, gerade für Griechenland. Denn in Griechenland ist nicht die Wirtschaftskraft wie in anderen Ländern vorhanden, die sich unter Umständen auch selbst helfen können.
Die CDU-Landtagsfraktion schlägt vor, parteiübergreifend in Abstimmung mit den kommunalen Landesverbänden kurz fristig ein Handlungspaket zu erstellen. Wir schlagen außer dem die Einsetzung einer Koordinierungsgruppe vor. Lassen Sie uns handeln – im Sinne unserer Länder, im Sinne Euro pas und im Sinne der Menschen.
Lassen Sie mich noch kurz zu Punkt 9 c der Tagesordnung kommen. Gerade der Fall Griechenland zeigt: Wir brauchen in Europa eine neue Stabilitätskultur und tief greifende Re formen in der Finanzpolitik. Gefragt ist eine neue Architek tur der Eurozone, in der ein frühzeitiges Erkennen von Schief lagen und konsequentes Gegensteuern möglich sind.
Klar ist: Ein Wachstum auf Pump ist weder nachhaltig noch stabil. Im Bericht der Landesregierung über aktuelle europa politische Themen nehmen die Folgen einer unsoliden Haus haltspolitik breiten Raum ein. Leider wird nach der korrekten Beschreibung der Folgen dieser verfehlten Politik eine falsche Schlussfolgerung angestellt. Die Lösung liegt eben nicht in einer Übernahme der Haftung für die Schulden durch die ge samte EU, etwa in Form von Eurobonds. Ursache der Krise war das Auseinanderfallen von Risiko und Haftung. Mit den Eurobonds würde genau dies zementiert.
Gerade aus baden-württembergischer Sicht ist nicht verständ lich, warum sich die Landesregierung weiterhin für die Ein führung dieser Eurobonds starkmacht.
Für uns im Land würden zwischen 500 Millionen € und 1 Mil liarde € an Mehrausgaben durch höhere Zinsen für diese Eu robonds anfallen. Die Landesregierung sollte daher ihre Hal tung dazu schnellstens überdenken.
Wir haben in diesem Haus vor einigen Wochen über den EUFiskalpakt gesprochen. Dieser setzt genau daran an, Risiko und Haftung wieder zusammenzubringen.
Mein Dank gilt ausdrücklich der Bundesregierung, allen vo ran Frau Bundeskanzlerin Merkel und Herrn Bundesfinanz minister Schäuble. Sie halten trotz schwierigen Fahrwassers Kurs und tragen so zur Stabilisierung Europas bei.
Der Bericht der Landesregierung zu aktuellen europapoliti schen Themen zeigt aber auch die Schnelligkeit der derzeiti gen Entwicklungen auf europäischer Ebene auf. Viele der da rin beschriebenen Entwicklungen sind mittlerweile in einem ganz neuen Stadium angelangt. Umso wichtiger ist eine zeit nahe und umfassende Unterrichtung des Landtags.
In den kommenden Monaten werden auf europäischer Ebene entscheidende Weichenstellungen vorgenommen. Der Finanz rahmen für die Jahre 2014 bis 2020 wird auch die Rahmen bedingungen bei uns hier im Land beeinflussen. Es geht um die Rahmenbedingungen für unsere Landwirte, um die Bedin gungen zur Förderung des ländlichen Raums, um EU-Mittel für Forschungsprojekte und um transeuropäische Netze. Der Landtag als Haushaltsgesetzgeber ist stark davon betroffen, nach welchen Kriterien EU-Mittel fließen und in welcher Hö he auch eine Kofinanzierung durch das Land notwendig ist.
Die CDU-Fraktion fordert deshalb die Landesregierung auf, den Landtag weiter rechtzeitig und umfassend zu informieren und einzubinden, wenn es um den EU-Finanzrahmen 2014 bis 2020 und dessen innerstaatliche Umsetzung geht.
Frau Präsidentin, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Griechenland erlebt derzeit eine der größten Krisen in seiner neueren Geschichte. Das ist der Grund, warum heute gleich zwei Anträge vorliegen, die in Verbin dung mit dem Europabericht behandelt werden. Ich finde es gut, dass beides in Zusammenhang gebracht wird, denn es gibt natürlich eine Verbindung zwischen der europäischen Krise und der Krise in Griechenland.
Aber ich möchte gleich zu Beginn sagen, dass bei allen haus gemachten Problemen, die Griechenland hat, nicht die grie chische Krise die europäische Krise ausgelöst hat. Vielmehr haben die Auswirkungen der internationalen Finanzkrise Grie chenland an den Rand des Staatsbankrotts gebracht.
Die übermäßige Staatsverschuldung ist ein Übel, aber sie al lein durch strikte Sparmaßnahmen zu bekämpfen, reicht nicht aus – nicht nur im Fall Griechenlands. Denn das hat zu einer schweren Rezession und, damit verbunden, zu einer Verelen dung der Bevölkerung geführt. Herr Paal hat die dramatische Jugendarbeitslosigkeit genannt. Ich kann ergänzen: Viele Rent ner können nach einer zweimaligen Rentenkürzung kaum noch ihren Lebensunterhalt bestreiten, stehen mittlerweile vor medizinischen Stationen Schlange, die für Flüchtlinge einge richtet worden sind, Mütter geben ihre Kinder in Kinderhei men ab, weil sie den Unterhalt nicht mehr bezahlen können – und das alles mitten in Europa.
Deshalb finde ich es gut und richtig, dass wir heute darüber diskutieren, was wir tun können, um der griechischen Bevöl kerung zu helfen. Ich weiß, jetzt kommt immer die Reaktion: Griechenland bekommt doch schon so viel finanzielle Unter stützung.
Lassen Sie mich dazu zwei Anmerkungen machen. Zum ei nen möchte ich daran erinnern, dass zumindest Deutschland bisher auch von dieser Unterstützung profitiert hat. Wir haben uns Geld bei der EZB ausgeliehen und es zu einem viel, viel höheren Zinssatz an Griechenland weitergegeben – ein gutes Geschäft, das uns allerdings langfristig sehr teuer zu stehen kommen kann. Deshalb müssen wir schon aus Eigeninteres se alles daransetzen, um Griechenland zu unterstützen.